Rupert (Barnaby Metschurat, l.), Weller (Christian Erdmann, M.) und Ann Kathrin Klaasen (Christiane Paul, r.) wurden schon wieder zu einem Tatort gerufen die zweite Leiche innerhalb einer Nacht. in Verbindung mit der Sendung bei Nennung ZDF/Sandra Hoever

Eine Serie von Mordfällen erschüttert Ostfriesland. Die mit äußerster Brutalität getöteten Opfer führen Hauptkommissarin Ann Kathrin Klaasen und ihre Kollegen Weller und Rupert zum Regenbogenverein, der sich um behinderte Menschen kümmert. Die Nerven der Mitarbeiter liegen blank, als ein weiterer Mord geschieht. Für Klaasen wird dieser Fall zu einer großen beruflichen wie menschlichen Bewährungsprobe.

Filminfos

O-Titel: Ostfriesenkiller (D 2017)
Dt. Vertrieb: Pandastorm
FSK: ab 12
Länge: ca. 89 Min.
Regisseur: Sven Bohse
Drehbuch: Florian Schumacher nach dem Roman von Klaus-Peter Wolf
Musik: Jessica de Rooj
Darsteller: Christiane Paul (Ann-Kathrin Klaasen), Barnaby Metschurat u.a.

Handlung

Ein Liebespaar wird am Morgen nach dem Sex von einem gezielten Schuss durch das große Fenster des Bungalows überrascht. Der Mann ist sofort tot, die Frau erleidet einen schweren Schock. Hauptkommissarin Klaasen von der Kripo Aurich versucht Stunden später dennoch, die Frau anzusprechen. Alexa Guhl steht unter Sedativen und ist wieder in der Lage zu sprechen. Klaasen weiß, dass das Opfer der Psychologe Ulf Speicher ist, seines Zeichens Leiter der Behindertenhilfe Regenbogen e.V. Alexa hat in der Liebesnacht einen Beobachter gesehen, kann ihn aber nicht beschreiben. Sie vermutet, es sei ihr geistig behinderter Sohn gewesen.

Sofort veranlasst Klaasen über den Kollegen Weller eine Fahndung nach Kai Uphoff, der möglicherweise auf einem Fahrrad unterwegs ist. An einer rund um die Uhr geöffneten Tankstelle stößt sie auf Kais Exfreundin Kira, die sehr zugeknöpft gibt. Noch in derselben Nacht wird Kai in einer Strandanlage mit einem Bajonett erstochen.

Am nächsten Morgen liegt Klaasens Ehe in Trümmern: Sie hat entdeckt, dass ihr Mann Hero eine Affäre mit Susanne hat. Hero zeiht zusammen mit dem gemeinsamen Sohn Eike aus. Klaasens einziger Halt ist nun der Geist ihres Vaters, eines erfahrenen Polizisten. Seine Ruhe und Besonnenheit versetzt sie in die Lage, sich eingehend mit dem Regenbogen-Verein zu befassen.

Ulf Speicher war der Leiter der Behindertenbetreuer, Ludwig und Paul haben jetzt alle Hände voll zu tun. Da ist vor allem die quirlige Millionenerbin Sylvia Klein, die sexbesessen ist, aber den Verstand einer Sechsjährigen hat. Sie wurde in diesem Alter missbraucht und dann ins Heim gesteckt. Seitdem setzt sie Sex mit Liebe und Zuwendung gleich. Das geht ihrem Freund Tim Gerlach schon bald schwer auf den Geist, denn sie kennt keine Hemmungen, wenn Tims Kunden – er arbeitet in der Autowerkstatt – zugegen sind. Als er sie von sich stößt, gerät sie in eine seelische Krise.

