Der folgene Text beinhaltet Spoiler.

In einem Interview mit dem Magazin SPIEGEL fordert Quentin Tarantino seinem Gegenüber auf: „Nennen Sie mir ein Beispiel für eine unglaubwürdige Szene! Ob es tatsächlich keine unglaubwürdige Szene in Inglourious Basterds gibt, sei mal irrelevant. Interessanter ist, dass Tarantino selbst fest davon überzeugt ist, dass alles was er auf der Leinwand präsentiert irgendwie plausibel zu erklären ist. Subjektiv kann alles für einen selber schlüssig sein. So ist auch Tarantino ein regelrechter Individualist, der in seiner eigenen kleinen Welt lebt und sein Ding dreht. Dass das nicht immer positiv ist, kann man sich beim impulsiven Tarantino denken. So stellen sein Filme oft eine Liebeserklärung an sich selbst und versuchen möglichst cool ihre – manchmal abgefahrenen – Geschichten zu erzählen. Der letzte Streich vor zwei Jahren, Death Proof, war eine langweilige Gurke von einem Film, das nur ansatzweise unterhalten konnte und sich in seiner Belanglosigkeit verlor. Nun hat sich Quentin Tarantino ein etwas interessanteres Terrain ausgesucht, an einem Ort und in einer Zeit, das man ihm in erster Linie bestimmt nicht zugetraut hätte. Wir sprechen vom Nazi besetzten Frankreich im Jahre 1941…

[Inhalt]

Es sind zwei Handlungsstränge die sich durch Inglourious Basterds ziehen. Zum einen ist da Shosanna Dreyfus (Mélanie Laurent), die sich mit ihrer Familie unter der Bodendiele eines Bauern vor den Nazis versteckt. Als diese doch von Oberst Hans Landa (Christoph Waltz) entdeckt und hinterhältig hingerichtet werden, kann nur Shosanna entfliehen. Sie baut sich sodann eine neue Existenz als Kinobesitzerin auf und schwört den Nazischergen Rache. Zeitgleich gibt es noch die Basterds, eine Gruppe bestehend aus gewalttätigen Juden und Deutschen, die ihr Vaterland verraten haben. Angeführt von Aldo Raine (Brad Pitt) sind diese darauf spezialisiert Nazis zu töten. Jede. Menge. Nazis.

[Meine Meinung]

Dass das alles in einem fulminantem Feuerwerk kollidieren und am Ende aufs Übelste zelebriert wird ist selbstverständlich für den selbstverliebten Regisseur. Quentin Tarantino nimmt ein Stück dunkler Zeitgeschichte und peppt sie mit schrägen Charakteren auf, achtet nicht auf historisch zutreffende Fakten und beschert dem Zuschauer eine Show, die hauptsächlich daraus besteht die Bösen zu töten, zu skalpieren, ihnen ein unentfernbares Mal auf die Stirn zu verpassen. Fraglich ist hier vielleicht, wer überhaupt die bösen Buben sind. Etwas weiter im SPIEGEL Interview lautet Tarantinos Aussage: „Everybody is everybody. Es gibt keine eindeutig Guten und keine eindeutig Bösen in diesem Film.“ Und das ist wohl wahr. Genau so wie die Nazischergen die Juden eliminieren, so brutal gehen die Basterds gegen sie vor. Kleines Highlight wird wohl die Szene mit dem sogenannten Bärenjuden (Eli Roth) sein, einem berüchtigten Juden, der seine Opfer mit einem Knüppel niederschlägt. Der Nazi-Offizier, der von ihm niedergestreckt werden soll ist ein stolzer Soldat, der keine Angst hat und aufrichtig für sein Vaterland sterben wird. Und wie er für sein Vaterland sterben wird. Doch bevor sein Kopf grotesk bei jedem Schlag auf dem Boden auf und ab hüpft, das Blut herausquillt und alle Basterds genüsslich zuschauen, wird dieser noch von Aldo Raine verhört. In diesem Dialog nimmt sich Tarantino die Zeit, die Bockwurstparty steigen zu lassen, Sauerkraut zu verteilen und die Deutschen auf die allgemein bekannten Vorurteile zu typisieren. Witzig. Sehr witzig sogar. Dass Brad Pitt schräge Typen spielen kann ist zumindest seit Burn After Reading klar. Auch hier legt er eine weitere exzellente Performance ab, mit seinem Oberlippenbart und seinem imposanten Auftreten.

Schauspielerisches Highlight stellt aber ohne Frage Christoph Waltz dar, der den Oberst Hans Landa mimt. Er ist ein präziser, eindringlicher Detektiv, der sein Handwerk versteht. Er wird der Judenjäger genannt und das nicht ohne Grund, denn zweifelsohne ist Landa ein gewitzter, sehr intelligenter Mann, spricht fließend französisch und italienisch und ist so furchterregend charismatisch. Mit einem Lächeln umklammert er seine Zielpersonen und erhöht die Intensität eines Gesprächs von Wort zu Wort. Hier punktet Tarantino wahrlich mit der Auswahl seiner Schauspieler, die ihre Wurzeln passend zur Geschichte in Deutschland bzw. Österreich haben. Er begnügt sich nicht mit Amerikanern, die dann im Film Englisch reden müssten, denn das würde die ganze Atmosphäre zerstören. Er macht nicht diesen Fehler und lässt seine Zuschauer Untertitel lesen, was man für einen guten Film desöfteren einfach machen muss.

