Die als A-Gruppe bekannte Eliteeinheit der schwedischen Polizei unter der Führung von Kerstin Holm ist für die schwierigsten und gefährlichsten Fälle von internationaler Tragweite zuständig. Nun steht sie vor neuen Herausforderungen. Was in „Rosenrot“ zunächst aussieht wie der tödliche Ausgang einer Razzia im Milieu illegaler Einwanderer, entpuppt sich bald als brisanter Spionagefall in der internationalen Pharmaindustrie. Bei ihren Ermittlungen offenbart sich ein schreckliches Geheimnis.

Außerdem hält eine ungewöhnliche Mordserie die Stockholmer Sonderermittler aus der Feder von Bestsellerautor Arne Dahl in Atem. Steht der brutale Mord an einem alten Nobelpreiskandidaten wirklich in Zusammenhang mit der bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Leiche in einem Freizeitpark? Die Suche nach der Wahrheit führt das Team in „Tiefer Schmerz“ nicht nur durch halb Europa, sondern auch auf die Spur eines lange zurückliegenden grausamen Verbrechens.

Inklusive der ungeschnittenen Schnittfassung und der geschnittenen TV-Fassung. (Verleihinfo)

Filminfos
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O-Titel: Arne Dahl vol. 2: „De största vatten“ & „Europa Blues“ (Schweden / Deutschland 2011)
Dt. Vertrieb: Edel Germany
VÖ: 20.2.2015
EAN: 4029759089018
FSK: ab 16
Länge: ca. 594 Min.
Regisseur: Tova Magnusson, Niklas Ohlson & Mattias Ohlson
Drehbuch: Cilla & Rolf Björlind
Musik: Niko Röhlcke
Darsteller: Malin Arvidsson, Irene Lindh, Claes Ljungmark, Magnus Samuelsson, Matias Padin Varela u.a.
Preis: 20,99 EUR

Handlung von ROSENROT
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Dies ist die Ausgangsszene. Eines Morgens dringen schwer bewaffnete schwedische Polizisten in die Wohngemeinschaft von fünf schwarzen Asylbewerbern, die abgeschoben werden sollen, ein. Sie können vier der fünf sofort am Boden festnageln, doch der fünfte Asylbewerber, Winston Modisane, wird von Polizist Dag Lundmark ins Schlafzimmer gedrängt, wo das Fenster immer offensteht. Kaum dreht sich Dag um, ergreift Modisane die günstige Gelegenheit und steigt aus dem Fenster zur Brandleiter. Er erklimmt sie und steigt aufs Dach, um von dort den üblichen Fluchtweg ins Dachgeschoss zu nehmen. Doch heute ist die Tür seltsamerweise versperrt. Er gibt keinen Ausweg. Modisane dreht sich um. Dann wird der unbewaffnete Mann mit einem einzigen Schuss hingerichtet. Als andere Cops ihn finden, hält er eine Sportpistole in der kalten Hand.

Diese Aktion hat nicht nur ein Nachspiel. Paul Hjelm und Kerstin Holm sind Kriminalpolizisten in Stockholm. Als Angehöriger der A-Gruppe zur Ermittlung in Verbrechen mit internationalem Charakter werden sie vom Chef der Inneren Abteilung, Niklas Grundström, hinzugezogen. Die Dienstaufsicht? Haben sie etwas ausgefressen, fragen sich Hjelm und Holm, die früher mal ein intimes Verhältnis hatten.

Grundström möchte, mit Hultins, der Chefin der beiden, Zustimmung, dass sich Hjelm und Holm des Falls annehmen. Als Holm jedoch den Namen des Schützen hört, erstarrt sie: Dag Lundmark war bis vor sieben Jahren – von 1992 bis 1994 – ihr fester Freund. Doch sie trennte sich von ihm, woraufhin er dem Alkohol verfiel. Er musste eine Entziehungskur machen, aus der erst vor zwei Monaten entlassen wurde. Die Polizei in einem Stadtteil nahm ihn wieder auf – mit den bekannten Folgen. War Dag Lundmark wirklich topfit in der Situation, als er Modisane gegenüberstand? Holm erklärt sich für befangen.

Doch Holm lässt sich breitschlagen, dass Befangenheit nicht gegeben sein, und geht mit Hjelm ins Vernehmungszimmer. Dort sitzt bereits Dag und begrüßt seine Ex mit zynisch-schmeichelnden Worten. Seine Angaben müssen selbstverständlich überprüft und mit den Aussagen der vier anderen Polizisten verglichen werden. Also: Modisane flüchtete plötzlich und Lundmark folgte ihm bis aufs Dach des Hauses. Dort zog der Flüchtige eine Sportschützenpistole Marke Weylander und zielte auf Lundmark. Dieser schoss sofort in Notwehr und traf Modisane tödlich. Saubere Sache, oder?