Zunächst aber setzt sich die Kripo auf die Fährte des erst feindseligen, dann untergetauchten Georg Kohlhammer, dem Bruder des getöteten Ulf Speicher. Der Besitzer einer Möbelmarktkette war der Feind Speichers, weil dieser das Geld des gemeinsamen Erblassers verwalten durfte. Bei Kohlhammer suchen die Kriminalen die Tatwaffe vergebens, ein Kleinkalibergewehr aus dem 2. Weltkrieg. Als Kira von der Tankstelle, die Kohlhammers Freundin ist, anruft, sie habe diese Waffe entdeckt, setzt die Kripo Himmel und Hölle in Bewegung, um den Verdächtigen zu schnappen…

Mein Eindruck

„Meerumschlungen“, wie es in der Friesenhymne heißt, präsentiert sich das Land dem Betrachter. Wir nähern uns dem Land vom Watt her, im Hintergrund tuckern weiße Fähren durchs Bild, überragt von den allgegenwärtigen Windrädern. Schon bald geht’s übern Deich und in die Marsch dahinter, wo Kühe weiden und Radfahrer tot umfallen. Die heile Idylle ist nur Lug und Trug. Das muss nicht nur das Liebespaar im Bungalow von Ulf Speicher feststellen, sondern auch Ann Kathrin Klaasen, deren Mann ihr untreu geworden ist. Paranoia greift um sich, so dass auch sie bald in einer PSYCHO-reifen Après-Dusch-Szene in den Garten und auf den Gehweg dahinter pirscht – Zäune sind hier offensichtlich ebenso verpönt wie Vorhänge.

Ganz anders hingegen die Villa, in der die kindliche Sexbombe Sylvia Klein wohnt: Vorhänge, Möbel, Bilder, Nippes, alles wie aus dem 19. Jahrhundert. Nur merkwürdig, dass hier laufend Bilder verschwinden, um dann auf Online-Plattformen wieder aufzutauchen. Das Verbindungsglied? Kann eigentlich jemand beim Regenbogen-Verein sein. Der Haken: Einer nach dem anderen werden dessen Mitarbeiter abgemurkst. Fazit: Für Klaasen wird die Zeit knapp, denn bald hat sie keine Zeugen mehr.

Wie der junge Kai Uphoff in dieses Muster passt, wird nicht so recht klar, es sei denn, es steckt eine Liebes- und Eifersuchtsgeschichte dahinter. Warum wurde er am Strand nicht erschossen, sondern mit dem Bajonett erstochen? Das uralte Gewehr muss Ladehemmung gehabt haben, sagt die Kriminaltechnik. Kohlhammer ist nicht der Mörder, sagt Klaasens Bauch. Sie sucht weiter. In einem Nebengebäude des Klein-Villa stößt sie auf einen entscheidenden Hinweis auf einem alten Foto…

Der Showdown führt den Zuschauer zurück an den Anfang, dorthin, wo die Marsch endet und das Watt beginnt, also an die Grenze zwischen Land und Meer. Die Paranoia erreicht ihren Höhepunkt, das Drama desgleichen. Wird es Klaasen noch rechtzeitig zum Schauplatz schaffen? Daumen drücken!

Die DVD

Technische Infos

Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DTS-HD 2.0, Deutsche Hörfassung in DTS-HD 2.0
Sprachen: D
Untertitel: D für Hörgeschädigte
Extras: Trailer

Hinweis: Nur die sog. „Killer-Edition“ bietet 80 Min. Bonusmaterial (Doku plus Sticker-Set). Sie sei „nur im stationären Handel“ erhältlich, heißt es in der Werbeeinblendung; mit online einkaufen ist’s also Essig.

Mein Eindruck: die DVD

Das Bild ist wie von einer Blu-ray zu erwarten gestochen scharf, der Tonstandard liegt mit DTS-HD 2.0 in der oberen Mittelklasse. Warum durfte diese Blu-ray keinen 5.1-Surround-Ton erhalten? Eine Frage, die möglicherweise kriminalistischen Spürsinn erfordert. Ich habe sicherheitshalber gleich die Untertitel zugeschaltet. Sie sind aufschlussreich, was die zahlreichen Namen anbelangt, bieten aber keine Offenbarungen. Da hier keine Übersetzung vorliegt, gibt es keine Diskrepanzen zwischen gesprochenem und geschriebenem Wort.

