Die erfolgreiche Galeristin Susan (Amy Adams) erhält unerwartet ein Paket von ihrem Ex-Mann Edward (Jake Gyllenhaal), zu dem sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Darin befindet sich ein Romanmanuskript mit dem Titel „Nocturnal Animals“, das Susan gewidmet ist.

Die junge Frau beginnt zu lesen und wird mit der brutalen Schilderung von Gewalt und Mord konfrontiert. Gefesselt und zutiefst verstört von der Handlung gerät sie immer tiefer in den Sog des beklemmenden Romans.

Je weiter die Erzählung auf eine blutige Abrechnung hinausläuft, desto mehr gerät ihr eigenes Leben außer Kontrolle. Realität und Fiktion beginnen zu verschwimmen und Susan ist gezwungen, sich einem dunklen Geheimnis aus ihrer Vergangenheit zu stellen… (bearbeitete Verleihinfo)

Filminfos

O-Titel: Nocturnal Animals (USA 2016)
Dt. Vertrieb: Universal
VÖ: 27.4.2017
EAN: 50530-8310356-9
FSK: ab 16
Länge: ca. 111 Min.
Regisseur/Drehbuch/Produzent: Tom Ford nach der Buchvorlage von Austin Wright
Musik: Abel Korzeniowski
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Amy Adams, Michael Shannon, Laura Linney, Michael Sheen, Isla Fisher, Aaron Taylor-Johnson („Kiss-Ass“) u.a.

Handlung

Susan Morrow schläft nie, nicht einmal nachts. Dennoch sieht sie jeden Morgen, wenn sie in ihre Kunstgalerie geht, wie aus dem Ei gepellt aus. Um die unwichtigen Haushaltsangelegenheiten kümmern sich ihr Butler und diverse Reinigungs- und Kochkräfte. Ihr Haus auf den Hügeln über Los Angeles ist ein Glaspalast, mit der bekannten Micky-Maus-Skulptur von Jeff Koons im Garten.

Hutton Morrow (Armie Hammer), der Mann, mit dem sie ihr Leben teilt, kann nicht bleiben: Er muss schon wieder nach New York City, von wo er gerade erst zurückgekehrt ist. Als sie ihn dort anruft, steht er gerade im Lift ihres Stammhotels. Der Liftboy sagt deutlich: „Wir sind da, Madam.“ Ihr Lebensgefährte betrügt sie also mit einer anderen. Susan wehrt sich nicht, beschwert sich nicht, macht keine Szene.

Dafür landet ein Paket von ihrem Ex-Mann Edward, den sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat, auf ihren Wohnzimmertisch. Darin befindet sich das Manuskript des Romans „Nocturnal Animals“ (Nachttiere), das er ihr gewidmet hat. So hat er sie immer bezeichnet: „ein nachtaktives Tier“. Susan denkt nicht gerne an Edward. Sie hat ihm, dem angehenden Romanschriftsteller, zwei unverzeihliche Dinge angetan.

Die Geschichte des Romans

Tony Hastings (ebenfalls Gyllenhaal) will mit seiner Frau Laura (Isla Fisher) und seiner Teenie-Tochter India in den Urlaub nach Malfa fahren. Von Austin, Texas, wo sie leben, ist es eigentlich gar nicht so weit, selbst mit einem schon betagten Mercedes. Aber als sie nach West-Texas gelangen, werden sie von Halbstarken Rowdies bedrängt: India macht einen großen Fehler und zeigt ihnen den Mittelfinger. Der Mercedes wird gestoppt. Ray (Aaron Taylor-Johnson) ist der Sprecher des Trios und überredet die Insassen unter dem Vorwand, einen platten Reifen wechseln zu wollen, zum Aussteigen. Ganz schlechte Idee.

Nach einigem Hinundher fahren zwei der Rowdies überraschend mit Susan und der Tochter fort, der bestürzte Tony muss den Wagen des dritten Mannes, Luke, steuern. Luke setzt ihn mitten in der nächtlichen Pampa aus und braust davon. Als die anderen beiden zurückkehren, um Tony zu suchen, versteckt er sich. Doch während er sich für seine Feigheit verflucht, stellt sich am nächsten Tag heraus, dass dies das Klügste war, was er tun konnte: Sheriff Robert Andes (Michael Shannon) führt ihn an die Stelle zurück – es ist ein Müllabladeplatz. Auf einem roten Sofa wurden die toten Körper von Laura und India, entsorgt. Tony hat sich noch nie mieser gefühlt.

