Sherlock Holmes, der wohl berühmteste Detektiv der Welt. Seine spannenden Abenteuer und seine Persönlichkeit fesseln seit ihrem Erscheinen jede Generation. Unter Holmesianern gilt die aufwändig produzierte Serie als beste Adaption der Geschichten um den Meisterdetektiv. Die 1. Staffel der legendären TV-Serie überzeugt durch erstklassig umgesetzte Bücher und einen Hauptdarsteller, der alle anderen Holmes-Interpreten in der Pfeife raucht: Jeremy Brett.
Die DVD besteht aus einem erstmals veröffentlichten, umfangreichen Buch über die Entstehung der Serie (ca. 77 Seiten), in dessen Deckel vier DVD-Discs eingebettet sind, die 12 Episoden mit einer Gesamtlänge von über zehn Stunden zeigen.
Filminfos
O-Titel: The Case-Book of Sherlock Holmes & The Memoirs of Sherlock Holmes (GB 1990-1993)
Dt. Vertrieb: KochMedia
DVD-Erstveröffentlichung: 2009
FSK: ab 12
Länge: ca. 606 Min.
Regisseure: Tim Sullivan, Sarah Hellings, Peter Hammond u.a.
Drehbuch: diverse
Musik: Patrick Gowers
Darsteller: Jeremy Brett (Holmes), Edward Hardwicke (Watson), Charles Gray (Mycroft Homes) u.v.a.
Handlung von Episode 1: Das Verschwinden der Lady Frances Carfax
Watson schreibt an Holmes, wie gut er sich im Lake District von seinen alten Kriegserletzungen aus Afghanistan erholt. Was für interessante Gäste es in seinem Hotel gibt! Da sind Major Schlessinger, der Held aus dem Burenkrieg (bis 1905), der Südamerika missioniert, gepflegt von seiner Frau, und da ist Lady Frances Carfax, die als einzige nicht die Kutsche zur Kirche nimmt, sondern das Segelboot allein!
Watson beobachtet, wie sie nach dem Sonntagsgottesdienst zurücksegeln will, als ihr Blick auf einen schweigsamen, dunklen Reiter fällt. Bleib weg! ruft sie aufgeregt, verliert im Boot die Kontrolle und fällt in den See! Watson muss hilflos mitansehen, wie sich Major Schlessinger ermannt und todesmutig, trotz seiner angeblich gelähmten Beine, zu ihrer Rettung schwimmt. Klar, dass sie in der Folge ziemlich dankbar ist. Leider auf verhängnisvolle Weise.
Watson hört sie am folgenden Tag mit ihrem Bruder, dem stockkonservativen Earl of Rufton streiten. Sie bettelt um Geld, das er nicht geben will. Vielmehr erinnert er sie daran, wie er sie vor 15 Jahren vor diesem dahergelaufenen Poeten Philip Green bewahrte und ihn nach Australien schickte. Seitdem ist Frances auf ihre Unabhängigkeit bedacht und hat sämtliche Eheangebote, die Rufton ihr vorlegte, ausgeschlagen. Watson ist überrascht, als er von Holmes ein dringendes Telegramm erhält: Lady Carfay in höchster Gefahr! Nicht aus den Augen lassen! Komme selbst!
Bestürzt eilt Watson in die Suite der Lady sie ist ausgeflogen! Auch ihr Boot ist weg. Und Major Schlessinger ebenfalls
Mein Eindruck
An dieser Episode stimmt der Handlungsverlauf kaum noch mit der Vorlage überein. Das muss aber auch so sein, denn was soll an einer Titelfigur, die kaum je auftritt, unterhaltsam sein? Der Spannungsbogen reicht, wie schon der Titel besagt, von Lady Frances Verschwinden bis zu ihrem Wiederauftauchen, unter höchst bizarren und makabren Umständen. Mehr darf nicht verraten werden. Watson und Holmes müssen sich, unterstützt von Philip Green, beeilen, um das Worst Case Scenario zu verhindern.
Es geht um ein um das Jahr 1900 aufkommendes Phänomen: die unabhängige und alleinstehende Frau der besseren Schichten. Sie will sich nicht mehr als Sklavin an einen vertrottelten adeligen Tattergreis verkuppeln lassen, oder als Gebärmaschine dienen, sondern sich selbst verwirklichen, etwas von der Welt sehen und Eigenständiges erreichen. Alles zum Entsetzen ihres Bruders natürlich.
Doch auch ein objektiver Beobachter wie Holmes sorgt sich um das verirrte Huhn, das den Füchsen zum Opfer fallen könnte, weil kein Begleiter als Korrektiv eingreift, um die Lady von einem schrecklichen Irrtum abzugalten. Der Showdown ist spektakulär, und selten hat man in einer Bank solche Raufereien gesehen wie hier. Gut, dass Watson stets einen Revolver bei sich führt!