Holm wendet ein: Aber gehörte die Weylander nicht möglicherweise Lundmark? Woher sollte der Südafrikaner eine so teure Pistole haben? Sie glaubt, Lundmark habe eine illegale Waffe in die Hand seines Opfers gelegt. Und überhaupt: Warum blieb Modisane denn stehen statt durch die Dachbodentür ins Treppenhaus zu flüchten? Doch Lundmark erinnert Kerstin lediglich an die Inschrift in ihrem Verlobungsring, den sie immer noch trägt: Viele Wasser können die Liebe nicht löschen – ein Zitat aus dem Hohelied Salomos. Sie wird unsicher. Als Lundmark fragt, ob man ihn festhält oder dem Staatsanwalt übergibt, verneint sie. Doch Lundmark taucht unter. Er hat noch viel vor.

Im Nachhinein entdecken die Ermittler des A-Teams, dass rein gar nichts an den Angaben zum Tathergang stimmt… Der Fall wird immer rätselhafter. Unterdessen wächs Kerstin Nervosität, und sie dreht manisch an ihrem Verlobungsring: Sie fühlt etwas wie ein Schwarzes Loch auf sich zukommen…

Der 2. Fall

Ein zweiter Fall scheint nichts mit Modisane und Lundmark zu tun zu haben. Im gleichen Stadtteil wird ein Einbrecher aufgegriffen. Björn Hagmann stinkt unverkennbar nach Leiche. Nach Zusicherung eines rechtlichen Schlupflochs führt er Arto und Viggo vom A-Team in die Wohnung von Ola Ragnarsson. Dort finden sie einen Abschiedsbrief vor, doch wie sich herausstellt, wurde der Mann vor zwei Wochen ermordet. Sie schrecken vor dem Gestank und den wimmelnden Maden zurück. Der Einbrecher nutzt die günstige Gelegenheit und verduftet.

Der 3. Fall

In seinem Abschiedsbrief gibt sich Ragnarsson als Serienmörder aus. Er habe seine Opfer im Sumpf des abgelegenen Värmlands vergraben. Die Beamten werden nach einigem Suchen fündig. In schwarzen Plastiksäcken finden sie die sterblichen Überreste eines lokalen Bauernpaars namens Sjöberg, das seit Wochen im Urlaub geglaubt wird. Doch wo ist ihr Adoptivsohn, der siebenjährige Anders Sjöberg?

Die drei Fälle…

…hängen alle auf eine Weise miteinander zusammen, die sich die Ermittler der A-Gruppe nicht hätten träumen lassen. Kerstin Holm hat immer stärker das Gefühl, dass das Schwarze Loch kurz davor ist, sie zu verschlingen. Sie ahnt nicht, dass es nicht nur um sie geht, sondern um ihre gesamte Abteilung.

Mein Eindruck
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Selten bin ich auf einen derart verzwickt ausgetüftelten Krimi gestoßen. Drei scheinbar völlig verschiedene Fälle werden aufs Engste miteinander verknüpft und zu einem immer dichteren Geflecht von bösen Vorahnungen und unheilvollen Vorausverweisen verwoben – Kerstins „Schwarzes Loch“. Schon lange vor dem Finale ist mir daher angst und bange geworden, was da wohl auf Kerstin Holm zukommen könnte.

Anders als der Anfang vermuten lässt, geht es nicht um Asylbewerber und wie sie von skrupellosen Geschäftemachern ausgebeutet werden. Dieses Thema hat schon Ian Rankin in seinem Krimi „So soll er sterben“ (Fleshmarket Close) zur Genüge beackert, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich hoffe, ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, dass zwei der Asylbewerber als Industriespione nach Schweden gekommen sind. Modisane war Chemiker. Lundmark diente dem Pharmakonzern als Versuchskaninchen, und nun ist er süchtig nach diesem Stoff. Dennoch will er mit Kerstin eine Familie gründen – und er hat gute Argumente…

Die filmische Umsetzung

Auf dieser Blu-ray liegen zwei Fassungen vor: die gekürzte TV-Fassung von 120 Min. Länge und der zweiteilige Director’s Cut von 180 Min. Länge. Was den Kern der Handlung unterscheiden sich die beiden Fassungen von ROSENROT jedoch kaum. Das erlaubt ein Gesamturteil für beide Versionen.

