Einleitung:

Prosperität macht krank. Das wussten schon die Degenerations-Theoretiker des 18. und 19. Jahrhunderts. Doch wollen wir diese hier nicht loben, denn viel Ärger, Humbug und Schmach haben sie über Europa gebracht – denn wohin ihre Theorien führten und in was sie gipfelten und einmündeten, dürfte jedem geschichts- und bildungsbeflissenen Bürger klar sein. Wer das nicht weiß, sollte unbedingt mal einen Blick in dieses geniale Buch hier werfen: „Rasse, Blut und Gene“, erschienen im Suhrkamp Verlag. Wie krank und pervertierend Prosperität und viele andere Ursachen und Faktoren in den USA machen können und was für Psycho- und Soziopathen in den amerikanischen Großstädten und Oberschichten emergieren, das hat der Schriftsteller Bret Easton Ellis in seinem Roman „American Psycho“ wunderbar gesellschafts- und salontauglich (mehr oder minder – es gab ja auch viele Kontroversen über die Indizierung bzw. Zensur des Buches) seziert. Dabei nimmt er grade jene Yuppies der 80er und 90er Jahre auseinander, die es geschafft haben nach dem Wirtschaftswunder sich auf dem Erarbeiteten des elterlichen Wohlstands auszuruhen. Wohin diese Nutzlosigkeit, dieser Nihilismus und Marken-Fetischismus der damaligen Zeit führen kann, nämlich hin zu Psychopathologie und den Empfindungen von Leere und Sehnsucht, das hat Regisseurin Mary Harron (I Shot Andy Warhol, Six Feet Under) auf der Basis von Ellis Durchbruchs-Roman im Jahre 2000 filmisch sehr akzeptabel umgesetzt…

Inhaltsangabe:

New York in den 80ern. Patrick Bateman (Christian Bale) ist ein markenbewusster, erfolgreicher und junger Wall-Street-Broker mit sündhaft teurem Appartment, geschmackvoller Designer-Garderobe, Fitness gestähltem Körper, eleganter Vorzeige-Verlobten und williger Geliebten (Reese Witherspoon). Nur wenige Wermutstropfen trüben sein perfekt anmutendes Hochglanz-Dasein. Unnötige Störungen beim obligatorischen Kokskonsum auf dem Klo einer In-Disco etwa oder erfolgsverwöhnte Bekannte, die nicht nur die gelungenere Visitenkarte vorweisen, sondern zudem – im Gegensatz zu ihm – einen Tisch im gefragtesten Edelrestaurant der Stadt ergattern. In dieser Welt des schönen Scheins unterscheidet sich Bateman vielleicht nur in einer Hinsicht von seinen austauschbaren Yuppie-Freunden: Er ist insgeheim ein sadistischer und perverser Serienmörder! Mit Vorliebe quält er Frauen, aber auch ein Obdachloser oder sein Kontrahent Paul Allen (Jared Leto) fallen ihm zum Opfer (eine geniale Szene, unterlegt mit der Kultmucke von „Huey Lewis and the News“ aus den 80ern). Zwar ruft Allens Verschwinden Detective Donald Kimball (Willem Dafoe) auf den Plan, doch auch er scheint den American Psycho in Bateman nicht zu erkennen, obwohl der Yuppie mittlerweile immer unverblümter Amok läuft. Oder existieren die blutigen Metzeleien vielleicht nur in Batemanns kranker Phantasie? (Quelle für die Inhaltsangabe, siehe: http://www.amazon.de/American-Psycho-Christian-Bale/dp/B00005MIV9).

Kritik:

Eigentlich hat P. Bateman alles, wovon viele träumen und was viele gern hätten. Eine durchgestylte Wohnung (die für meinen Geschmack etwas zu unkünstlerisch ausgestaltet wurde, aber auch so steril sein soll), einen sicheren Job mit anscheinend hohem Verdienst, soziale Macht über andere (z.B. über seine Sekretärin – gespielt von Chloë Sevigny), einen Chauffeur, Designer- und Markenklamotten vom Feinsten und er bewegt sich in den oberen Gesellschaftsschichten und hat Zugang zu exklusiven Restaurants. So kann er immer, jederzeit und wann er nur will fürstlich speisen. Was er aber nicht hat, das sind echte Freunde. Leider erfährt man im Laufe des Filmes zu wenig über Batemans Vergangenheit. Es mangelt doch etwas an psychologischer Tiefe, denn es wird einfach nicht die simpelste und offensichtlichste Frage beantwortet: Wieso und weshalb zum Geier hat Bateman diese Gier- und Mordgelüste, woher kommt dieser Todestrieb und diese Blutrünstigkeit? Er meint selbst, dass er nur dadurch Befriedigung erfahren würde, sozusagen ein Gefühl von Vitalität in sich spürt.

