Einleitung

Das Anti-Kriegsdrama (eigentlich müsste man meinen Anti-Massaker Drama) „Waltz with Bashir“ setzt sich mit einem historisch finsteren Kapitel der Geschichte des Bürgerkriegs im Libanon und damit verbunden auch mit der Bedeutung der „Invasoren“ – also der Israelis kritisch auseinander. Die heikle Thematik wird Stück für Stück aufgerollt und ist packend verpackt in eine sehr gelungene und fesselnde Story, die auf wahren Begebenheiten und Tatsachen basiert und beruht. Zu Recht muss man vorab konstatieren, hat der Film schon etliche Preise in vieler Herren Länder abgeräumt (z.B. den Golden Globe) und er ist nun auch für den Größten aller großen (westlichen) Film-Prämien nominiert: Dem Oscar in der Kategorie „Bester Nicht-englischsprachiger Film“. Diese Gemeinsamkeit teilt „Waltz with Bashir“ übrigens mit dem „Baader-Meinhof-Komplex“. Das wird ein spannendes Rennen zweier brillanter filmischer Großartigkeiten, die beide historisch brisanten Stoff ab- und behandeln…

Inhaltsangabe:

Wir schreiben das Jahr 2006 und befinden uns im Winter. Eines Nachts meldet sich ein alter Bekannter, Freund und Ex-Soldaten-Kamerad mit Namen Boaz bei unserem Hauptprotagonisten und Filmemacher Ari Folman (der sich selbst quasi gezeichnet spielt), klingelt ihn aus dem Bett und bestellt ihn in eine Kneipe. Als er dort ankommt, erzählt ihm Boaz von einem, seit 2 ½ Jahren immer wiederkehrenden (Alb)Traum mit 26 Hunden. Diese Hunde sind diejenigen, welche er zur Zeit des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990) und der Besetzung des südlichen Libanon durch die Israelis (1982-1985) im Kampfeinsatz tötete (er musste sie töten, weil er keine Menschen töten konnte – deshalb wurde er von den anderen Kameraden vorgeschickt) und die nun im Traum seinen Kopf verlangen. Boaz weiß nicht mehr weiter und fragt Ari um Rat. Im Gegensatz zu Boaz jedoch, hat Ari, der auch im Libanon-Krieg dabei war keinerlei Albträume oder Flashbacks.

Er stellt ganz im Gegenteil relativ ernüchtert fest, das er sich an nichts erinnern kann und auch nicht mehr an diesen Zeitabschnitt seiner Jugend denkt. Trotzdem, nachdem sich beide an einer Meeresküste freundschaftlich mit Schulterklopfen und Umarmung verabschieden (und Boaz nachdenklich an der Küste stehen bleibt) und Ari Boaz verspricht sich etwas einfallen zu lassen, sitzt er grübelnd im Auto und fängt plötzlich an sich wieder zu erinnern: An den Krieg im Libanon, an West-Beirut und eben auch an die grausamen und ungerechtfertigten Massaker in den Flüchtlingslagern von Sabra und Schatila im September 1982 (die im Film auch mit den Massakern in den KZ´s der Nazis und mit den Zuständen im Warschauer Getto verglichen werden), von denen er anscheinend nicht weit entfernt stationiert worden war…doch so richtig erinnert er sich nicht an jede Einzelheit, sondern nur so bruchstückhaft…vor allem beschäftigt ihn eine nun immer wiederkehrende Erinnerung an ein Meer, aus dem er mit Kameraden watet und nach Beirut hinein geht, wo er auf einen Strom flüchtender und klagender Frauen trifft…

Weil Ari nun der ganzen Sache, seiner Erinnerung und seinen damaligen Erlebnissen auf den Grund gehen will und sich erinnern will, besucht wie er obsessiv und poe a poe zuerst einen Freund, der Psychologe ist und dann weiterhin alle Kameraden von damals und die fehlenden Puzzleteile innerhalb seines Gedächtnisses zu rekonstruieren und die zerbrochene und verdrängte Erinnerung wieder zusammen zu setzen…