Handlung von Episode 2: Das Problem der Thor-Brücke
Maria Gibson ist eine leidenschaftliche Brasilianerin, die jedoch mit einem zwar reichen, aber herrschsüchtigen und mittlerweile abweisenden Gatten gestraft ist. Sie verdächtigt ihn, sie mit seiner Gouvernante Grace Durban zu betrügen. Eines Tages lädt sie Grace dazu ein, sie auf der Brücke über den Fluss Thor zu treffen. In der Nacht findet man Maria tot auf der Brücke, mit einem Loch im Kopf. Nigel Gibson, der Goldminenbesitzer, ist erschüttert und beauftragt Holmes, den Fall aufzuklären, vor allem, um die Hauptverdächtige, Miss Durban, zu entlasten. Für Holmes ist sonnenklar, was Gibson standhaft leugnet: ein persönliches Interesse an der jungen Frau.
Was dem Dorfpolizisten und Holmes von Anfang Kopfzerbrechen bereitet ist der Umstand, dass die Tatwaffe, der Revolver, in Miss Durbans Schrankschublade gefunden wurde, es aber noch ein Gegenstück geben muss, das allerdings verschwunden ist. Auch die Gespräche mit Gibson und Miss Durban erbringen keine weitere Klarheit. Bis er Watson, der Gibson verdächtigt, auf der Brücke bittet, sich mal in die Person von Miss Durban als Täterin zu versetzen. Da fällt es Holmes wie Schuppen von den Augen. Es war alles ganz anders!
Mein Eindruck
Aber bis Holmes die raffiniert eingefädelte Tat sinnvoll rekonstruiert hat, bis seine Theorie zu den Fakten passt, vergehen noch etliche Minuten, die den Zuschauer zeuge von mehreren ungewöhnlichen Entdeckungen machen. Was hat Holmes beispielsweise mit einem Steinbrocken, einer Paketschnur und einem Enterhaken vor?
Das Thema der Episode ist die sattsam bekannte Dreiecksgeschichte, die aber diesmal durch die Leidenschaft und Entschlossenheit der Brasilianerin um den gewissen Faktor X bereichert wird. Außerdem erfahren wir am Rande, dass es schon vor 100 Jahren Jäger und Unterstützer der Indios des brasilianischen Urwalds gab, genau wie heute.
Handlung von Episode 3: Shoscombe Old Place
Auf dem Gestüt des Titels werden ausgezeichnete Pferde gezüchtet, in Sonderheit Shoscombe Prince, einen Schimmel, auf dem alle sportlichen und wirtschaftlichen Hoffnungen von Robert Norbertson, dem Hausherrn, ruhen. Doch immer wieder wird er unangenehm an die Tatsache erinnert, dass der gesamte Besitz seiner verwitweten Schwester Beatrice vererbt wurde und er nur ein Art besserer Verwalter ist. So auch heute, als der Londoner Geldverleiher Samuel Brewer aufdringlich Beatrice zu besuchen wünscht, um zu fordern, was rechtmäßig ihr gehört. Nachdem Norberton ihn hinausgeworfen hat, wimmelt er die neugierig gewordene Beatrice ab. Er braucht dringend eine Lösung
In der Baker Street. Norbertons Gestütsverwalter Mason hat Holmes geschrieben, weil Samuel brewer spurlos verschwunden ist. Als er selbst kommt, erklärt er Norberton für verrückt. Er sei tief verschuldet und habe alle Einnahmen auf den Schimmel gesetzt. Brewer war sein Hauptgeldgeber. Gab es ein Verbrechen? Masons Stallbursche hat im Brennofen der Hausheizung etwas gefunden, das Watson als einen menschlichen Oberschenkelknochen identifiziert
Mein Eindruck
Verschwundene Menschen, ein verrückt gewordener Cockerspaniel, eine unheimliche Gruft die Zutaten zu diesem Holmes-Abenteuer sind wieder einmal sehr rätselhaft. Das ist noch gar nichts gegen das regelmäßige Auftreten eines Stallburschen wir erkennen Jude Law in sehr jungen Jahren im Gewand einer Lady. Was hat all dies zu bedeuten? Am Schluss wird klar, dass einem Engländer der Erfolg eines einzigen Pferdes so viel wert sein kann, dass er über Leichen geht
Handlung von Episode 4: Das Rätsel von Boscombe Valley
Holmes lädt Watson auf einer Zugfahrt ins idyllische Herefordshire ein. Dort habe sich ein interessanter Mord ereignet, um dessen Aufklärung er von einer sehr charmanten jungen Dame er gebeten worden sei. Watson erklärt sich bereit, Holmes zu begleiten. In der Tat wird sein medizinisches Fachwissen gefragt sein. Aufgrund seiner militärischen Ausbildung in Afghanistan ist er sofort reisefertig.
