Einleitung:

Die Rezeptur für eine filmische kannibalistische Orgie wurde in den letzten Jahren in einigen Filmen ausgeschlachtet und das mit großem Erfolg. Zuletzt ist diese Mixtur aus Ekel, Horror und Schwarzhumorigkeit wunderbar im Film „Dänische Delikatessen“ (2003) gelungen und bei dem Publikum angekommen. Man muss allerdings konstatieren, dass diese Filme für Vegetarier und Veganer sicherlich schwer zu ertragen sind. Schon für den „Ottonormalverbraucher“, der gern ab und an sein Steak futtert und Fleisch mag, gehen die Szenen mit dem Menschenfleisch in der Knochenmühle oder am Fleischerhaken im Kühlraum hängend schon an die Nieren. So also auch in „Der Knochenmann“, der eine geschickte Krimi-Groteske (aber nicht im herkömmlichen Sinne) mit wunderbar exzentrischen und durchgeknallten Charakteren verbindet und mit viel Dialog-Witz und sehr starken Darstellerleistungen des Schauspieler-Ensembles sehr zu begeistern weiß!

Inhaltsangabe:

Ein Mann namens Horvath ist verschwunden. Die letzten Leasingraten für seinen Wagen sind nicht bezahlt. Unwillig übernimmt Brenner (Josef Hader) von seinem alten Freund Berti (Simon Schwarz) den mickrigen Auftrag, Horvaths Leasingwagen zurückzubringen und macht sich auf den langen Weg in die tiefe Provinz. Ein Nachsendeauftrag führt direkt zum „Löschenkohl“, einer Backhendlstation von legendärem Ruf. Tausende Hühner müssen wöchentlich ihr Leben lassen, um hier, knusprig paniert, bis auf die Knochen abgenagt zu werden. Eine Knochenmehlmaschine zermahlt die Hühnerreste zu Futtermehl für die nächste Hühnergeneration. Ein kannibalischer Kreislauf des Fressens und Gefressenwerdens quasi. Ein kurzer Blick auf den Leasingwagen ist alles, was Brenner von Horvath zu sehen bekommt. Denn gleich darauf ist das Auto so spurlos verschwunden wie sein Besitzer. Doch Brenners detektivische Fähigkeiten sind auch anderweitig gefragt. Der Sohn des Wirtes „Pauli“ (Christoph Luser), will mit seiner Hilfe endlich herausfinden, was mit dem vielen Geld geschieht, das der alte Wirt (Josef Bierbichler) wöchentlich aus dem Betrieb nimmt. Brenner kommt dieser zusätzliche Auftrag gerade recht, ist er doch im Begriff, sich in die fesche Birgit (Birgit Minichmayr) zu verlieben, die Küchenchefin und Frau des Junior-Chefs. Und verdreht, wie er von Birgit ist, lässt ihn sein Kopf beinahe im Stich. Die Gefahren, die beim „Löschenkohl“ lauern, bemerkt Brenner fast zu spät. Und während im Saal der Backhendlstation der Maskenball tobt und das ganze Dorf, von Masken geschützt, so richtig die Sau raus lässt, wird im Keller geliebt und gemordet. Einmal mehr erweist sich Berti nicht nur als Brenners Freund sondern als sein Schutzengel, der gerade noch rechtzeitig auftaucht und das Geheimnis um den verschwundenen Horvath endlich lüftet… (Quelle der Inhaltsangabe: http://www.derknochenmann.at/inhalt.html.

Kritik

Brenner ist mittlerweile zu einer Kultfigur avanciert. Nach den ersten beiden Teilen der Brenner-Serie (nach den Krimi-Romanen von Wolf Haas) „Komm, süßer Tod“ und „Silentium“ ist „Der Knochenmann“ nun der dritte Filmteil der Quasi-Trilogie, die dann hoffentlich noch fortgesetzt werden wird. Das Wunderbare am „Knochenmann“ ist, das ein jeder und eine jede den Film konsumieren können und obendrein verstehen wird, auch wenn er oder sie die ersten beiden Teile nicht gesehen hat. Es finden sich zwar immer wieder Referenzen im „Knochenmann“ auf die anderen Filme, aber diese sind nur wichtig für die Leute, welche die anderen gesehen haben und letztlich sind und bleiben es Referenzen und Anspielungen, die nicht unbedingt für das Verständnis dieses eigenständig funktionierenden Filmes notwendig sind. Also können auch Nicht-Kenner von Brenner, den Romanen und den anderen Filmen einen Blick riskieren!

Dabei enthält „Der Knochenmann“ viele Genres: Man kann sagen, das es eine schwarze Komödie ist, aber auch das es sich eben um die Liebe dreht (wieder einmal), das der Film (insbesondere was die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Wirt und Jungwirt angeht) auch dramatische und am Ende sogar tragische Elemente in sich vereint und genau diese Multiperspektivität macht ihn auch so gut.

Grade die Liebes-Szenen sind erstklassig in Szene gesetzt. Sie sind nachvollziehbar, wärmen das Herz des Zuschauers auf und sind so real wie möglich geschauspielert wie inszeniert worden. Es macht da wirklich Spaß zu zuschauen. Dieser Spaß kommt einem bei Hollywood-Streifen oftmals abhanden, da die Liebesszenen dort so unrealistisch daher kommen.

