Einleitung:

Darren Aronofsky (Requiem for a Dream, The Fountain und Pi) bearbeitet in seinem neuen Film ein etwas spezielleres Thema (wie es für ihn ja schon typisch ist) mit einer recht außergewöhnlichen und fiktiv erfundenen Figur: Randy „the Ram“ Robinson (der etwas an Hulk Hogan erinnert), seines Zeichens viel geachteter und beachteter Wrestling-Veteran, gespielt von Mickey Rourke (seines Zeichens Box-Veteran). Niemand anderes könnte besser in diese Rolle passen, denn genau wie Randy „the Ram“ Robinson seine Abstürze im Leben erlebt, hat Mickey Rourke auch etliches hinter sich. Diese eigene Lebenserfahrung eines Ex-broken-people, der nach seinen Unter- und Niedergängen allerdings wieder die Chance bekam wie Phönix aus der Asche zu steigen (was er auch tat) war sicherlich und bestimmt für die Rolle des Randy in „The Wrestler“ unheimlich wichtig. Letztlich weiß Rourke, wie es Randy geht – er kann es voll nachvollziehen und sich empathisch einfühlen, weil er es am eigenen Leibe auch erfahren hat. Deshalb ist auch Rourkes Schauspielleistung so gut. Die Sache ist nur die, das es einen gravierenden Unterschied zwischen dem real existierenden Rourke und der Fiktion der Person des Randy gibt: Rourke hat seine Chancen auf Rehabilitierung und Regenerierung erhalten und diese auch genutzt, als er am Ende war, doch Randy steht noch viel schärfer am Abgrund und Schlund in den er hinein gesogen wird, so das ihm letztlich nicht viele Flucht- und Auswegmöglichkeiten aus seiner gebrochenen Existenz bleiben …

Inhaltsangabe:

Randy (Mickey Rourke) lebt in einem Wohnwagen und manchmal auch im Auto, ist eine Legende der Wrestling Historie, bei Fans und anderen Wrestlern gleichermaßen beliebt und geachtet, doch sonst läuft in seinem Leben nicht viel rund. Was mit seiner Frau geschah, erfährt man im Film nicht. Jedoch hat er eine Tochter (Evan Rachel Wood), zu der er ein gestörtes Verhältnis hat, sowie eine potenzielle und problematische Liebe in Aussicht, die unter dem Namen Cassidy (Marisa Tomei) in einem Stripper-Laden höheren Bekanntheitsgrad genießt. Als Randy nach einem schwer anstrengenden Kampf einen Herzanfall bekömmt, droht dieser sein ohnehin schon problematisches Leben völlig auf den Kopf zu stellen, da er nach dem Ratschlag des Arztes gehend doch lieber seine Wrestling-Karriere an den Nagel hängen sollte. Zunächst probiert Randy dies auch aus, doch dann muss er feststellen, dass er für nichts anderes gemacht worden zu sein scheint und zu nichts anderem wirklich zu gebrauchen ist und sich selber im Weg steht…

Kritik:

Die ersten paar Minuten des Films wird der Charakter des Randy mit langen Kamerafahrten hinter ihm her eingeführt. Wir dürfen Randy bei seinem Alltag begleiten, ihm zu schauen, wie er ins Sonnenstudio geht, sich seine Haare schneiden und färben lässt, Powerhormone, Aufputschmittel, Anabolica und sonst noch so einiges in sich rein schüttet (eigentlich sich gar spritzt), mühsam Krafttraining betreibt, nach Hause kommt, pennt, nicht in seinen Wohnwagen rein kommt, da sein Vermieter ihm den Schlüssel nahm, so lang er nicht seine offenen Rechnungen begleicht, sich mit Jugendlichen des Track Parks aus Spaß rauft, alte Nintendo Spiele daddelt usw. usf…wir begleiten Randy bei seinem Alltag, sehen zu wie er in einen Strip-Club geht, ein Bier trinkt und eine Stripperin kennen lernt und umgarnt, nachdem er „wie immer an den Wochenenden“ einen harten und inszenierten Wrestling-Fight hinter sich hat, aus dem er klassischerweise als der glorreiche Gewinner hervor geht und wie er in einem Betrieb an einer Wursttheke nebenher jobbt. Alles das stellt eine gute Einführung in die Lebensführung und in das Leben des Wrestlers dar, die uns den Charakter, welchen wir auf Schritt und Tritt durch den Film begleiten, charakterisiert und uns näher bringt. Randys Innenleben allerdings offenbart sich dabei erst in den Dialogen mit seinen Mitmenschen, die aber eher rar gesät sind…denn Randy ist im Grunde genommen einsam und allein.

Hier offenbaren sich erste tiefe Einblicke ins Showbusiness und ins Business des Wrestlings, das Aronofsky sozusagen en passant gleich einmal mit inszeniert: Auch wenn die Wrestler alle herzlich miteinander umgehen und ihre Abläufe miteinander planen und sich lobhulden, wenn gute Auftritte bei raus kamen, so sind sie doch im Geiste schlicht und führen kaum irgendwelche Gespräche, die wirklich persönlich und somit für die jeweiligen Protagonisten von enorm bedeutendem Belang sein könnten. Was es jedoch zahlreich gibt ist Small-Talk, Witzchen reißen und Sachlichkeit. Letztlich scheint Randy das alles nicht mehr wirklich viel zu geben. Er liebt es und doch sucht er vor allem außerhalb seines Jobs nach dem Persönlichen, was er in der Stripperin Cassidy zu finden glaubt.

