Der gebürtig argentinische, heute aber französischer Natur seiende Skandal-Regisseur und Glatzkopf Gaspar Noe lieferte mit Menschenfeind (1998) noch vor Irreversible (2002) ein knallhartes und beeindruckendes Independent-Tragikdrama ab, das mit viel Gesellschaftskritik aus der Sicht eines gescheiterten Proletariers aufwartet und in der Art und Weise aufrüttelt, das der Film tatsächlich noch längere Zeit im Kopf nachwirkt (siehe auch die sehr zutreffende Kurzkritik des internationalen Filmlexikons am Ende der Kritik). Hier werden alltägliche, aber auch soziologisch brisante und lebensphilosophische Themen thematisiert und angesprochen, die jedermann etwas angehen und zu denen sicherlich auch jeder eine Meinung haben müsste: Inzest(tabu), Einsamkeit & Alleinsein, Moral & Gerechtigkeit, Lebensstile, Resozialisierung, Xenophobie, Sozialrassismus, biologischer Rassismus, Homosexualität, der Tod, die Liebe, zwischenmenschliche Beziehungen, das Generationen-Verhältnis zwischen Eltern und Kindern, Egoismus etc. pp. Dabei fällt die Perspektive und Sichtweise auf diese Dinge sehr negativ und pessimistisch aus…nichts für zarte Gemüter also!

Inhaltsangabe

1991 drehte Noe den aufsehenerregenden 40 minütigen Kurzfilm „Carne“, in dem ein Pariser Pferdeschlachter (Philippe Nahon) abgrundtiefen Hass gegen seine Umwelt entwickelte. Als seine mutistische und autistische Tochter in die Pubertät kommt und in die Metzgerei rennt, weil sie Blutflecke von ihrer Menstruation auf ihrem Rock hat, denkt der Schlachter das jemand sie vergewaltigt haben muss. In seiner Wut und seinem Hass sticht der Schlachter einen unschuldigen Bauarbeiter nieder…er wird verurteilt und kommt für 15 Jahre in den Knast. Und genau an diesem Punkt setzt nun Noe´s 1998 gedrehter Menschenfeind an und führt die Geschichte des Ex-Knackis in Freiheit in einem abendfüllenden Spielfilm fort, in der der namenlose Proletarier versucht dem Tunnel seiner finsteren Existenz zu entkommen und ein neues Leben außerhalb von Paris anzufangen…in Lille fühlt er sich jedoch fremd.

Kritik

Der genannte Charakter des Schlachters ist schon allein wegen seiner beruflichen Profession symbolisch zu verstehen. Er hatte eine schwierige Kindheit (1939 geboren), wuchs ohne Mutterliebe auf – da die Mutter die Familie früh verließ (1941), wuchs obendrein ohne Vaterliebe auf – da dieser als kommunistischer Anhänger im KZ der Nazis starb, wurde als 6-jähriger Junge von einem Erzieher „im Namen Jesu“ sexuell missbraucht, mit 14 muss er sich selbst ernähren und lernte den Beruf des Schlachters, arbeitete 10 Jahre und lernte bei mehreren Meistern bis er sich mit 30 seine eigene Pferdemetzgerei aufbaut. Er entjungfert eine junge Näherin und diese schenkt ihm 9 Monate später eine Tochter mit Namen Cynthia. Die Mutter verlässt die Familie und der Vater muss sie alleine erziehen. Als das Mädchen in die Pubertät kommt, muss sich der Schlachter schon zusammenreißen, denn die weiblichen Reize der eigenen Tochter törnen ihn an. Dann passiert die Tragödie. Als er aus dem Knast rauskommt hat er alles verloren. Um zu überleben arbeitet er in einem Cafe als Kellner, wird Liebhaber der Wirtin, schwängert diese, sie verkauft ihr Kaffee und beide gehen nach Lille, wo die Mutter der Wirtin lebt und wohnt. Dort erhofft sich der Schlachter von dem Geld der Wirtin eine neue Metzgerei eröffnen zu können…

Viele Gedankengänge und Probleme, welche die Figur des Schlachters hat, lassen sich aus den schweren biographischen Umständen erklären. Sein Pessimismus und seine Misanthrophie lassen sich aus der fehlenden Familie heraus erklären, durch den Mangel an Liebe, durch den Kardinalfehler mit seiner Tochter, durch abgebrochene und fehlende echte Freundschaften und durch seine herrschsüchtige Frau, „die ihr Baby ja auch ohne ihn bekommen kann“ und ihn sowieso für einen Versager und Nichtsnutz hält. Außerdem besitzt der Schlachter Ängste, die sich z.B. darin äußern, dass „Bilder vom Vater im KZ in ihm hochsteigen“.