Die erste Szene zeigt, wie ein Mann, dessen Gesicht wir nicht gezeigt bekommen, in das Haus der Sjöbergs eingelassen wird. Als die Polizei später nachsieht, fehlt Anders, ihr Adoptivsohn, doch von den Eltern fehlt jede Spur – bis man sie im Sumpf findet. Die Frage, die den Zuschauer durchweg beschäftigen sollte, lautet: Wer ist dieser Mann? Die Antwort führt zu permanenter Verunsicherung, wenn nicht sogar Verwirrung. Handelt es sich um Dag Lundmark oder um Ola Ragnarsson? Ist Lundmark also wie Ragnarsson ein Serienmörder? Diese Möglichkeit macht den Kontakt zu Lundmark für Kerstin Holm zu gefährlich.

Leider wird diese Gefahrenlage durch handlungsleere Szenen verwässert, die nur auf Stimmung und Verwirrung hin angelegt sind. Da kam bei mir oft Langeweile auf. Der Plot um das Geimprojekt der Nigerianer um Modisane gerät fast völlig aus dem Blickfeld. Die Verbindung zwischen Afrikanern und Dag Lundmark ist der Pharmakonzern, der Dag als Versuchskaninchen benutzt hat – und Modisane als illegale Putzkraft.

Dies ist jedoch Kerstin Holms Fall (so wie „Misterioso“ Paul Hjelms Fall war), und so ist die Handlung, insbesondere aber das Finale ganz auf sie zugeschnitten. Die komplexen und nicht uninteressanten Fakten zu Pharma, Modisane und Testreihen bleiben schließlich außen vor: viel zu umständlich zu erklären. So haben die TV-Produzenten den Fall seiner ganzen Brisanz beraubt.

Handlung von TIEFER SCHMERZ
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Professor Leonhard Schenkmann ist Gehirnforscher und hält sein eigenes Gehirn täglich mit Kreuzworträtseln und Spielen mit der Familie seines Sohnes Harald fit. Er befindet sich im jüdischen Teil des südlichen Friedhofs von Stockholm, als schwedische Neonazis besoffen über die Gräber ziehen und Grabsteine umkippen. Plötzlich hören sie damit auf, als hätten sie eine Gefahr gesehen. Einen Schrei?

Der Professor hat inzwischen sein Ziel auf dem Jüdischen Friedhof erreicht, den zerbrochenen Grabstein von „Shtayf, gestorben 7.9.1981“. Er dreht sich um und bemerkt die Schatten, die sich ihm nähern. Eine Frauenstimme antwortet auf seine fragende Begrüßung. Dann dringt der Schmerz wie ein glühendes Messer in sein Hirn.

In einem Freigehege des Zoos von Stockholm werden Wölfe, Elche, Bären, Luchse und sogar Vielfraße gehalten. An einer Stelle haben Pfleger eine angenagte Leiche gefunden – angenagt von den großen Mardern, die von den Engländern als „wolverine“ bezeichnen werden. Ein Handy enthält sehr interessante Nummern. Nummern, die von diesem Zuhälter zu seinen Prostituierten in einem Stockholmer Motel führen – und zu seinen Auftraggebern.

Die A-Gruppe-Ermittlerinnen Kerstin Holm und Sara Svenhagen befragen Rune Nilsson, den Leiter eines als Asylantenheim geführten Bordells. Vor kurzem sind nicht weniger als sechs Frauen verschwunden, allesamt Ukrainerinnen. Hängt ihr Verschwinden etwa mit dem Tod des Zuhälters zusammen, fragen sie. Holm und Svenhagen arbeiten einen Zeitablauf heraus, der diesen Schluss exakt zulässt. Aber warum verschwanden die Frauen? Wurden sie etwa gefangengehalten und misshandelt? Dann wollen sie wahrscheinlich zurück in ihre Heimatstadt Odessa am Schwarzen Meer – ein weiter Weg.

Da bei dem toten Schenkmann das Handy eines der sechs Mädchen gefunden wurde, können Nyberg und Chavez eine Nachricht abhören, die in slawischer Sprache gehalten ist. Ludmilla Lindquist, eine Expertin für slawische Sprachen, sagt ihnen, dass die Rede von einem Grenzübergang beim polnischen Ort Lublin war. „Sie sind sicher durch.“ Wer ist gemeint? Die verschwundenen sechs Frauen? Wurden sie „befreit“? Von wem? Allmählich kristallisiert sich heraus, dass Mädchen Nr. 6, Reina Tavaritch, sich immer noch in Stockholm aufhält – und sich somit in Lebensgefahr befindet. Ein Killer, der bereits ihre Gefährtinnen auf dem Gewissen hat, sucht sie. Sie weiß zuviel.

