Schon lange geht es nicht nur mehr um Zombies, Aliens oder sonstige unerklärlichen Dinge in modernen Horrorfilmen. Die gewisse Atmosphäre weicht den jumpcuts, schnellen Schnitten, Schockeffekten, Gore und einer Story, die nur noch von Film zu Film kopiert wird. Dazu ist das Umfeld der Horrorfilme nicht mehr in Wälder und gruseligen Orten, sondern findet immer mehr in modernen Szenarien statt, wie schon – das mit Unfriend nicht zu verwechselnde – Levan Gabriadzes Unfriended gezeigt hat, welches sich nur auf einem Computer im Programm Skype abgespielt hat. Unfriend scheint auf den ersten Blick erneut nur ein normaler, schon gesehener Horrorfilm zu sein, der auf der Idee von Unfriended basiert. Letztendlich könnte es nicht unterschiedlicher sein.

In Unfriend wird die Unbekümmertheit von der Annahme einer Freundschaftsanfrage auf Facebook in Frage gestellt. Laura (Alycia Debnam-Carey), ein beliebten, freundliches Mädchen auf dem College Campus, trifft auf die distanzierte „Komische“ auf dem Campus Marina (Liesl Ahlers). Laura ist nett zu Marina, warum denn auch nicht? Sie ist alleine auf dem Campus und jeder verdient einen Freund. Laura hat schon mehr als 800 auf Facebook, da schadet eine Annahme von Marina in diese Liste nun wirklich nicht. Facebook Freunde sind nicht immer richtige Freunde, eher Bekanntschaften. Marina sieht es jedoch anders. Als Laura ihre vielen Nachrichten nicht mehr beantwortet und sich nicht als wahrer Freund herausstellt, beginnt die Zeit, in der Laura auch zu spüren bekommt, was es heißt immer weniger Freunde zu haben. Nach und nach verringert sich ihre Freundschaftszahlen, da viele von ihnen auf unerklärliche Weise zu Tode kommen…

Facebook, Freundschaften, soziale Akzeptanz, sozialer Druck; das alles erfasst Unfriend. Und wir kommen da noch nicht einmal zum Horrorelement des Films, welches einen Großteil ausmachen wird. Unfriend spielt mit der Definition eines Freundes in der heutigen Zeit. Schon lange ist man auf Facebook nicht mehr nur mit Menschen befreundet, die man auch tatsächlich sieht und/oder oft trifft und kommuniziert (was man als Definition im engeren Sinne verstehen könnte). Es dient als soziales Netz, um entweder Bekannschaften zu pflegen oder zu erweitern oder im Extremfall um seine soziale Akzeptanz zu manifestieren, indem man immer mehr „Freunde“ hat. Trotz Anzeige von Freundeszahlen von Laura auf der Kinoleinwand, die sich immer weiter senkt, ist Unfriend nicht darauf aus das Letztere darzustellen. Viel mehr überzeugt das Drehbuch und die Darstellung von Laura, dass es jedem passieren kann in eine solche Lage zu kommen. Laura – sehr gut gespielt von Debnam-Carey – ist ein normales Mädchen, das einfach nett zu allen ist und deshalb so viele Freunde hat. Sie berechnet ihren Wert nicht an ihrer Zahl an Freunden auf Facebook.

Darauf aufbauend kommt man aber zur nächsten prekären Lage: Was ist wenn jemand die Freundschaftsannahme im engeren Sinne sieht und diese auch verlangt? Die Definition wird in Frage gestellt, weil die sozialen Konstrukte in der modernen Zeit sich schon lange leider immer weiter von „echten“ Freundschaften fern halten und immer „faker“ werden, um den eigenen sozialen Status gerecht zu werden. Diese Gedanken schwingen in Unfriend mit, bilden aber nicht den wichtigsten Teil, schließlich ist es ein Horrorfilm. Demzufolge sind die Konsequenzen einer Freundschaftsanfrage fernab der Realität. Im Bereich des Horrors bietet Unfriend jedoch auch mehr als man zunächst erwarten könnte.

Klar, es gibt einige Schocheffekte, sich bewegende Schatten und noch vieles mehr, was man schon gesehen hat. Diese werden aber wunderbar umwoben mit einem tollen Rhythmus und Darstellung. Es wird auch noch mit Erwartungen des Zuschauers gespielt, was einem nach dem zweiten Mal klar, jedoch nicht langweilig wird. Gerade wenn man einen kleinen Vergleich mit Unfriended macht, so stellt sich Unfriended lediglich als innovative Idee gepaart mir viel Gore heraus, kann jedoch mit dem Inhalt und Fülle von Unfriend nicht mithalten. Allein die visuelle Seite kann sich sehen lassen. Das Design ist fantastisch, die Optik, die Stimmungen, die farblich gut abgestimmt sind und dazu kommt auch noch eine ansprechende Kameraführung, die nuanciert ist, aber heraussticht in vielen Situationen. Es wird einem sehr viel geboten, zu viel, um nicht direkt in Spoilerbereiche zu wandern. Daher kann man lediglich sagen, dass man wirklich Spaß mit dem Film haben wird, wenn man einerseits auf gut gemachte (Schock)Effekte steht und andererseits eine frische Atmosphäre fühlen will, die einen die ganze Filmlänge gespannt im Sitz bleiben lässt. Umso überraschender ist diese Qualität von Horror, wenn man keinen altbewährten Horror-Regisseur sieht, sondern Simon Verhoeven, der eher als Schauspier aktiv war und nur für Komödien auf dem Regisseurstuhl saß (Männerherzen, 100 Pro). Es steckt in diesem Fall mehr drin, als es den Anschein macht. Einen genaueren Blick in Unfriend lohnt sich wirklich.

[Wertung]
Khitos: 3.5 out of 5 stars (3,5 / 5)

Unfriend kommt am 07.01.2016 in die deutschen Kinos
Die Bildrechte für das Beitragsbild liegen bei Warner Bros.

Ein Gedanke zu „Filmkritik: Unfriend (OV: Friend Request)“

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