Andererseits sieht man im Film, dass ihm Sex (und die Befriedigung seiner Triebe) auch wichtig ist und er ihn auch arg genießt. Und wenn er sich nur mit Hilfe der Frauen an sich selbst aufgeilt, indem er sich beim Sex im Spiegel beobachtet. Diese Szenen erinnern z.B. an „Before the Devil knows you’re dead“, was diese Filmemacher sich bestimmt von American Psycho abgeguckt haben. Ich denke, dass die Frage nach seiner Mordlust nur durch einen Blick in seine Biografie zu beantworten wäre. Es wirkt schon manchmal unglaubwürdig, das ein 27 jähriger Mann, der in Harvard studiert hat so drauf ist (obwohl wohl grade das der große Clou an der ganzen Sache ist). Aber es ist ja auch nur ein Film und nicht die Realität, genau wie der Roman auch nur relativ fiktiv ist, obwohl der Schriftsteller Bret Easton Ellis meint, er hätte das alles wirklich erlebt. Siehe dazu das folgende Interview in der Zeit: .

Jedenfalls erinnert der Film in einigen Szenen stark an das Äquivalent mit Kevin Costner: „Mr. Brooks – Der Mörder“ in dir aus dem Jahre 2007, wo es sich um einen ähnlich gestalteten karrieristischen Charakter handelt, der eine absolute Parallele in punkto Mordlust zu American Psycho aufweist. Die beiden Filme sind vergleichbar. Nur das „Mr. Brooks“ seine Opfer eher immer erschießt, während Bateman brutalere Methoden anwendet und auch schon mal zur Axt oder zum Messer greift. Trotzdem wirkt bei „Mr. Brooks“ die Storyline etwas schlüssiger erzählt, während hier doch viele Fragen am Ende offen bleiben. So richtig schlau wird man eigentlich aus dem Charakter des Pat Bateman nicht. Auch ist es etwas störend, das einem im Film viele Informationen vorenthalten werden, also z.B. das der Vater, der ja gleichzeitig Batemans Chef ist, im Film zwar mehrmals erwähnt wird, aber niemals persönlich auftaucht. Bei Batemans Persönlichkeitspsychologie wäre es eigentlich wichtig zu wissen, was mit Batemans Eltern ist und wer sie sind?

Das Bateman kaum welche oder keine Freunde hat, ist aufgrund der Normen und des Umgangs miteinander in der oberen Schicht begründet: Niemand interessiert sich wirklich für einen, niemand interessiert sich also wirklich für die Innerlichkeit eines Menschen. Alle blocken Bateman ab, wenn er sich ihnen offenbaren will. Ebenso blockt er selbst aber auch ab, als er mit seiner Freundin Schluss macht oder als seine Affäre mal mit ihm gern reden wollen würde und er aber nur genervt endlich gehen will, nachdem er mit ihr geschlafen hat. Die Dialoge sind derweil überhaupt nicht hohl, sondern schon intelligent konstruiert. Es herrscht unheimlich viel Konkurrenz zwischen diesen Börsenmaklern, Investment-Bankern und Wallstreet-Brokern oder was auch immer sie sind. Etwas unglaubwürdig ist dabei auch, das jemand – und sei es auch der Sohn, ein Büro mit samt Sekretärin bei solch einem renommierten Unternehmen inne hat und dann den ganzen Tag nur Musik hört, essen geht oder rum hockt und sich obsessive Gewaltphantasien macht und sexuelle Perversionen ausgrübelt.