In diesem ganzen Kuriositätenkabinett gibt es weiterhin viele Szenen zu bewundern, die exzellent gedreht worden sind und sehr amüsieren: So z.B. die Szene mit dem Eislaufen, wo Brenner mit Birgit versucht es zu lernen oder das absurde Faschings-bzw.-Karneval-Fest am Ende. Dann die Szene mit der Transvestitin, die sich Brenner und seinem besten Kumpel offenbart und dann noch das Nachspiel mit ihr allein und Berti, der sich anscheinend plötzlich sehr für Transvestismus zu interessieren scheint. Hier wird kein Blatt vor den Mund genommen, hier geht es nicht um Moral oder irgendeine zu befolgende Ethik (die geschwungene Moralkeule wurde hier mal heftig ins Jenseits verbannt!), sondern es geht um Direktheit und Skurrilität und das ist auch gut so! So enthüllt sich ein Transvestit und man darf das Genital betrachten, so wird besonders nah an die Knochenmühle (die eigens für den Film konstruiert wurde) heran gefilmt, um das zermalmte und wie durch den Fleischwolf gedrehte Fleisch auf der Großleinwand köstlich betrachten zu können, dann gibt es eine halbe Sexszene, in der Brenner zu früh kommt und es gibt zahlreiche brutale Mordszenen, in denen der skrupellose Wirt die Leute über den Jordan gehen lässt.

Weiterhin darf bewundert werden, wie Brenner nichtsahnend Menschenfleisch genüsslich vertilgt und wie er beim Kampfe schmerzhaft einen Finger verliert. Daneben gibt es zahlreiche Neben-Handlungsstränge und Nebenfiguren, rund um den Russen Igor (Ivan Shvedoff), die Prostituierte Valeria (Dorka Gryllus) und den Zuhälter Ivgeniew (Stipe Erceg), die nicht minder komisch sind als die Geschichten der Hauptfiguren und die sich wunderbar einpassen, in ein letztendlich recht harmonisches Filmgefüge. Es fällt hierbei stark auf, das alle Figuren mehr oder minder Versager und Verlierer darstellen (auf ihre Art und Weise), aber trotzdem alle starke Persönlichkeiten sind, die durchaus sehr konfliktfähig und durchsetzungsbereit ihre Wege versuchen zu gehen.

Die Story ist technisch brillant. Gleich drei Drehbuchautoren werkelten am Drehbuch, was ihm auch anzumerken ist, denn aus einer Feder stammt diese Genialität wohl kaum. Spannung ist immer vorhanden, obwohl sich der Film gen Ende etwas zu lange hinzieht und sowieso etwas zu lang daher kommt. Dadurch, dass der Brenner so ein stinknormaler Typ mit gewöhnungsbedürftigem Humor ist, bietet er viel Angriffsfläche zur Identifikation für zahlreiche Kinogänger. Sein ununterbrochen rauchendes, saufendes und kiffendes Loser-Image macht ihn schon wieder sympathisch und trotzdem empfindet man manchmal auch etwas Mitleid mit dieser gescheiterten Existenz. Doch auch grade daraus ergibt sich ja auch eine gewisse Komik dieser Figur, ohne die der Film nicht funktionieren würde.

Die Story ist weiterhin in sich logisch – es gibt wenig Ungereimtheiten, bis auf das manchmal die Handlungen der agierenden Akteure nicht ganz nachvollziehbar sind, was aber auch im Leben nicht anders ist. Wer versteht schon jeden der hier auf diesem Planeten herum hanselt? Niemand! Und genau so sollte man manchmal auch bei Filmen den Anspruch herunter schrauben, das man immer die Handlungen der Charaktere versteht und diese psychologisch oder sonstwie nachvollziehen kann. Der Mensch ist eben, wie wir seit Herrn Dr. Sigmund Freud wissen, nicht Herr im eigenen Hause und handelt oftmals sehr irrational, was auch hier an Hand des verliebten Brenners gut in Szene gesetzt wird.

Fazit:

Man merkt dem starken Film an, das hier mit viel Liebe zum Detail und zur Kunst des Filmemachens und Filmeschaffens zu Werke gegangen wurde. So sind die Kameraeinstellungen durchdacht, die Schauspieler agieren mit allem was sie haben und auch die Ausstattung und Inszenierung gehören wohl mit zum allerbesten, was Österreich filmtechnisch zu bieten hat. Etwas störend und nervend könnten deutsche Filmkonsumierer den österreichischen Akzent empfinden, was dem Film aber nur minimal ein Vergnügungsdefizit einbringt. Und wie schon erwähnt sollten Vegetarier und zart besaitete Seelen vielleicht auch eher die Finger vom Film lassen, da es doch teilweise sehr heftige und brutale Szenen zu beobachten und zu bestaunen gibt. Doch vor allem Fans der dänischen, schwedischen und insgesamt skandinavischen Filmemacher (Lars von Trier, Susanne Bier, Thomas Vinterberg etc.) sollten sich den Film unbedingt anschauen, denn sie werden ohne Frage auf ihre Kosten kommen. Alle, die Filme wie „In China essen Sie Hunde“, „Delikatessen“, „Dänische Delikatessen“, „Adams Äpfel“ und „Sterben für Anfänger“ mochten, für die ist der Film im Prinzip ein Muss! Insgesamt und im Großen und Ganzen also starkes österreichisches Kino mit toll aufgelegten Darstellern, einem ausgefeilten, grotesken, bizarren und schwarzhumorigen Drehbuch und tiefgründigen Einblicken in die österreichische Provinz…

[Wertung]

Gnislew: 4.5 out of 5 stars (4,5 / 5)

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