Während dem Verlauf der ca. 90 minütigen Filmfassung führt der Schlachter viele Monologe, in denen er Bezug nimmt auf geschehene Situationen und angeschnittene Thematiken, wie den gescheiterten Bewerbungsgesprächen, dem brutalen Desaster mit seiner Frau oder über die Stadt Paris – in deren Randbezirken er später wieder haust. Gerade diese Monologe sind unheimlich wirksam: Noe bringt vieles auf simplifizierende sloganartige Formeln, Mottos und Sprüche, die wie simple Lebensweisheiten anmuten und unter denen sich aus der Sicht des Schlachters aber traurige Wahrheiten verbergen – ganz nach dem Motto: Die Wahrheit tut immer weh. Und das bedrückende, beängstigende und beklemmende an des Schlachters Sprüchlein ist, das sie aus seiner subjektiven Perspektive heraus sogar Sinn machen. Und der Zuschauer erlebt diesen Sinn unmittelbar als aktiver und empathischer Rezipient und teilnehmender Beobachter des Films mit und man kommt nicht drum herum selbst nach Auswegen zu suchen. Dadurch, das man so nah dran im Geschehen steckt, ist der Film eine introspektive und psychologische Charakterstudie eines verbitterten Proletariers – „eines armen Schluckers – die Geschichte eines Mannes – einem wie viele andere – eine banale Geschichte“ – wie der Schlachter selbst im Prolog meint.

Das zerstörte Leben und die gescheiterte Existenz der Hauptfigur, dessen emotionale Kälte, die Perspektivlosigkeit, die Kräftelosigkeit, die Schlaffheit und Schlappheit, Lebensmüdigkeit, das Schimpfen auf die Reichen und Schönen, der Hass gegen Akademiker und Bessergestellte – all das gipfelt im Charakter und Hirn des Schlachters und ergibt ein gefährliches, explosives und toxisches Gebräu, aus dessen Sinnentleertheit der Hauptprotagonist versucht mit Gewalt zu entfleuchen…für ihn lange Zeit die einzig beste Lösung all seiner Probleme. Er sucht nach einem Ventil, durch das er seine Aggressionen und seine Wut endlich entlassen kann. Als ihn dann ein Wirt, dessen Sohn und ein weiterer Besucher einer Gasthausschenke provozieren und bedrohen scheint der Dampfkessel kurz vorm explodieren zu sein.

Achtung Spoiler!

Zum Glück kommt es nicht zum Äußersten, denn gerade als unser Schlachter zur Erschießungstat schreiten will, kommen ihm die Öffnungszeiten des Lokals in die Quere – denn es ist zu und niemand ist mehr da. Anlass für den Streit mit den Wirtshausgästen war eigentlich bloß, dass ihn der Sohn vom Wirt bemitleidete, weil er seine Rechnung nicht mit dem vollständigen Betrag bezahlen konnte. Doch der Schlachter wollte sich nicht bemitleiden lassen und fasste die Bemitleidung gleich als Provokation auf. Als er dann den Wirtssohn anpöbelt, kommt es zum Streit mit dem Wirt, der ihn daraufhin mit einer Pumpgun bedroht und aus dem Laden jagt. Als er geht, beleidigt ihn der Wirtshaussohn noch mit der Beschimpfung „Wichser“.

Spoiler Ende!