Extra

Der Original-Trailer ist 1:46 Min. lang und bietet die Wende- und Höhepunkte der Handlung, ohne das Finale zu verraten. Seine Aufgabe besteht darin, Appetit auf den Film zu machen. Wer also Informationen und Statements, ja vielleicht sogar das erhoffte Making-of sucht, der muss zur oben erwähnten „Killer-Edition“ greifen und in den nächsten STATIONÄREN Laden laufen – für Stadtbewohner kein Problem, für Landeier hingegen schon. Ironisch: Ausgerechnet die Ostfriesen müssen also extra nach Aurich, Leer oder Emden fahren, um einen Film über sich selbst kaufen zu können, dessen Blu-ray etwas über die Dreharbeiten verrät.

Unterm Strich

Zunächst sieht der Fall nach den Anschlägen eines Serienkillers US-amerikanischer Prägung aus. Da schießt jemand auf unbescholtene Bürger, wenn sie es am wenigsten erwarten. Doch schon die Verwendung eines Bajonetts statt einer Kugel zerstört den Anschein von Professionalität und Kaltblütigkeit – das Bajonett ist nur ein Notbehelf, weil der Schießmechanismus des Gewehr versagt hat. Mit anderen Worten: Jeder Trottel könnte hinter der Mordserie stecken.

Mord Nummer drei macht aber endgültig klar, dass es um die Aktivitäten bzw. Schützlinge des Regenbogen-Vereins geht. Kohlhammer ist eine falsche Fährte, aber das bedeutet noch lange nicht, dass die Auflösung des Falls Ann Kathrin Klaasen förmlich ins gesicht springt. Auch der Zuschauer ist einigermaßen überrascht, dass der Mörder für seine Taten nur eingeschränkt haftbar gemacht werden kann. Am Schluss ist auch der Täter selbst in höchster Gefahr.

Geschickt inszeniert, führt der Fall sowohl die Kommissarin als auch den Zuschauer in Grenzbereiche des Erklärbaren. Dabei ist der gemeinsame Nenner doch in den Opfern zu finden: Liebe und Hass haben ihre eigene Logik, und man muss nur seine emotionale Intelligenz einschalten, um den Zusammenhängen auf die Spur zu kommen. Leider kommt EQ bei hartgesottenen Zynikern wie Inspektor Rupert überhaupt nicht gut an. Schon der Anblick von „Spastis“ und „Mongos“ verursacht ihm Übelkeit; wahrscheinlich würde er alle am liebsten vergasen. Dabei hat er sicher noch nie ein KZ von innen gesehen.

Wie auch immer: Klaasen hat das Herz auf dem rechten Fleck und zögert nicht, dem zu folgen, was ihr EQ ihr eingibt. Der Showdown findet, wie erwähnt, auf der Grenzlinie zwischen Land und Meer, zwischen dem festen Grund und dem unsteten Meer statt, als handle es sich um die Grenze zwischen Verstand und Emotion, aber auch zwischen Leben und Tod. Ausgerechnet hier oder gerade deswegen steht ihr der Geist ihres Vaters zur Seite, der einzige Lotse auf schwankendem Grund. Aber wird das reichen?

Der Krimi ist spannend bis zur letzten Szene, solide inszeniert, gut besetzt und in eine Landschaft eingebettet, die eine Hauptrolle zu spielen scheint.

Die Blu-ray

Neben ausreichend guter Bild- und Tonqualität bietet die Blu-ray wenig mehr: Lediglich einen Trailer zum Film gibt’s als Zuckerle. Da kann man sich auch gleich mit der DVD begnügen. Wer 80 Minuten Bonus will, muss zum Medienhändler in die Stadt fahren, um die „Killer-Edition“ zu erstehen.

[Wertung]

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

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