Bei dem Film stimmt also im Grunde vieles vorne und hinten nicht und doch ist er in seiner Machart sympathisch und expressiv. Solche im Film existenten Philosophierungen über berühmte Musikhits der 80er hat es auch noch in keinem anderen Film gegeben. Neben den relativ starken Dialogen sind vor allem die Monologe von Bateman wirklich amüsant. Auch das er Pornos nebenbei herlaufen lässt oder sich Gewaltfilme ansieht, während er „sit ups“ macht ist kritisch gemeint, aber irgendwo sogar sympathisch. Denn Pornografie ist in jedem Falle ein Medium, das sich durch alle Gesellschaftsschichten zieht und keinesfalls nur eine Sache der Unterschicht ist. Amüsant sind seine inneren Monolge deshalb, weil man sie aus eigener Erfahrung kennt und gut nachvollziehen kann. Und obwohl Bateman im Film sicherlich so ganz anders ist, als viele Leute dort draußen in der Realität, können sich viele männliche Zuschauer auf alle Fälle in vielen Punkten mit Bateman identifizieren. Dafür bietet er genügend Angriffs- und Projektionsfläche an. Er bietet also schon mit manchen Verhaltensweisen beispielsweise viel Spielraum zur Identifikation: Sein Fitnessbedürfnis, sein Bedürfnis gut gekleidet zu sein und gut auszugehen, seine Frauen mit denen er schläft, die Prostituierten zu denen er geht und die Musik die er hört. All das sind solche Faktoren, die ihn doch fast lebensnah machen, den großen Oberschichtler und feinen Pinkel, den Snob und Schmock.

Und doch sind gerade die Leute, die sich mit ihm identifizieren wahrscheinlich ganz anders im wahren Leben und bilden sich nur ein so zu sein oder sie wollen so sein und können es nicht. Die psychologische Auflösung am Ende des Filmes ist zweideutig und zwiespältig (Achtung Spoiler!): Entweder, der Anwalt hat seine Geschichte gehört auf seinem Telefon, hat daraufhin die Wohnung räumen lassen oder selbst geräumt, denn es stehen ja wirklich viele Putzeimer und Farbeimer an den Stellen, wo Bateman Leichen gebunkert hatte, und deshalb sagt der Anwalt auch, das er den besagten Typen in London gesehen hat und mit ihm aus war, um Bateman zu decken und vor sich selbst zu schützen. Und deshalb ignoriert er auch sein Geständnis. Oder aber: Bateman hat wirklich alles quasi geträumt und halluziniert, ist schizoid resp. schizophren oder leidet unter Gedächtnisschwund. Es gibt diese zwei Möglichkeiten und doch ziehe ich, bei aller Interessantheit der zweiten Option, die erste vor: Ich denke, das ihn sein Anwalt aus dem ganzen Schlamassel rausgehauen hat. Der wirkt viel zu abgeklärt in dem Gespräch am Ende, zu souverän und er ist gar nicht frappiert darüber, das Bateman ihm ernsthaft gesteht, all diese Morde begangen zu haben. Da stimmt doch was nicht? Es wäre einfach zu unglaubwürdig und würde auch den Sinn des Filmes verfehlen, wenn Bateman derlei psychisch gestört gewesen wäre. Es ist ja kein Film wie „Fight Club“, obwohl es bestimmt auch zwischen diesen beiden Filme sozialkritische Parallelen gibt (Spoiler Ende!). Na jedenfalls ist der Film so steril inszeniert und brilliert mit einem perfekten und gut aufgelegten, jungen Christian Bale, der nach dem Erfolg von „American Psycho“ nun immer besser (ge)schauspielert hat (z.B. in Prestige – Die Meister der Magie oder The Machinist – Ihr müsst diese Meisterwerke unbedingt auch noch anschauen, falls ihr sie noch nicht gesehen habt!). Bateman in Gestalt und Form, in Mimik und Gestik – also kurz: in seiner physischen Darreichungsform und psychischen Gegenwärtigkeit harmoniert stellenweise grandios mit dem nebenbei ablaufenden inneren Monolog. Diese Technik rockt die Bude. Man sieht Christian Bale sichtlich den Spaß an, den er gehabt hat an dieser Rolle – vor allem auch durch die überzeugenden Mordszenen, in denen er wirklich authentisch dem perversen Wahnsinn anheim gefallen rüber kommt. Manch einer dürfte sich aufgrund dieses Charismas von Bale dabei ertappen, dass er sich mit P. Bateman freut, wenn dieser die Kettensäge auf sein Opfer hinuntersausen lässt. Denn irgendwo kann man den Standpunkt, die Wut, den Zorn und den Hass von Bateman auf diese gelackte Welt und ihn selbst als Gelackmeierten verstehen.