Einige solcher oben angesprochenen Monologsätze sind z.B.:

„Die Vergangenheit holt dich immer ein, am Ende zahlst du für deine Taten.“

„Das Leben ist wie ein Tunnel. Jeder hat seinen kleinen Tunnel, aber am Ende des Tunnels gibt es kein Licht. Es gibt gar nichts mehr.“

„Liebe, Freundschaft. Alles Quatsch. Das sind Illusionen, die man versucht aufrecht zu erhalten, um nicht zugeben zu müssen das alle zwischenmenschlichen Beziehungen reines Geschäft sind. Wir sprechen von Liebe und Freundschaft, aber aus Berechnung. Es kommt uns gelegen. Die Realität ist käuflich.“

„Entweder du wirst mit einem Schwanz geboren, dann sollst du dich wie ein guter harter Schwanz benehmen und Löcher stopfen. Oder du wirst mit einem Loch geboren, dann bist du nur nützlich wenn du dich stopfen lässt. Aber egal wie, du bist immer allein.“

„Aber was heißt eigentlich allein sein? Du kannst mit einem Kerl oder einer Frau oder sogar mit Kindern leben, und trotzdem bist du ganz allein. Ja, ich bin allein – und sie auch. Man kommt allein auf die Welt, man lebt allein, man stirbt allein. Allein, immer allein, sogar beim vögeln ist man allein. Allein mit seinem Fleisch. Allein auf dem Weg durch einen Tunnel – einen Weg den man mit niemandem teilen kann. Und je älter man wird, desto mehr ist man allein. Mit ein paar Erinnerungen an ein Leben, das sich nach und nach zerstört.“

„Nein, Vögeln ist kein gutes Geschäft. Es kommt einen zu teuer. Aber es ist ein Zeitvertreib. Und wenn man keinen Bock hat mehr zu vögeln, dann wird einem klar das man in diesem Leben nichts mehr verloren hat und das es nie was anderes in diesem scheiß Leben gab. Nichts als dieses Reproduktionsprogramm was in unsere Eingeweide gespeichert ist.“

„Leider sind die meisten Frauen verbittert, weil sie ohne Schwanz geboren wurden“ (Was stark an Freuds alte und mittlerweile längst für ungültig erklärte Penisneid-Thesis erinnert).

Die Örtlichkeiten, welche der Schlachter in Paris nach seiner Gräueltat in Lille aufsucht sind vornehmlich tristesser, aschgrauer, farbloser und trostloser Natur. Aber auch in Lille war die Trostlosigkeit der Orte schon spürbar visualisiert worden. Dabei ist der Film nicht nur voll von Grau- und Dunkeltönen, sondern vor allem sind blasse Beigefarblichkeiten erkennbar. Die Umgebungen wirken dreckig, nicht einladend und freundlich, sondern sie sollen wohl eher ans KZ und die Nachkriegszeit erinnern. Der Charakter des Schlachters und sein Gesicht sind geprägt von Teilnahmelosigkeit, Indifferenz und Apathie. Er ist voll von Trotzigkeit (z.B. als er versucht sich als Wurstverkäufer an einer Fleischtheke anstellen zu lassen, schafft er es nicht einmal per Aufforderung seines Vorgesetzten zu lächeln – weil man ja lächeln können muss als Verkäufer – immer schön lächeln, denn die Kunden wollen und sollen ja was kaufen!), Verbitterung, Unzufriedenheit, interpersonalem Misstrauen, Trägheit, Schwermütigkeit, Langsamkeit, Energielosigkeit, Motivationslosigkeit und Wortkargheit – denn irgendwo ist er auch kommunikativ zu und verschlossen, denn sein wahres inneres Ich gibt er niemandem preis. Er redet auch mit niemandem über seine Probleme oder denkt daran sich Hilfe (z.B. bei einem psychosozialen Dienst o.ä.) zu holen. Philippe Nohan spielt seinen Charakter mit den oben genannten Facetten meisterlich. Die Performance dieser gescheiterten Existenz hätte nur schwerlich noch besser sein können.

Die Wortkargheit äußert sich aber nur in äußerlichen Kommunikationen und Interaktionen mit Mitmenschen, während in seinem inneren sein „stream of consciousness“ unaufhörlich abläuft. Er ist aber nicht in der Lage nette, freundlich gesinnte, sinnvolle und gut funktionierende Interaktionen mit seinen Mitmenschen zu führen. Im ganzen Film über lacht der menschenfeindliche und verbitterte Metzger nicht einmal. Alle Menschen um ihn herum oder allen die er begegnet (bis auf die eine Frau aus der Bar, die ihn dann auch mit nach Hause nimmt und Spaß mit ihm haben will) haben ähnliche ernsthafte und finstere Mienen ihm gegenüber. Niemand will ihm so richtig aus der Patsche helfen, keiner kommt und greift ihm unter die Arme. Letztendlich ist seine Tochter die einzige im Leben, die ihm wirklich was bedeutet und weswegen er sich nicht umbringt. Sie liebt er und sie liebt ihn. Die Liebe zwischen ihnen ist aber ein gesellschaftliches Tabu und kann und wird nicht geduldet werden. Er weiß es und trotzdem will er das Risiko am Ende eingehen. Denn ihm sind nur diese Momente geblieben, die er für sich persönlich ganz groß hält und definiert. Im letzten Monolog des Metzgers, bei dem man mal ausnahmsweise nicht ihn sieht, sondern eine dieser trostlosen Straßen französischer Banlieues in den Marginalien von Paris, bringt er seinen Unmut und sein Gefühl, in ein gesellschaftliches Korsett gezwängt zu sein nochmal zum Ausdruck:

„Die Menschen glauben sie sind frei, aber es gibt keine Freiheit. Es gibt nur Gesetze die Unbekannte zu ihrem Wohl geschaffen haben und die mich in meinem Unglück gefangen halten. Und unter diesen Gesetzen gibt es eines das besagt, dass ich dich nicht lieben darf, weil du meine Tochter bist. Warum? Wenn man uns diese Liebe verbietet, dann sicher nicht weil sie schlecht ist, sondern weil sie zu stark ist.“

In seinem erst kürzlich erschienenen Buch „Die Ausgeschlossenen – Das Ende vom Traum einer gerechten Gesellschaft“ (Hanser Verlag) beschreibt der Soziologe Heinz Bude genau solche Typen, wie unser Schlachter einer ist. Diese sozial Exkludierten sind die Abgehängten, diejenigen, die den Anschluss an die Mainstreamgesellschaft verloren haben, die Zu-Kurz-Gekommenen, die Überflüssigen, die Ausgegrenzten und die Abhanden-Gekommenen. Ihr Weg führt direkt ins soziale Abseits. Dort warten dann eben z.B. solche unkultivierten sexuellen Perversionen wie Inzestliebe auf die Unterschichtler. Unser proletarischer Schlachter ist so jemand. Einer, der nicht mehr in soziale Gruppierungen integriert ist, der nicht zu Freunden geht um zu reden, der keinen Sport treibt, keine anderen Freizeitaktivitäten hat, keinen geregelten Tagesablauf hat und zu stolz ist um Wurstverkäufer zu sein oder zu werden, sondern am Anfang des Films auch oftmals verblödend in die Fernsehröhre glotzt. Beeindruckend und bezeichnend ist auch der folgende Monolog, den er in einem Pornokino sitzend denkt:

„Das Leben ist eine große Leere. Das war´s schon immer und das wird‘s auch immer bleiben. Eine große Leere, die genauso gut auch ohne mich ablaufen könnte. Ich habe keine Lust mehr auf dieses Spiel. Ich will nicht mehr. Ich will etwas eigenes, intensives leben. Ich will nicht mehr irgendeine auswechselbare Schraube in dieser Maschine sein. Ich will bei meinem Tod nicht das Gefühl haben, denselben Blödsinn gelebt zu haben wie die Millionen Idioten die diesen Planeten bevölkern. Es ist einfach ein scheiß Gefühl das auch noch das letzte Arschloch dasselbe gelebt hat wie ich. Ich weiß nicht. Ich muss irgend ein Argument finden, eine Ausrede , irgendwas damit ich Lust bekomme noch 20 Jahre bis zu meinem Tod durchzuhalten. Tja, wenn ich nochmal von vorne anfangen könnte, sollte ich vielleicht Pornofilme drehen. Die Leute die das machen, die haben uns Menschen wirklich begriffen.“