Arto Söderstedt, der finnischstämmige Ermittler der A-Gruppe, plant gerade mit seiner Frau einen Hauskauf, als ihn Hultins Anruf erreicht. Dank Onkel Pertti, dem alten Kriegsveteranen, und seinem reichlichen Erbe planen sie den Kauf eines Sommerhauses. Sein neuer Auftrag: Er soll einen Turiner Mafioso jagen. Doch die Spur führt ihn auch nach Weimar und in finstere Nazi-Vergangenheit. Es ist der Beginn einer langen Reise und vieler schrecklicher Entdeckungen, an deren Ende Artos Leben an einem seidenen Faden hängt.

Mein Eindruck
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Die Vergangenheit ist nicht tot, schon gar nicht in Europa. Und deshalb findet Arto am Schluss, dass dieses Paradies, in dem er lebt, ein falsches ist. Unter der schönen Oberfläche brodeln noch immer Verbrechen, Bosheit und Verrat. Das Dumme ist nur, sagt sich Arto, dass viele Menschen es vorziehen, das Vergangene tot und begraben sein zu lassen statt sich dem tiefen oder vergrabenen Schmerz zu stellen, den die Auseinandersetzung damit bedeutet. Andere hingegen haben den tiefen Schmerz als Mittel der Rache entdeckt und ziehen durch Europa, um die Verbrecher in einer Privatfehde hinzurichten.

Die A-Gruppe kommen erst auf die Zusammenhänge, weil sich der Zuhälter, der den Vielfraßen zum Opfer fiel, als Grieche herausstellt, Nikos Voultsos. Er sollte in Stockholm ein neues Netzwerk von Prostituierten übernehmen. Er kam im Auftrag des Turiner Mafiosos Marco di Spinelli, eines 92-jährigen Patriarchen, der in seinem Palazzo vor jedem Zugriff sicher ist.

Genau diesen Patriarchen soll Arto Söderstedt als erstes besuchen. Und das Wunder geschieht: Di Spinelli erklärt sich bereit, mit Arto zu sprechen. Arto ist es – zunächst jedenfalls – unerklärlich, warum Di Spinelli bei seinem Anblick zusammenzuckt und bleich wird. Erst sehr viel später kann er sich diese erschreckte Reaktion erklären.

Arto verfolgt, gelenkt aus der Zentrale in Stockholm, weitere Spuren der Rachegöttin, die ihn nach Weimar führen. Schließlich landet er wieder in Mailand bei Di Spinelli. Die Rachegöttin, so stellt sich heraus, ist die Enkelin jener Kriegsgeneration, die in den Konzentrationslagen und „Medizinischen Forschungseinrichtungen“ der Nazis und ihrer Wissenschaftler missbraucht wurde.

Das KZ-Tagebuch

Paul Hjelm kramt sein Schuldeutsch hervor, um das KZ-Tagebuch von Leonhard Schenkmann zu lesen, der als „Professor Schenkmann“ mit 92 Jahren auf dem jüdischen Friedhof von Stockholm hingerichtet wurde – mit einem jener Dorne, der ihm wie einer jener Versuchspersonen im KZ ins Schmerzzentrum des Gehirns geschoben wurde. Es ist ein schmerzvoller Tod und eine grausame Rache an einem Verbrecher, denkt Paul zunächst. Aber ein nagender Zweifel sagt ihm, dass etwas an dieser Sache nicht ganz stimmt. Er übersieht etwas, aber was?

Paul liest das Tagebuch weiter. Leonhard Schenkmann war ein in Berlin geborener Jude, der mit seiner Frau Magda und seinem Sohn Franz glücklich war und als Schriftsteller arbeitete. (Wie konnte er dann nach dem Krieg so schnell Hirnforscher werden, fragt sich Hjelm.) Statt auszuwandern wie alle seine Freunde hoffte Schenkmann, mit seiner Frau den begonnenen Krieg überleben zu können, denn der konnte ja nicht so lange dauern.