Kritik

„Filme sind doch wie Psychotherapie, oder?“ Boaz

„Waltz with Bashir“ bedeutet halbwegs wörtlich übersetzt „Walzen mit Bashir“ resp. einen Walzer tanzen mit Bashir. Bachir Gemayel (1947-1982) war der gewählte Präsident der Libanesen, Milizenführer und Gründer der Lebanese Forces. Er wollte die Unabhängigkeit und Führung über alle Libanesen erlangen. 1982 fiel er jedoch mit mehreren anderen Mitstreitern in ihrem Hauptquartier einem Bombenattentat zum Opfer. Diese Ermordung des libanesischen Präsidenten soll nun der Hauptgrund und Anlass für das Massaker im (Süd)Beiruter Flüchtlingslager Sabra und Schatila gewesen sein, in dem christlich-libanesische Phalange-Milizen (= Mitkämpfer und Anhänger der faschistischen Partei Kata´ib – deren Vorsitzender Bachir Gemayel war und deren Gründer sein Vater Pierre Gemayel gewesen ist) viele unbewaffnete palästinensische Zivilisten, einschließlich Frauen, Kinder und Alte vergewaltigten, folterten, verstümmelten, und aus Rache und zum Zwecke der Vergeltung töteten und massakrierten, denn man dachte, die Palästinenser hätten ihren geliebten Präsidenten hingerichtet. Eingedrungen in die Lager waren diese Phalange-Milizen mit der Unterstützung der israelischen Armee, die Leuchtraketen über den Lagern und Beirut abfeuerten, um die Stadt zu erhellen, die Milizen mit Nahrung versorgten und an den Ein- und Ausgängen der Lager Wache hielten, damit niemand „entkommen“ konnte. Dieser Befehl kam von Ariel Scharon höchst persönlich, weshalb dieser später auch von seinem damaligen Amt als Verteidigungsminister zurück treten musste. Der Vorwand für dieses Eindringen in die Flüchtlingslager war jener, das man dort bewaffnete Untergrund- und Guerilla Palästinenser mutmaßlich vermutete, die entwaffnet werden sollten… (Quelle siehe unten).

Soviel also nun zum historischen Hintergrund des Films und des Massakers, der hier als wichtiger und wissenswerter Stoff fungiert und vor allem dem besseren Verständnis des Filmes dienen soll. Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Ari Folman tritt eine Reise in die Vergangenheit an, die für ihn die Aufarbeitung verdrängter Ereignisse und die Integration dieser und der damit verbundenen „Schuld“ – also dem Gefühl, nichts getan zu haben – in sein Selbstbild bedeutet. Es ist eine Reise der Selbsterkenntnis: „Gnothi Seauton!“ – so wie es schon an den alten Orakeln in Delphi steht. Insofern trägt der Film schon mal autobiographische, historische und psychologische Elemente in sich, die allesamt ineinander fließen und den Prozess des Lebens von Ari Folman und Konsorten maßgeblich beeinflusst haben. Viele Persönlichkeitsveränderungen innerhalb der Persönlichkeitsentwicklungen sind damals im Libanon-Krieg von statten gegangen, ohne das Folman es bemerkt zu haben scheint.

„Das Gedächtnis ist dynamisch. Es lebt. Wenn Einzelheiten fehlen und es dunkle Flecken gibt, ergänzt es die Erinnerungen mit Dingen und Geschehnissen die nie statt gefunden haben.“ Der Psychologe