Hier blitzt die Sehnsucht des Schlachters auf, ein anderes Leben zu führen. Aber er weiß nicht genau was, er selbst ist ratlos und kann auch nicht genauer explizieren, welches außergewöhnliche Leben er denn gerne führen wollen würde, das so anders ist als das von vielen Millionen Menschen auf diesem Planeten. Er selbst ist zu schwach um sich aufzuraffen und um kreative Ideen zu haben, was und wie er denn leben könnte: Das Einzige was er weiß ist, das er sein Leben so wie es jetzt ist nicht leben möchte. Er ist ein Alleingelassener, einer um den sich niemand kümmert, jemand der zu alt ist um nochmal komplett neu anzufangen. Der Film erteilt Neuanfängen und der Hoffnung auf ein neues Leben eine Absage. Die primäre Sozialisation und die sozio-kulturelle Prägung des jeweiligen Milieus lassen sich eben nicht so leicht vergessen und die eigenen Taten der Vergangenheit vergeben. Niemand kann seine Vergangenheit abstreifen wie ein Kleid. Auch unserem Schlachter wird das im Verlauf der Handlung klar. Er entkommt seiner finsteren Existenz letztlich nicht, für ihn gibt es kein Happy-End, da wo er hingeht – den Weg den er einschlägt, von da gibt es kein zurück. Unser Protagonist ist ein hoffnungslos Verlorener, einer für den es nach seinem Knastaufenthalt niemals mehr adäquat aufwärts gehen wird. Für ihn ist kein Platz in der Gesellschaft, an ihm ist niemand mehr interessiert, ihm leiht auch niemand mehr Geld oder gibt ihm soziale Unterstützung. In den Milieus in denen er sich bewegt gibt es davon nicht viel. Er ist auf sich allein gestellt, begeht in seiner Verzweiflung Gewalttätigkeiten, stumpft emotional ab (gerade die Szene im Altenheim – wo er den Tod einer alten Dame mit einer Pflegerin miterlebt ist dafür bezeichnend), sinnt nach Rache, sexuellen Perversionen und ist stark suizidgefährdet. Noe bietet seinem schwierigen Charakter keinen Ausweg, sondern wirft einen pessimistischen Blick auf solche Schicksale…

Fazit

Der in der grandiosen DVD-Reihe „Kino kontrovers“ (von Legend-Entertainment) herausgegebene und erschienene „Menschenfeind“ (Der frz. Originaltitel lautet in der Übersetzung übrigens: „Allein gegen alle“) etabliert sich dort auch neben „Irreversible“, „Ken Park“ und „Die 120 Tage von Sodom“ fast an der Spitze der filmischen Kontroversitäten. In seiner Machart mit vielen kleinen, aber doch sehr wirksamen Stilmitteln garniert, ist „Menschenfeind“ atmosphärisch auf ganzer Linie überzeugend (die schnell ranzoomenden Kameraeinstellungen mit Paukenschlag erzeugen eine mächtig durchschlagende Wirkung!). Viele Handlungen des Protagonisten sind angesichts seiner Lage und Möglichkeiten erschreckenderweise relativ nachvollziehbar, aber einige Gedanken und Taten sind allerdings auch zu versimplifizierend (man merkt dem Schlachter seinen Mangel an Bildung an – der Film ist gespickt mit viel Biologismus und evolutionsbiologischen Ansichten – so z.B.: versucht der Schlachter sich das Phänomen der Homosexualität mit der antiquierten Degenerationsthese zu erklären) und skandalös – vor allem der Gedankengang über Inzest am Ende ist doch sehr stark diskussionswürdig und ein großer und im Gesamtbild des Filmes doch störender Kritikpunkt. Denn gerade als man denkt, es wendet sich nach einer emotional-rührseligen Umarmungs- und Ausweinungsszene doch noch alles zum Guten für den Metzger und seine Tochter, bekommt man mit dem Endmonolog nochmal die Faust aufs Auge gedrückt. Alles in allem ein großartiges, kritisches und gesellschaftlich verstörendes Tragikdrama (übrigens auch mit sehr passendem Score und Johann Pachelbels Kanon am Ende) – das man so garantiert vorher noch nicht gesehen hat (ähnlich verstörend ist der Amoklauf-Klassiker: „Mann beißt Hund“), das bleibende Eindrücklichkeiten hinterlässt und zum Nachdenken anregt, aber ein fragwürdiges Ende mit grenzwertiger Ethik und Moral besitzt, das sicherlich bei den meisten Zuschauern bitter aufstoßen wird…

[Wertung]

Huckabee: 4.5 out of 5 stars (4,5 / 5)

Kurzkritik des internationalen Filmlexikons:

„Eine gnadenlos brachiale Geschichte, die sich weniger für die narrative Ebene interessiert als für das momentane soziale Wie und zu einem Angriff auf die Sinne und die Ethik des Zuschauers wird. Ein befremdlicher Film, dessen unerbittliche Gesamtkomposition gleichwohl ein nachhaltiges Erlebnis darstellt.“

– Lexikon des internationalen Films –

Lass ein paar Worte da:

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.