Der ehrenwerte Sheriff Andes will Tony wirklich helfen, doch es dauert ein halbes Jahr, bis er sich wieder meldet. Es gebe Hinweise, die zu den drei Mördern führen, alle sind einschlägig vorbestraft, u.a. wegen Vergewaltigung (die Anzeige gegen Ray wurde allerdings zurückgezogen). Inzwischen hat sich Tony erheblich verändert. Er ist selbstsicher geworden, wohingegen Sheriff Andes sich als todkranker Mann outet – und als Hasardeur.

Bob Andes macht Tony ein Angebot, das zwar total illegal ist, das Tony aber nicht ablehnen kann, wenn er sich seinem neuen Selbstbild eines starken Mannes treu bleiben will: Er muss es mit den drei Mördern aufnehmen. Doch das erweist sich als gar nicht so einfach, und am Schluss zweifelt Tony, ob er den Abzug betätigen kann. Das sieht sein Widersacher ganz genauso – und holt zum Schlag aus…

Mein Eindruck

Man braucht keine Kristallkugel, um zu erkennen, dass Edwards Roman ein Akt der Rache ist. Als wenn dies noch nötig gewesen, weist der Regisseur noch extra darauf hin: anhand eines Bildes in Susans Galerie (an dessen Anschaffung sie sich nicht erinnern kann), das die Buchstaben REVENGE trägt. (Es gibt noch weitere, optische Hinweise, die im Making-of erläutert werden.)

Doch wie raffiniert Eds Vergeltung ist, erfasst Susan viel zu spät. Sie ist eine einsame Frau, die niemandem ihr Herz ausschüttet, am wenigsten ihrem Lebensgefährten oder ihren Untergebenen. Das Alleinsein macht sie äußerst verwundbar. Sie, die einst Eds Liebe hatte, stieß sie von sich, weil sie weder an seine Liebe noch sein Können glaubte, genau wie vor der Heirat ihre Mutter (die fabelhafte Laura Linney aus der „Truman Show“). Wie einst Tippi Hedren in „Die Vögel“ muss Susan mit ansehen, wie ein Vogel, Sinnbild der Seele, an ihrem Glashaus zerschellt und stirbt.

Ed beschreibt in seinem Roman die alternative Realität einer glücklichen Familie, die er mit der echten Susan gegründet hätte. Seine Botschaft: „siehst du, ich brauche dich nicht.“ Ob er sich die gemeinsame Tochter nur ausgemalt hat oder von Susans Abtreibung des gemeinsamen Kindes weiß, spielt nur bedingt eine Rolle. In einer Spirale der Gewalt lässt er sowohl Laura als auch die Tochter töten und nur sich selbst am Leben. Entscheidend ist, dass sich die Leserin Susan mit der Figur Laura identifizieren kann. Mit-Leiden ist das A und O einer Läuterung – und der Rache.

Lebensentwürfe – sie zerschellen in dem Film wie im Roman. Aus dem friedliebenden, aber erfolgreichen (Mercedes-Besitzer) Romanautor Tony wird ein entfesselter Rächer. Aus der an Edward zweifelnden, „realistischen“ Susan wird ein einsames Tier der Nacht, das im Licht des Tages seinen Gedanken nachhängt und sich nicht konzentrieren kann. (Eigentlich müsste sie ja pillensüchtig sein, aber dieses Klischee hat sich der Regisseur verkniffen.)

Als Susan eine E-Mail von Ed erhält, der sie zu einem Treffen einlädt, stimmt sie sofort zu. Doch der Zuschauer fragt sich, ob dies nicht der letzte Schritt in Eds Racheplan ist. Um zu erklären, wie Fiktion und Realität miteinander quickt werden, müsste ich die Pointe verraten, und das wäre wirklich unverzeihlich.

Die DVD

Technische Infos

Bildformate: 2,40:1 (anamorpher Widerscreen)
Tonformate: D in DD 5.1, Englisch in DD 5.1
Sprachen: D, Englisch, I, E
Untertitel: D, Englisch, I, E u.a.
Extras: Making of

Mein Eindruck: die DVD

Die Qualität von Bild und Ton der DVD sind auf einem annehmbaren Niveau, aber doch erheblich von der High-Definition-Qualität einer Blu-ray entfernt. Vier Tonspuren und viele Untertitelsprachen werden geboten.