Doch er erlebte den Krieg grade in seinen jungen Jahren, in denen sich angeblich die Persönlichkeit durch wichtige zwischenmenschliche Erfahrungen und Bildung am prägendsten konstituiert. Als er z.B. vom Front-Urlaub (an die Fronturlaube erinnert er sich seltsamerweise in allen Einzelheiten!) heim kehrt, ist ihm Israel fremd geworden. Er schlendert durch die Straßen und betrachtet laufende Fernseher in Schaufenstern, die Menschen um ihn herum nimmt er apathisch war, sie flitzen und eilen hektisch nur so an ihm vorbei ohne das man sich beachten würde. Er betrachtet spielende Menschen in einer Spieloase, wie sie an den Automaten kleben und diese stumpfsinnig bedienen. Er latscht durch die Stadt, sieht Punkerinnen, rauchende Passanten, ein küssendes Pärchen. Äußerlich ist er ruhig, wirkt fast etwas verschreckt, innerlich aber ist er geschockt davon, dass das Leben einfach so weiter vor sich hin plätschert, während es Krieg gibt. Er hat sich von seiner Heimat entfremdet. Gemeinsam mit Boaz steht er in der Disko an einer Säule (während „This is not a Lovesong“ läuft) und beobachtet, tanzen tun beide nicht, obwohl um sie herum der Bär steppt … diese Persönlichkeitsanteile die sich gebildet haben und die er erlebt hat, an die kann er sich noch erinnern, denn so schlimm waren sie nicht. Sie gehörten wohl eher noch zu den positiven Erlebnissen seiner Kriegszeit. In Wahrheit hat er diejenigen Persönlichkeitsanteile verdrängt und abgespalten, an die er sich nicht mehr erinnern konnte und nun diese probiert, mit seiner Gedächtnisarbeit (mit Hilfe der Interviews seiner damaligen (Leidens)genossen) wieder zu finden, indem er sich sozusagen re-erinnert. So integriert er die abgespaltenen Persönlichkeitsanteile in sein unfertiges Selbstbildnis, um ein kompletteres Selbst zu konstituieren…

Ari Folman: „Ist das nicht gefährlich? Ich erfahre vielleicht Dinge über mich, die ich gar nicht wissen will?“

Der Psychologe: „Nein, ich glaube…von Carmi wirst du wichtige Dinge erfahren die du wissen willst. Denn, du wirst nie irgendwo hingehen wo du nicht selber hingehen willst. Es gibt da einen Mechanismus der das verhindert. Dieser Mechanismus hält dich davon ab bestimmte Bereiche zu betreten, Dunkelzonen. Dein Gedächtnis führt dich nur da hin wo du hin willst.“

Neben der Lebensgeschichte Ari Folmans zu der Zeit des Libanon-Krieges werden auch die Erlebnisse der anderen Soldaten in Retrospektiven erzählt. Es sind die Lebensgeschichten von denjenigen Soldaten, die Folman als Interviewer und Zuhörer besucht hat. Erst durch diese Erinnerungen der anderen hilft Folman selbst seinem Gedächtnis auf die Sprünge. Sein Erinnerungsverlust gleicht einer kleinen Amnesie – die er unbedingt tilgen will. Er möchte wissen was war, schon allein deshalb, weil er ja von diesem immer wiederkehrenden Traumbild „heimgesucht“ wird. Doch zunächst erinnert sich niemand von den Besuchten und Interviewten an das Massaker. Alle anderen Erinnerungen frischt Folman wieder auf, hier funktioniert seine Methode der „Erinnerungszurückholung“ – wie ich es hier mal nennen will – perfekt. Und das ist das Faszinierende. Er braucht die Erinnerungen der anderen, um sich selbst wieder erinnern zu können. Die Storys der anderen Soldaten sind ebenso spannend wie seine eigenen und immer wieder haben es die erzählten Geschichten verbunden mit den visualisierten Kriegs-Szenarien in sich: Vorsicht Spoiler! So z.B. die Situation des jungen Soldaten am Strand, der zurück gelassen wird und in Angst hinter einem Felsen versteckt ausharrt, bis es Nacht wird. Dann kriecht er zum Strand ans Meer, schwimmt hinaus und will zu seinem Trupp zurück … wunderbar in ruhigem Tempo erzählt und perfekt visualisiert kann man da nur noch sagen! Oder die eine Szene, an die sich Folman auch nicht mehr erinnern konnte mit dem Jungen der die Panzerfaust abfeuert in dem Obstgarten und dann von den Israelis brutalst nieder geschossen und durchlöchert wird – ein Meister- und Glanzstück diese Szene! Spoiler Ende!