Einerseits bringt er die Wallstreet-Yuppies voller Hass um, andererseits ebenso Studentinnen und Straßenpenner. Er grast das ganze gesellschaftliche Spektrum ab und ermordet so auch Prostituierte. Er scheint also eher wahllos zu morden: Die da unten ermordert er, weil sie Nieten, Versager und Schlampen (Cara Seymor als Prostituierte Christie, Krista Sutton als Callgirl Sabrina und die Gespielin und alte Bekannte namens Elisabeth (Guinevere Turner)) sind und die da oben, weil sie arrogant, herablassend, schleimerisch, heuchlerisch und selbstgefällig sind, ihm Konkurrenz machen und eine bessere Visitenkarte haben als er. Nur, was will Bateman eigentlich? Er sucht den Exzess, was er sucht ist der Kick in einer gefühlskalten Welt, die gar nicht so gefühlskalt sein muss. Derjenige der gefühlskalt ist, das ist am Ende er selbst und von sich aus kann er diesen Zustand nicht beenden. Damit er noch merkt das er noch lebt, reichen ihm körperliche Fitness und anderweitige Vergnügungen nicht aus, Nein, er muss morden um zu fühlen das er fühlt. Was sind das für Gefühle, die da in ihm aufsteigen? Eigentlich ziemlich primitive und archaische Gefühle, so wie wenn man seine Konkurrenten im Sport besiegt und über sie obsiegt, so in etwa muss das sein. Da sind also niedere Instinkte und Gefühle am Werk und genau mit diesen spielt der Film.

Dabei könnte Bateman doch froh sein, das er nicht soviel fühlt! Es gibt so empfindsame und sensible Gemüter dort draußen, die solch tiefe Angst in sich fühlen, gerade weil sie so filigran und hypersensibel sind, die er niemals fühlen wird. Denn darunter kann man immens leiden. Viele würden sich die Härte, den Glanz, Glamour und Gloria und die Perfektheit und scheinbare Makellosigkeit eines Bateman wünschen. Vernünftig zu sein scheint er, aber seine niedersten Instinkte, ja seine fast präpubertären und postadoleszenten Bedürfnisse kann er nicht unterdrücken oder beherrschen. Das ist das große Paradoxon in American Psycho. Wie kann das sein, das solch ein intelligenter, leider aber lebensgesättigter junger Mann sich sowas von nicht unter Kontrolle hat? Und genau an diesem Punkt wäre mehr psychologische Tiefgründigkeit in diesem Psycho-Drama wünschenswert gewesen. Somit kratzt der Film, trotz seiner interessanten und technisch gut inszenierten Machart in vielem nur an der Oberfläche. Wenn man es so will, so muss man sich viel selbst zusammen reimen, was ja auch eine Stärke und ein Vorteil eines Filmes sein kann – hier aber doch aufgrund der vielen fehlenden Informationen nur zu Spekulationen und Vermutungen führt, die auch als unbefriedigend und leer empfunden werden können.

Fazit

„American Psycho“ ist Fiktion, obwohl so eine Welt zwar existiert, aber das mal so jemand so aus tickt (Denn eigentlich sind die zivilisierten Subjekte in den oberen Schichten dafür bekannt, das sie eben durch Verstand, Moral und Vernunft ihre niederen Triebe kontrollieren und beherrschen können – siehe die Geschichte des Zivilisationsprozesses von Norbert Elias), ist wohl die absolute Seltenheit und Ausnahme. Und gerade diese Extremität und Radikalität macht den Film auf alle Fälle kontrovers und sehenswert. Auch die Nebendarsteller bringen durchschnittlich gute Leistungen und optisch ist das ganze schön trist, steril und grau angehaucht, so wie es sein soll in dieser scheinbaren Glanz und Glamourwelt. Doch es fehlen einfach zu viele Komponenten und es fehlt an Tiefe und Fülle in der Erzählstruktur und im Plot, so dass der Film zwar bei weitem aus dem Durchschnitt der filmischen Mainstream- und Popkultur herausragt, aber es dennoch nicht zu einer grandios hohen und schwärmerischen Bewertung reicht. So changiert der Film zwischen „viel besser als Durchschnitt“ und dem so genannten „Meisterwerk“ dazwischen. Wer allerdings Christian Bale zu seinen Lieblingsschauspielern zählt, für den ist der Film garantiert ein Meilenstein. Bale ist es letztlich, der durch seine Performanz den Film noch um einiges viel besser macht. Um den Film und die Figur des Bateman (die eigentlich zu den Klassikern des modernen Kinos gehören sollte) noch besser zu verstehen, sollte man zudem das Kultbuch von Bret Easton Ellis gelesen haben.

[Wertung]

Huckabee: 4 out of 5 stars (4 / 5)

Ein Gedanke zu „Filmkritik: „American Psycho“ – Psychische Abgründe eines gelangweilten Yuppies…“

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