Doch die Nazis schnappten die Familie und brachten sie ins KZ Buchenwald bei Weimar. Magda kam wohl dort um, wie es seinem Sohn erging, wusste Schenkmann nicht. Er selbst wurde einer medizinischen Forschungseinrichtung à  la Dr. Mengele zugeteilt. Es handelte sich um Schmerzforschung. Drei SS-Offiziere leiteten die Versuche. Dabei wurde den Opfern unter anderem ein dicker Draht in die schmerzempfindliche Hirnrinde geschoben, um herauszufinden, ob man Schmerz maximieren und Menschen dagegen resistent machen konnte. Die Opfer waren nach der „Behandlung“ praktisch nicht mehr ansprechbar und apathisch – lebende Tote.

Schenkmann hat einen Kirchturm äußerst exakt beschrieben. Hjelm findet den Kirchturm auf einem Foto und schlägt nach, dass das KZ Buchenwald erst im April 1945 kurz vor Kriegsende von den Amerikanern befreit wurde, also sehr spät. Doch wer waren diese drei SS-Offiziere? Es gibt keine Fotos von ihnen, sondern nur Schenkmanns ungenaue Beschreibungen. Es hilft nur eines: Arto Söderstadt muss nach Weimar, um den Professor zu treffen, der die historische Forschung des „Schmerzzentrums“, wie es unter der Bevölkerung genannt wurde. Arto stößt dort auf eine heiße Spur.

Die filmische Umsetzung

Diesmal unterscheidet sich die Langfassung deutlich von der gekürzten TV-Fassung. Die fehlenden Minuten bestehen hauptsächlich aus Szenen, die Einblicke in das Privatleben der Ermittler gewähren. So verliebt sich etwa Nyberg in die Dolmetscherin Ludmilla, was auch seine komischen Momente hat.

Besser fand ich hingegen die Erklärungen, die innerhalb der A-Gruppe zu den einzelnen Ermittlungsergebnissen abgegeben werden. Auf diese Weise versteht der Zuschauer viel besser, wie die einzelnen Puzzleteile zueinander passen und was sie zu bedeuten haben. Denn die Backstory des Leonhard Schenkmann hat ja einen doppelten Boden, ist also mehrschichtig und zieht sich über Jahre hin. So verstand ich schließlich, wer in dem namenlosen Grab liegt, auf dem nur der Spitzname „Shtayf“ (jiddisch für „verhärtet, steif“) steht.

Der erste Teil dreht sich um die Mädchen und endet in einem blutigen Fiasko. Im Mittelpunkt des zweiten Teils stehen Söderstedts Entdeckungen und ihre Folgen. Seltsamerweise kapiert er mit nur gelindem Schauder, dass Magda eine Serienmörderin ist, dreht ihr aber keinen Strick daraus – schließlich rettet sie ihm das Leben: Die finale Shootout ist großes Kino und führt die beiden Handlungsstränge um die ukrainischen Frauen & die Rachegöttin einerseits und die Nazi-Schergen andererseits zusammen – mit dem bedauernswerten Arto Söderstedt mitten im Kreuzfeuer.

So krude inszeniert steht das natürlich nicht im Buch. Beträchtliche Szenen wurden gestrichen, um die Handlung nicht zu überladen. Und ich wunderte mich, wie praktisch doch so ein herrenloses Handy sein kann, um irgendwelche Zusammenhänge herzustellen.

Die DVDs
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Technische Infos:

Bildformate: 16:9 – 1.78:1
Tonformate: DTS HD 5.1
Sprachen: D, Schwedisch
Untertitel: OmU in Deutsch

Extras:
Trailer

Mein Eindruck: die DVDs
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Bild und Ton der Blu-ray sind erwartungsgemäß ausgezeichnet, aber von der Nutzung der möglichen Stereoeffekte kann keine Rede sein. Untertitel gibt es nur dann, wenn eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird. Und das ist ja bei internationalen Ermittlungen häufig der Fall. Die deutsche Synchronisation lässt sich aufgrund des Fehlens von Untertiteln für die deutschen Dialoge praktisch nicht bewerten.

Bonusmaterial:

1) Trailer

a) Varg Veum (siehe meinen Bericht)
b) Die Brücke, Staffel 1 (siehe meinen Bericht)
c) Kommissar Winter

2) Booklet (s.u.)

Unterm Strich
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Ich bewerte die Langfassungen der beiden Verfilmungen. Die TV-Kurzfassungen – immerhin noch jeweils 120 Min. lang – sind dann doch unbefriedigender ausgefallen als die Langfassungen.

