Einleitung:

Clint Eastwood: Ein Meilenstein der amerikanischen und sonstigen Filmgeschichte, Multitalent, Spezialist für Dramaturgie und schwierige Charaktere, Komponist, genreübergreifender Schauspieler und Regisseur in einem und hochproduktiv bis ins hohe Alter (78 Lenzen zählt er momentan). Wenn man davon spricht, das „Gran Torino“ sein letztes Alterswerk war, so meint nicht dies, das er als Regisseur nicht weiterhin Filme dreht, sondern das er letztmalig als Schauspieler auf der Leinwand präsent war. Geschickt und mit viel wirkmächtiger, charismatischer und schlichtweg brillanter Leinwandpräsenz spielt er seinen konservativen, rassistischen und verbitterten Charakter „Walt Kowalski“, der im Kontakt (im Zuge der Gettoisierung seines alten Viertels) mit dem Bergvolk der Hmong in der Nachbarschaft noch einmal am Lebensende richtig aufblüht, eine Charakterwandlung und Katharsis durchmacht und seinen Frieden mit sich selbst findet …

Inhaltsangabe:

Walt Kowalski (Clint Eastwood) hat sein Leben lang in der Autofabrik gearbeitet. Als Rentner fällt ihm nicht viel mehr ein, als ein paar Reparaturen am Haus auszuführen, Bier zu trinken und einmal im Monat zum Frisör (John Carroll Lynch) zu gehen. Obwohl seine inzwischen verstorbene Frau sich wünschte, dass er zur Beichte geht, hat Walt nichts zu beichten. Einst ist er verbittert aus dem Koreakrieg zurückgekehrt, nach wie vor säubert er regelmäßig sein M-1-Gewehr und hält es schussbereit. Er traut niemandem – wenn er etwas zu beichten hätte, würde er es nur seinem Hund Daisy gestehen. Seine früheren Nachbarn sind entweder weggezogen oder gestorben. Jetzt wohnen in seiner Umgebung Migranten des Hmong-Volks aus Südostasien, die er nicht ausstehen kann. Alles, was er um sich herum wahrnimmt, macht ihn wütend: die schiefen Regenrinnen, die verfilzten Rasenflächen und die Ausländergesichter in der Nachbarschaft; das perspektivlose Leben der jugendlichen Hmongs, Latinos und Schwarzen, die das Viertel wie selbstverständlich für sich beanspruchen; seine erwachsenen Kinder (Brian Howe & Brian Haley), die er als unreif erlebt und die ihm fremd geworden sind. Walt bleibt nichts übrig, als den Rest seines Lebens einfach auszusitzen. Bis jemand eines Nachts seinen 1972er Gran Torino zu klauen versucht.

Der Gran Torino glänzt noch genauso wie an dem Tag, als Walt ihn vor über drei Jahrzehnten persönlich mit zusammengeschraubt hat. Durch diesen Wagen tritt jetzt der schüchterne Nachbarsjunge Thao (Bee Vang) in Walts Leben, denn seine Hmong-Gang hat den Teenager so lange unter Druck gesetzt, bis er versuchte, den Gran Torino zu stehlen. Doch Walt verhindert nicht nur den Diebstahl, sondern auch die Übergriffe der Gang – wider Willen ist er plötzlich der Held des Viertels. Besonders dankbar sind natürlich Thaos Mutter und seine ältere Schwester Sue (Ahney Her), die darauf bestehen, dass Thao seine Schuld bei Walt abarbeitet. Walt will zunächst nichts mit diesen Leuten zu tun haben, doch schließlich gibt er nach und leitet den Jungen an, im Viertel Reparaturen auszuführen. So entsteht eine seltsame Freundschaft, die beider Leben verändert. Weil Thao und seine Familie nachdrücklich auf ihre Zuwendung bestehen, lernt Walt seine Nachbarn mit anderen Augen zu sehen. Aber auch über sich selbst denkt er nach. Die Asiaten sind vor einer grausigen Vergangenheit geflohen und schließlich in der amerikanischen Provinz gelandet – sie haben mehr mit Walt gemeinsam als seine eigenen Verwandten. Erstmals seit dem Krieg leistet er Erinnerungsarbeit, gegen die er sich rigoros abgeschottet hatte…ähnlich wie er den Gran Torino im Dunkel seiner Garage konserviert hat…(Quelle hauptsächlich: https://www.amazon.de/Gran-Torino-Clint-Eastwood/dp/B001UHO61G/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=dvd&qid=1237220563&sr=8-1).