Carmi: „Damals während der Eroberung von Beirut, kamen wir in das Schlachthaus.“

Ari: „Wohin?“

Carmi: „Ins Schlachthaus. So hat man das genannt. Das ist so eine Art Schrottplatz gewesen, dorthin haben sie die Palästinenser verschleppt, haben sie verhört und umgebracht. Es war wie auf einem LSD-Trip.“

Und immer wieder geht es bei den von den Ex-Soldaten geschilderten Erzählungen um ihre Innerlichkeit und die Angst als bestimmendes Gefühl wird immer wieder durchgehend akzentuiert. In einer der (namensgebenden) Schlüsselszenen des Films kommt es auch zur Visualisierung einer weiteren Tatsache des Krieges: Grausames Kriegsgeschehen produziert unweigerlich Irrationalitäten, was an Hand der folgenden Passage glanzvoll veranschaulicht wurde: Vorsicht Spoiler! Als Frankl nämlich, umgeben von den Bildern von Bashir auf der Straße auf die Feinde schießend einen Walzer tänzelt! Spoiler Ende! Alle drei Protagonisten: AriBoaz – Carmi haben diese Traumbilder und Traumsequenzen, die voneinander verschieden sind und ihnen aber täglich durch den Kopf gehen. Trotzdem sie diese Bilder in sich tragen, haben sie das Massaker nicht mehr System. Es dauert etwas länger und es ist ein prozesshaftes Ereignis, bis Ari dahinter kommt, was es wirklich mit den Traumbildern auf sich hat…

„Bashir war ein Star, ein Idol, ein Traumprinz. Überall hingen seine Bilder in Beirut.“

Achtung Spoiler! Für Folman ist dieser Trip ein sehr eindringlicher, denn die Verdrängung der Zeit im Libanon und des Massakers in den Flüchtlingslagern hat offenbar auch zu tun mit seinem biographischen Spezifikum und dem Umstand, dass beide Elternteile in den Konzentrationslagern Deutschlands interniert waren Spoiler Ende!. Doch nun wollen wir etwas weg von der zugrunde liegenden Historie und der Psychologie der Charaktere und mehr hin zu anderen Bestandteilen des Films. Der Film hat quasi-dokumentarischen Charakter, ist aber auch eingebettet in einen Spielfilm und alle Interviews wurden ungefähr auch so in der Realität im Studio gedreht, wie sie im Film gezeichnet sind. Die meisten der Interviewpartner (die nicht alle Freunde des Regisseurs sind, sondern Ex-Soldaten die auch da waren und von ihren Erlebnissen und dem Kriegsgeschehen erzählen…) sind echt (auch wenn die Namen möglicherweise verfälscht und pseudonymisiert worden sind) und wollten vor die Kamera (Quelle siehe unten). Die Informationen diesbezüglich stammen also aus erster Hand. Die Filmtechnik des Animationsfilms mittels der Zeichnung wirkt (mal wieder) Wunder. Anders als bei Richard Linklaters Filmen ist der Film nicht im Original real so gedreht worden (mit echten Schauspielern) und wurde dann nach choloriert, sondern er ist komplett neu gezeichnet (bei den Interview-Szenen wahrscheinlich auch nachgezeichnet) worden und sonst am Computer entstanden.

Mittlerweile erlebt diese Malung und Zeichnung des Filmmaterials einen kleinen und feinen Boom, wie mir scheint. Es gibt doch zahlreiche Filme aus den letzten 3-6 Jahren, die immer bei den Filmkritikern gut abgeschnitten haben und hier auch erwähnenswerterweise zu erwähnen sind, also da wären: Die Tragikkomödie „Waking Life“ (2002), das Drogen-Drama „A Scanner Darkly“ (2006), die Animations-Polit-Historie-Biographie „Persepolis“ (2008) und eben nun „Waltz with Bashir“ (2008).

Die eigentlichen Animationsfilme, mit denen bezüglich der Animationstechnik alles angefangen hat, und das muss einerseits dankenswerterweise, andererseits anerkennend, würdigend, lobend, ja fast schwärmerisch und um der Wahrheit die Ehre zu geben hier unbedingt erwähnt werden, drehte allerdings der ganz grandiose Japaner Hayao Miyazaki (z.B. „Das Schloss im Himmel“ (1986), „Prinzessin Mononoke“ (1997), „Chihiros Reise ins Zauberland“ (2002) und „Das wandelnde Schloss“ (2004)) schon Jahre zuvor! Er ist also der eigentliche Erfinder und Hauptpräger dieser Technik und sollte unbedingt bei solchen Aufrollungen der Filmgeschichte nicht vergessen werden. Denn egal wo man nach liest, niemand scheint diesen japanischen Großmeister der Animationstechnik zu erwähnen. Es scheint mir, als tue man so als ob diese Filmtechnik jetzt neu erfunden worden wäre, was natürlich totaler und völliger Quatsch ist. Und vor allem: Auch Hayao Miyazaki setzt sich in seinen Filmen immer wieder mit den Themen Krieg und Frieden intensiv, rührselig, aufrüttelnd und zum Nachdenken darüber anregend auseinander.