ROSENROT

„Rosenrot“ ist ein sehr emotionaler Krimi, der zwar realitätsnah erzählt wird, aber doch mit einer umso ausgetüftelteren Storyline bis zum Finale für Spannung sorgt. Splattereffekte haben ebenso ihren Platz wie der Psychohorror, der sich in Kerstin Holm entwickelt. Humoristisch-ironische Szenen sorgen für ein entspannendes Element. Unbefriedigend sind lediglich das abgedroschene Bibelzitat, das in Kerstin Holms Verlobungsring steht und dessen Herkunft nie erklärt wird, und die fehlende Darstellung der Schuld der Verantwortlichen. Dass die vier Afrikaner Industriespione waren und an das Rezept für einen Malariaimpfstoff (im Buch ein HIV-Impfstoff) kommen wollten, wird nie diskutiert.

Kann man einer Rachegöttin ins Gesicht sehen? Nicht nur diese Frage muss sich Arto Söderstedt – und wir mit ihm – stellen, sondern auch: Wie kann ich weiterleben, wenn das ererbte Gesicht und Geld einem Verbrecher gehörte und an dem Geld Blut klebt? Das sind furchtbare Momente im Leben eines jeden, und ein Ermittler wie Arto Söderstedt muss offenbar ständig darauf gefasst sein.

TIEFER SCHMERZ

Das Buch trägt den Originaltitel „Europa Blues“, was ein wenig modisch klingt, die Aussage aber auf den Punkt bringt. Europa, wie wir es heute kennen und es hier gezeigt wird, hat noch viele Altlasten abzutragen, und nun macht sich inzwischen (also ca. 2002) die Enkelgeneration selbstständig an die Arbeit, um Rache und Vegeltung zu üben. Doch darf eine Demokratie, ein Rechtsstaat eine Privatfehde zulassen, selbst wenn sie „die Richtigen“ trifft? Natürlich nicht. Das sagt Arto der Erinnye auch, als sie schließlich vor ihm steht. Sie antwortet, dass es bereits zu spät sei, um umzukehren. Immer ist es die Zeit, die für und gegen Opfer und Täter arbeitet.

„Tiefer Schmerz“ ist ein ungewöhnlich weitgespannter Krimi, der mehrere Zeitebenen umfasst und fast ein halbes Dutzend europäische Länder abdeckt. Es ist eben eine globalisierte Welt, in der wir leben. Und deshalb müssen auch Ermittler, sofern multinational organisiert, auch global ermitteln können. Arto erlebt, wie es dabei zu Kooperation, Ablehnung und humorvollen zwischenmenschlichen Begegnungen kommen kann.

Der Showdown ist nicht mehr so blutig wie in manch anderem Krimi der A-Gruppe-Serie (Hjelm und Holm wurden einmal fast tödlich verwundet), aber das Finale ist doch eine grimmige Mischung aus Rache- und Actionabenteuer, wie sie nur wenige Autoren gestalten können. Ich fühlte mich jedenfalls durchweg spannend unterhalten und habe sogar noch einiges über Europa gelernt.

TIEFER SCHMERZ ist komplexer, aber intelligenter gestaltet als das sehr emotionale ROSENROT. Bei letzterem ist mir aufgefallen, dass fortwährend über Fortpflanzung geredet wird. Da ist eine Frau im siebten Monat, ein Mann ist gerade Vater geworden, Sara Svenhagen will zu Josés Verdruss keine Kinder haben (kleiner Scherz, oder?), und Kerstin Holm bereut, dass sie ihr Kind vor sieben Jahren nicht abgetrieben, sondern zur Adoption freigegeben hat. Erwartungsgemäß endet die ganze Sache in Blut und Tränen, aber auch mit einem Lächeln.

Die Blu-rays

Sowohl die gekürzten TV- als auch die ungekürzten Langfassungen auf die Blu-rays zu packen, finde ich eine hervorragende Idee. Der TV-Zuschauer erwartet „natürlich“ die gerade gesehene Fassung. Dass es auch eine ungeschnittene Langfassung gibt, bildet also quasi einen Bonus – und der ist für Puristen der wahre Jakob, also die eigentliche Sache.

Schade, dass die beiden Filme – wieder mal – vom ZDF kein Bonusmaterial spendiert bekommen haben. So ein paar Trailer sind lediglich Werbung. Das Booklet enthält noch mehr Werbung, von Edel Germany (DVDs/BDs), aber auch von Osterwold Audio (vormals Hörbuch Hamburg), das alle Arne-Dahl-Hörbücher produziert.

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

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