Kritik:

Eastwood ist der Dreh und Angelpunkt der geschickt konstruierten Handlung, die am Ende sehr stark ins Dramatische abdriftet und rührselig zu sein weiß. Dabei behandelt die Handlung und die dramatische Erzählweise vielerlei Themen: So die produktive Freundschaft zweier Menschen aus verschiedenen Generationen und Völkern, Gewalt und deren Eskalation (u.a. auch die berühmt-berüchtigte Gewaltspirale: Gewalt erzeugt wieder Gewalt und kann deshalb keine Lösung sein und es geht vor allem auch um die Verschränkung von Gewalt und Rassismus), das Schicksal eines alten Mannes und Korea-Krieg-Veterans, die Unstimmigkeit zwischen Vätern und Söhnen, das leidige Alter und dessen nutz- und sinnvolle Ausgestaltung der Lebenszeit, das Problem der sinnlosen Gang- und Bandenbildungen in den Gettos und deren Kämpfe untereinander, deren brutale und menschenverachtende Rituale, den Verfall der Jugend usw. usf.

Jeder dieser einzelnen Handlungsstränge wurde dabei geschickt in die vollständige Handlung eingewoben. Das Drehbuch des Autors Nick Schenk bekam auch Preise und zog aufgrund seiner Genialität Clint Eastwood an. Hier hatte er einen würdigen Alters-Charakter gefunden, den er mit Bravour ausgestalten konnte. Bei der Ausgestaltung und Charakterzeichnung von Walt Kowalski bedient sich Eastwood zwar schon einigen Klischees (wie dass Walt natürlich die Eigenschaften Sarkasmus und Zynismus besonders ausgeprägt besitzt), doch stört das nicht weiter. Im Zuge der Charakterisierung und Charakterentwicklung und auch Charakterwandlung vor allem durch die Interaktionen und Ereignisse mit dem Hmong-Volk wächst dem Zuschauer Walt Kowalski ans Herz. Mit einer Mischung aus Faszination und Mitleid verfolgt man das Leinwandgeschehen. Die Spannung kommt dabei nie zu kurz, auch wenn der Film manchmal kleinere Längen zu verzeichnen hat. Das Gesamtbild stören diese aber keineswegs.

Die Handlungen der Protagonisten sind mehr oder minder relativ nachvollziehbar, größere Zweifel kommen nicht auf an der Urteils- und Zurechnungsfähigkeit der Charaktere. Geschickt behandeln Eastwood und Schenk große problembehaftete Themen unserer Zeit mit viel Ironie: Beispielsweise, wenn Walt seinen Sohn und dessen Frau an seinem Geburtstag raus schmeißt, als diese Arschlöcher geschickt versuchen ihn loszuwerden und in eine Art Heim abschieben zu wollen. Vor allem wird mit politischer Korrektheit überhaupt nicht erst angefangen: Geschickt werden rassistische Aussprüche und Kommentare ironisiert und parodiert dargestellt, ganz zum humorvollen Amüsement der Zuschauer und des Publikums. Herrlich wird hier und da, da und dort mit Rassismus um sich geschmissen, doch durch die Herrlichkeit der Ironie damit wird er auch stark entkräftet und durch den liebevollen Umgang der jungen Charaktere der Hmong mit Walt und umgekehrt völlig negiert. Solche Vorurteile und rassistischen Klischees können eben auch ganz lustig sein, was der Film wundervoll und treffend in Szene setzt.

Am Ende nach dem Showdown ist die Handlung schlüssig in sich aufgegangen: Während dessen ist man als Zuschauer gut schockiert worden (durch einige schlimme Szenen), hat Sympathien mit den Figuren erlebt, man ist zum Nachdenken über einige (teilweise amerikaspezifische) Thematiken angeregt und durch stilvolle Dialoge und Situationen sowie den spannenden Plot bestens unterhalten worden! Was will man mehr? Ein qualitativ hochwertiges Drama mit tollen Parallelen zum gegenwärtigen amerikanischen Zeitgeist und vorherrschenden gesellschaftlichen Problematiken.

Fazit:

Es macht viel Spaß den ergrauten und greisen „Opa Eastwood“ bei seinem grandiosen Schauspiel in einem ebenso großartigen Drama mit top Handlung zu zusehen. Er mimt sich und seine Figur (die irgendwie vergleichbar ist mit anderen Eastwood Figuren) mit viel Spaß an der Freude und zieht in seinen Bann. Die Spannung, die verschiedenen Handlungsstränge mit zahlreichen Nebenfiguren (die allesamt überzeugend spielen) und die tollen tiefergehenden Sinn-Messages von „Gran Torino“ sowie das leicht vorhersehbare, aber überzeugende Ende machen den Film zu einem Top-Drama, das es sich allemal lohnt anzusehen: Also nix wie ab ins Kino, die Karte gelöst, zurücklehnen und den alten Mann und sein Werk genießen! Endlich mal wieder ein guter Hollywood-Streifen…

[Wertung]

Huckabee: 4.5 out of 5 stars (4,5 / 5)

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