Das Leben des Wrestlers steht für ihn selbst am Abgrund: Er hat im Grunde keine Lust mehr auf das Leben. Was mit seiner Frau passiert ist, erfährt man erst gar nicht, aber die Vater-Tochter Beziehung ist völlig im Eimer und nachdem Randy nach einer durchkoksten Nacht – in der er eine Art Groupie Girl pornös verführte – auch noch das anberaumte Essen mit der Tochter, der er sich grade erfolgreich annäherte verpasste und verpatzte schmeisst diese ihn dann völlig raus und kündigt ihm jegliche Beziehung zu ihr. Dieser Akt ist hoch emotional inszeniert und kommt dadurch sehr glaubwürdig rüber. Randy zeigt Reue, doch seine Tochter bleibt eisenhart. Nie wieder möchte sie so viele Tränen nur wegen ihrem egoistischen Vater vergießen. Randy hat also nicht nur sein Leben vermasselt, sondern zudem in großen Teilen auch das der studierenden Tochter, die aber anscheinend grade wieder auf einen grünen Zweig zu kommen scheint.

Die zwischenmenschlichen Konflikte treffen Randy ständig und hart: Einmal derjenige mit seiner Tochter, zu der er eine verkorkste Beziehung hat, dann derjenige mit der Stripperin, die sich ihm erst am Ende öffnet und offenbart, als es schon zu spät ist (vorher beißt er öfters bei ihr auf Granit), dann die Konflikte an der Fleisch- und Wursttheke, durch die er irgendwann auch durchdreht, der Konflikt mit seinem Vermieter…all das zermürbt ihn. Der einzige Ort wo er sich wohl fühlt, das ist der Ring und das ist das Wrestling. Hier ist er jemand und nicht ein niemand. Hier hat er seine Identität. Als ihm das alles durch den Herzinfarkt droht aus den Händen zu gleiten, schafft er es nicht sich eine andere Identität anzueignen und muss schließlich der traurigen Wahrheit ins Auge sehen. Am Ende wird er noch einmal vor die Wahl gestellt, welches Leben er wählen will und er entscheidet sich nicht dafür, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen.

All das ist teils einfach, teils hoch emotional inszeniert. Ohne die tollen Schauspieler, die ihre Rollen mehr als Ernst nehmen wäre „The Wrestler“ bestenfalls durchschnittlich. Durch das grandiose Schauspiel der Protagonisten aber zieht der Film in seinen Bann – lässt einen aber auch schnell wieder los. Trotzdem bietet er beste Unterhaltung auf höherem Niveau, auch wenn die wirklich philosophischen Fragen zu Ehre, Ruhm und Vergänglichkeit eher unterschwellig mitschwingen und man sich viel selbst denken muss, besitzt „The Wrestler“ eine gewisse Melancholie, die durch die Bilder perfekt vermittelt wird. Die deutsche Synchronisation des Randy ist allerdings etwas misslungen, weshalb man sich den Film im optimalsten Falle im englischen Original ansehen sollte.

Fazit:

Das Leben eines Wrestlers ist hart und beschwerlich. Und das ist es immer, aber am härtesten ist es, wenn man alt wird und keine groß angesagte Nummer mehr ist, der Körper verfällt und das Geld für die raren Auftritte nicht zum Überleben ausreicht. „The Wrestler“ lehrt einem das Schicksal eines Helden, dessen Ruhm ihm in den Geschichtsbüchern bleibt, der aber ansonsten unter seinem ruhmreich-vergehenden Leben leidet und vor allem unter den Opfern, die er für diesen Ruhm und seine Karriere erbringen musste. So stellt der Film auch unvermeidlich die Frage, was wäre gewesen wenn Randy „The Ram“ Robinson sich mehr um seine Familie, deren Zusammenhalt und um echte Freunde gekümmert hätte? Es ist die Geschichte einer tragisch gescheiterten Existenz, die aber im Gegensatz zu vielen anderen wenigstens ihre Stunden des Ruhmes und des Glanzes erleben durfte, dafür aber einen hohen Preis gezahlt hat. In einem fulminanten und furiosen Finale (das mir persönlich am Film am allerbesten gefallen hat) wächst Randy noch einmal über sich hinaus (vielleicht ein letztes Mal) und nimmt sein ihm als unausweichlich erscheinendes Schicksal an. Somit ist „The Wrestler“ ein fatalistisches Drama, das mit einer unkonventionellen Figur aufwartet, die nicht unbedingt der Mehrheit der Bevölkerung die diesen Film konsumieren wird eine Angriffsfläche zur Identifikation bietet, aber dafür umso mehr interessant zu unterhalten weiß und nebenbei einige philosophische Fragmente in den Subtext des Filmes einzubauen weiß, die einen schon unter Umständen nachdenklich stimmen mögen. Es ist in Aronofskys neuem Film auch vor allem die Unkonventionalität der Figur und der Geschichte, welche große Pluspunkte sammeln kann. Alles in allem kann man sich „The Wrestler“ unterhaltsam einverleiben. Wrestling Fans werden auf ihre Kosten kommen, es könnte aber auch passieren, dass diese durch den Film eine kleine Katharsis erfahren könnten, denn irgendwo könnte man auch hinein interpretieren, das das Wrestling(Geschäft) doch auch etwas entzaubert wird…

[Wertung]

Huckabee: 3.5 out of 5 stars (3,5 / 5)

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