BONUS:

Making of (10:50 min)

Tom Ford und die Hauptdarsteller deuten die Story des Films, Ford liefert die Botschaft, eine Kritik an der Gewohnheit des Wegwerfens von Menschen , als wären sie nur Objekte oder Waren. Aber was hält er dagegen? Menschen als empfindsame Subjekte zu behandeln, ist genau das, was die Romanfigur Tony Hastings demonstriert – bis zur letzten Konsequenz. Aber was macht der echte Edward: Er tut Susan weh. Fühlt sie das? Das ist die entscheidende Frage.

Im Abschnitt „Der Look des Films“ verrät der Kameramann und Beleuchter Seamus McGarvey, dass Susans Hälfte des Films von Farben entleert ist und einen Blaustich aufweist. In den Rückblenden springen einem dann die Farben förmlich ins Gesicht. In der Roman-Welt hingegen herrschen rötliche Farben am Tage und düstere in der Nacht vor. So weiß der Zuschauer sofort, in welcher Erzählebene er sich gerade befindet.

Im Abschnitt „Das Auge des Filmemachers“ verrät uns Tom Ford, welche optischen Hinweise er in die Bilder eingebaut hat – sie sollen hier nicht verraten werden. Er geht auch auf den Schluss ein, der von den meisten Zuschauern als „sehr traurig“ empfunden wird. Dagegen protestiert er: Susan habe sich gewandelt.

Die Susan-Darstellerin Amy Adams hat jedenfalls m.E. recht, wenn sie sagt: „Der Film lässt einen nicht los.“ Zumindest nicht so schnell. Es ist eindeutig ein Film für Erwachsene, und die FSK-Freigabe ab 16 Jahren ist eindeutig gerechtfertigt.

Über den provokativen Vorspann, der während der Opening Credits läuft, verliert der Filmemacher keine Silbe. Wie schade.

Unterm Strich

Die doppelte Realität, die Farbkodierung, der tote Vogel am Glashaus, vor allem aber die in Romantik schwelgende bis todtraurige Musik Abel Korzeniowskis – alles erinnert an „Vertigo“ von Alfred Hitchcocks. Sogar der perfide Plan, der im Plot der ersten Hälfte versteckt ist, ähnelt dem Racheplan, der in Eds Manuskript versteckt ist.

Doch dann kommt der Schluss – und nichts passiert. Es ist ein trauriger Schluss, weiß der Regisseur, doch er behauptet, Susan habe sich verändert und sei durch die Lektüre des Romans geläutert worden. Ich halte das für leichtgläubig: Kann es wirklich so einfach sein, einen Menschen zu ändern? Ich glaube nicht.

Doch darum geht es Tom Ford gar nicht. Sein Film enthält eine implizite Kritik an der Angewohnheit moderner Menschen, andere Menschen wie Müll (etwa Laura und India) zu benutzen und dann „wegzuwerfen“ oder gleich ganz zu entsorgen. Susan hat Edward ebenso weggeworfen wie sein ungeborenes Baby. Sie hat seine Kreativität verworfen, indem sie von ihm verlangte, nicht „von sich selbst“ zu erzählen, sondern „realistisch“ zu sein. Das eine hat mit dem anderen zu tun: Die Schwangerschaft veranlasst sie dazu, eine solide Lebensgrundlage zu suchen – genau wie es ihre Mutter (Linney) vorhergesagt und sie gewarnt hat. Man ihr dafür Verständnis entgegenbringen, aber es ist dennoch todtraurig.

Man kann sich viele Alternativen zu der dämlichen, passiven Galeristin Susan vorstellen, ebenso viele Alternativen zu dem offenen Schluss. Sei’s drum: Tom Ford macht es dem Zuschauer nicht leicht, indem er sich an eine Formel des Erfolgs hält. Genauso hält er für den Zuschauer schon am Anfang eine handfeste Provokation in Sachen Körperkult parat…

Die DVD

Die Qualität von Bild und Ton der DVD sind auf einem annehmbaren Niveau, aber doch erheblich von der High-Definition-Qualität einer Blu-ray entfernt. Vier Tonspuren und viele Untertitelsprachen können nicht kaschieren, dass das Bonusmaterial von elf Minuten Länge – ein Making-of – doch insgesamt recht bescheiden ausfällt. Den Presseinformationen entnehme ich, dass auch die Blu-ray nicht mehr Extras bietet.

[Wertung]

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

Lass ein paar Worte da:

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.