Andere bekannte deutsche Namen sind Daniel Brühl, der eine ungewohnt penetrante Rolle spielt, sodann auch etwas nervt; Diane Kruger, die im Vergleich zu Brühls Rolle hochgradig nervig ist, aber vielleicht ist es auch wirklich so gewollt; Til Schweiger, der Nazikiller Hugo Stiglitz, spricht kein Wort, kann dabei auch nicht allzu viel falsch machen; Michael Fassbender, der eine akzeptable Leistung ablegt und besonders in einer Auseinandersetzung mit Major Hellstrom (August Diehl) punkten kann. Etwas fragwürdig sind die Cameos von Bela B. als Platzanweiser im Kino, Mike Myers als General Ed Fenech und Volker Michalowski (aus Zack! Comedy nach Maß) als deutscher Soldat. Es gibt sicherlich noch weitere bekannte Gesichter, aber gerade diese haben mich ein wenig überrascht und ließen mich den Film über erstaunt zurück.

Die Untertitel wurden schon erwähnt und für sehr gut befunden, aber dennoch bleibt es auf der anderen Seite ein Dorn im Auge, wenn man in der deutschen Fassung einige Dinge synchronisiert und anderes widerum nicht. So meine ich, dass Christoph Waltz zuerst synchronisiert wurde, wenn er Deutsch gesprochen hat und ein andern Mal einfach nicht, da er unter Deutschen gesprochen hat. Auch Diane Kruger hörte sich ab und zu etwas arg angestrengt an. Das kann man aber getrost ein wenig verdrängen, blickt man im Gesamtbild auf eine sehr gute Arbeit seitens der Synchronsprecher und dem Film, das zum Glück einfach Untertitel verwendet.

Auditiv kann sich auch der Soundtrack hören lassen, für den Tarantino wirklich ein Händchen hat. Hauptsächlich sind Werke von Ennio Morricone zu hören, die die Szenen verstärken und ein Stück vitaler, aufregender gestalten.

Wie in jedem Tarantino wird auch hier viel gesprochen, über dies und das, aber dieses Mal um einiges spitzfindiger als z.B. in Death Proof. Die Verhöre bzw jeder Dialog mit und von Hans Landa gehören zu den Highlights des Films, da sein Charakter durch seine eindringlichen Fragen geformt wird und diese die Atmosphäre zielgerichtet anspannen. Aber auch seine ulkige Seite kommt spätestens zum Ende in einem Gespräch mit Aldo Raine zum Vorschein, etwas übertrieben, aber nichtsdestotrotz sympathisch, obgleich es fraglich erscheint, ob man mit diesem Mann sympathisieren sollte oder nicht.

Tarantino weiß auch, wie man diese Gespräche geschickt inszeniert. Sein Können zeigt er direkt in der ersten Sequenz mit dem Bauern, der die Familie Dreyfus versteckt hält. Hauptaugenmerk liegt natürlich auf dem Gespräch, aber auch die Kamera zeigt hier jede einzelne Regung und Reaktion, das Hin und Her zwischen den beiden Gesprächspartnern und die Augen der sich unter der Bodendiele versteckenden Juden.

Nichtsdestotrotz kann Tarantino es auch hier wieder nicht sein lassen seine Selbstverliebtheit zu zeigen. Man merkt, dass er sichtlich Spaß daran gehabt haben musste. Die kleinen Pfeilchen, die auf bestimmte Personen zeigen und deren Namen preisgeben oder die eingeschobene Sequenz, in der Hugo Stiglitz mit großem Tammtamm vorgestellt wird. Alles kleine Spielereien, die einfach zu verspielt sind. Es hat nur noch gefehlt, dass Tarantino selbst ein kleines Cameo als Basterd hinlegt. Immerhin ist es zum Glück nicht dazu gekommen. Auch, dass die ganze Basterd Geschichte eigentlich komplett hinfällig ist und nur dem spaßigem, gorelastigen Teil des Films dient, kann man ihm anrechnen. Aber um ehrlich zu sein hätte man ohne diese einen zu ernsten Film gehabt und nur den Racheplot von Shosanna im Visier, was doch sehr schade gewesen wäre.

[Fazit]

Inglourious Basterds ist bei weitem einer der gewagtesten Filme dieses Jahres und spricht ein dunkles Kapitel der Geschichte an, wuschelt dessen fiktive Haare und gibt ihm einen kleinen Klaps auf die Backe. Oder doch eher einen Schlag ins Gesicht. Das Wort „Meisterwerk“ werde ich – wie viele andere es schon getan haben – sicherlich nicht verwenden, dafür gibt der Film für mich zu wenig her. Das heißt aber nicht, dass Inglourious Basterds nicht gut war, er war sogar sehr gut. Wäre Aldo Raine real, würde er den Film lieben, seine hundert Nazi-Skalps hätte er sicher.

Lass ein paar Worte da:

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.