Am Eindrücklichsten (neben „Waltz with Bashir“) hat es aber „Die letzten Glühwürmchen“ von Regisseur Isao Takahata geschafft, sich des Themas des Krieges anzunehmen und dieses ad absurdum zu führen…denn „Die letzten Glühwürmchen“ gilt nicht ohne Grund als traurigster Film der Filmgeschichte. So neu ist es also nicht, das sich jemand für das Thema Krieg nun die Animationstechnik aussucht und sich derer bemächtigt, um diese mal für die Zwecke der Aufrührung, der Erinnerung und der Verankerung im kollektiven Gedächtnis (Stichwort: Filmen gegen das Vergessen!) der Völker bedient. Hier wird in Perfektion vorgeführt, was die Tragik und Dramatik von Krieg ist und vor allem, was Krieg aus Menschen macht – denn er macht sie zu Opfern ihrer selbst … Es gibt immer wieder Szenen, in denen die unsinnige Zerstörung von materiellen Objekten und anderweitigen Gegenständen (wie z.B. Häuser) gezeigt werden. Die Gründe für diese sinnlose Zerstörungswut sind Langeweile, Machtdemonstration oder Waffenvernarrtheit der Soldaten. Immer wieder gibt es Passagen, wo diese Sinnlosigkeit und Verschwendung von menschlichem Leben und Materialität explizit angeprangert wird. Man sieht beispielsweise Soldaten, wie sie sich in die Prunkvillen am Rande von Beirut einquartieren, den Luxus leben, faulenzen und Pornos konsumieren. Einfach so, aus Langeweile und aus Spaß an der Freude.

Es scheint sich nichtsdestotrotz – der oben genannten Ausführungen zum in punkto Animationstechnik – ein (nicht ganz) neuer, aber frischer und populär werdender Trend abzuzeichnen und „Waltz with Bashir“ versteht innerhalb seines Modus (eben neben den japanischen Animationsfilmen) aufzuzeigen, das so schwierige Thematiken wie die des Krieges und eines Massakers mit dieser Zeichnungs-Technik bravourös und glamourös und mit vollster „reinhauender“ Wirkung angefertigt werden können und angefertigt werden müssen. Die Animationstechnik stellt dabei nun überhaupt keine Hürde mehr da – ein Filmkritiker der heute noch daran zweifelt, hat kein Hirn und keinen Verstand – vage ich mal zu behaupten. Eine weitere Stärke des Films ist, das er ohne große Blutrünstigkeiten, Gewalt und Brutalitäten auskommt. Das macht ihn sehr viel erträglicher als so manch anderes Anti-Kriegs-Drama, wo gerade auf solch gewalthaftige, rohe und raue Kriegs-Szenen aus verschiedenen Gründen (z.B. um mehr Authentizität zu erzeugen, zur Schockierung oder zur Abschreckung) viel Wert gelegt wurde. Und trotz einem scheinbaren Mehr an Er- und Verträglichkeit ist die Wirkung nicht geringer als bei klassischen und anderen Anti-Kriegsfilmen. Ein bisschen Getöse, Bumm-Bumm und Ballerei ist natürlich dabei, aber das Ganze scheint durch die anscheinend bewusst weggelassene Blutrünstigkeit viel absurder und abstruser, als es sowieso schon ist.

Die meisten Kinogänger und Filmkonsumenten werden bei diesem Film beim Abspann noch schockiert, elektrisiert und paralysiert sitzen bleiben und „Waltz with Bashir“ auf sich wirken lassen. Weil sich das auch lohnt, weil dieser Film es verdient hat, das man sitzen bleibt und ihn noch mehr oder weniger genüsslich ausklingen lässt. Zurück bleibt dann in diesem Moment ein sehr gemischtes Gefühl. Einerseits drückt einen die Abscheulichkeit des Massakers und die Sinnlosigkeit des Krieges hinab, andererseits ist man so positiv erstaunt und gestimmt vom gesehenen Meisterwerk, so das man im Endeffekt nicht weiß ob man jetzt weinen oder sich freuen soll. Das ist ein starkes Stück Filmkunst, das zu Recht als veritabler Pionier der Animations-Technik gelten kann. Ari Folman arbeitet zur Zeit schon am nächsten Filmwerk dieser kostengünstigen und sehr wirksamen Machart. Für seinen neuen Film hat er sich die Rechte an Stanislaw Lem´s Sci-Fi-Roman „Der futurologische Kongress“ ergattert (Quelle siehe unten). Wollen wir hoffen, dass er einen Hit landen wird und das sich Lem, welcher der Verfilmung seiner Romane immer kritisch gegenüber stand, nicht im Grabe umzudrehen braucht. Man darf also gespannt wie ein Flitzebogen sein.

Fazit:

„Waltz with Bashir“ ist ein wahrhaftiges Meisterwerk der Animationsdokumentation, aber nicht nur das: Der Film schafft es auch, viele Elemente vieler Genres in sich zu vereinen und miteinander harmonisierend zu kombinieren. So sind dramatische, historische, dokumentarische, autobiographische, freundschaftliche, kulturelle, politische und Anti-Kriegs-Elemente vorhanden und nicht zuletzt ist der Film ein wunderbares Lehrbuch für zukünftige Psychotraumatologen und bietet eine gute Angriffsfläche für vielerlei psychologische Auslegungs- und Interpretationsarbeit für Filmpsychoanalytiker. Der Score tut sein Übriges dazu beitragen und fügt sich vor allem in die Visionen und dargestellten Träume traumhaft ein. Es ist von bedrohlicher Musik bis zu Klaviermusik während der Kriegsszenen alles dabei und immer passend eingeflochten. Die Dialoge sind verständlich, reichhaltig, ruhig und gut nachvollziehbar geschildert, auch wenn es eine Fülle an vielen für viele neuartigen Informationen gibt, bei denen vielleicht nicht alle Zuschauer gleich voll durchsteigen werden. An und für sich ist die Erzählstruktur bei all dem Chaos aber dennoch relativ linear gemeistert und geleistet worden und somit einigermaßen verstehbar, wenn man den Film das erste Mal konsumiert. Trotzdem muss man ihn meiner Meinung nach noch ein weiteres Mal sehen, damit einem auch wirklich alle Details auffallen, man die gesamte Charakterpsychologie (aller drei Charaktere – denn alle haben eine mehr oder weniger komplexe) und alle Zusammenhänge hinreichend und tiefgreifend versteht (z.B. ist es ein wichtiger Hinweis und eine interessante exakte psychologische Feinheit, das Ari sich nicht mehr auf seinen eigenen Armee-Fotos erkennt). Ein paar Klischees sind auch mit dabei, stören aber nicht im Geringsten: Z.B. kifft Ari immer mit seinem Kumpel Carmi, wenn er bei ihm in Holland zu Besuch ist. Das macht den Film aber nur noch sympathischer. Und zu guter Letzt sei noch gesagt, dass es wohl keine andere Technik als die der Animation es ermöglicht hätte, vor allem die intensiven Traumsequenzen so eindringlich zu montieren. Bei all dem schwingt im Subtext des Filmes auch immer eine Kritik an den Israelis mit, nämlich diejenige, das sie da anwesend und präsent waren und nichts taten, obwohl einige von dem Massaker gewusst haben und es sogar teilweise beobachtet haben. Als die Filmemacher befürchteten, dass es nun von israelischer Seite aus nach der Veröffentlichung des Filmes ein Aufschrei der Entrüstung und Empörung folgen müsse, war dies überraschenderweise nicht der Fall! Die Israelis überhäuften den Film stattdessen mit sechs Preisen…

[Wertung]

Huckabee: 5 out of 5 stars (5 / 5)

Quellen:

http://www.sabra-schatila.de/
http://planet-interview.de/interview-ari-folman-08112008.html

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