In Boscombe leben der Gutsherr John Turner mit seiner Tochter Alice der Auftraggeberin. Turners Land grenzt an das Pachtgut von McCarthy, in dessen Sohn James die gute Alice verliebt ist. Denn sie kennen sich schon seit Jahren, als McCarthy hier auftauchte. Am 3. Juni ging McCarthy zum Boscombe-Teich, der von Wald umgeben ist. Zeugen sahen auch James, seinen Sohn, dorthin gehen, allerdings bewaffnet mit einer Flinte. Wenig später rannte James zum Haus des Verwalters und meldete den Tod seines Vaters. Man habe ihm den Schädel eingeschlagen.
Leider sprechen alle Indizien gegen den jungen Mann, wenn auch Alice ihn für unschuldig hält. Sofort wird er verhaftet und dem Untersuchungsrichter vorgeführt. Aus Holmes Akten geht hervor, erkennt Watson, dass James Weigerung, über den Anlass des Streits mit seinem Vater Auskunft zu geben, gegen ihn ausgelegt wird. Es wird zu einem Prozess kommen. Das möchte Holmes verhindern, denn er hält zu Watsons Erstaunen James McCarthy ebenfalls für unschuldig.
Der Londoner Detektiv Lestrade empfängt sie am Bahnhof. Er ist ebenfalls skeptisch, was Holmes Erfolgsaussichten, James vor dem Galgen zu bewahren angeht. Durch Alice Turner ist zu erfahren, dass ihr Vater strikt gegen ihre Heirat mit James ist, dass aber McCarthy diese Heirat befürwortete. Die beiden Väter hätten sich in Australien kennengelernt, wo Turner eine Goldmine hatte. Merkwürdig, dass McCarthy keinen Penny Pacht zahlen muss, findet Watson. Und noch merkwürdiger kommt es ihm vor, als Lestrade ihnen natürlich nicht im Beisein von Alice verrät, dass James McCarthy bereits mit einer Kellnerin aus Bristol verheiratet sei!
Doch es kommt noch schlimmer, als Holmes und Watson endlich den Tatort persönlich in Augenschein nehmen können und sie auf zahlreiche verräterische Indizien stoßen.
Mein Eindruck
Denn offensichtlich ist es mit Beobachtung und Schlußfolgerung nicht getan. Der Ermittler in der Position des Detektivs muss auch eine moralische Entscheidung fällen. Denn ein rigoroses Vorgehen nach dem Buchstaben des Gesetzes würde lediglich den Fluch der Vergangenheit, der auf Turner und McCarthy liegt, auf die nächste Generation, auf Alice und James, übertragen.
Wie schon in Die fünf Orangenkerne und anderen Erzählungen sind die Hauptfiguren aus den Kolonien nach Merry Old England geflohen, um sich in Sicherheit zu bringen und zur Ruhe zu setzen, während die junge Generation aufwächst. Doch in der Regel holt sie der lange Arm der Vergangenheit wieder wie ein Fluch ein und zieht sie zur Rechenschaft.
Dies ist auch in dem Boscombe-Fall so. Und die Geschichte, die John Turner zu erzählen hat, ist dazu angetan, tiefes Mitleid zu wecken. Hinzukommt, dass Turner von der Zuckerkrankheit schwer gezeichnet ist und nicht mehr lange zu leben hat. Holmes Reaktion ist wohlüberlegt und voll Respekt für seine Auftraggeberin und ihren Vater. Sein Ziel ist eine Art Gerechtigkeit, die nicht pedantisch, buchstabengetreu und blind ist, sondern die Zukunft zu bewahren wünscht. Es ist die Frage, ob heute noch jemand so handeln könnte oder es sich auch nur traut.
In dieser Episode ist der heute so bekannte Schauspieler James Purefoy in der Rolle des schmucken James McCarthy zu bewundern. Außerdem gibt es eine actionreiche Szene mit australischen Straßenräubern zu verfolgen.
Handlung von Episode 5: Der illustre Klient
Eine romantische Bergschlucht, deren Ruhe von einem dahineilenden Mann gestört wird. Sein Ziel ist eine am Boden liegende Dame, deren Kopf er schluchzend in den Arm nimmt. Warum hast du mich umbringen wollen? fragt sie zu seinem Entsetzen. Er beruhigt sie immer noch, als sie ihre Augen zum letzten Mal schließt. Da bemerkt er, dass ein Hütejunge und sein Hund die Szene mit angesehen haben
Holmes und Watson schwitzen ihren Stress im Türkischen Bad aus. Der Detektiv grübelt über einen neuen Fall nach, den ihm Colonel Sir James Damery angetragen hat. Dieser warnte ihn vor dem betrügerischen Baron Gruner, der am Schweizer-italienischen Splügenpass seine Frau umgebracht habe, aber so, dass es wie ein Unfall aussah. Auch der einzige Zeuge sei inzwischen tot. Und nun sei Gruner in London auf der Jagd nach seinem neuesten Opfer: Violet, die Tochter des Generals Merville, hat sich in ihn verliebt. Es seien nur noch sechs Wochen bis zur Trauung. Ein Klient, dessen Name nicht genannt werden solle, bitte Holmes, ein Unglück zu verhindern.
Der Detektiv und sein Freund erkennen bereits in einem ersten Gespräch mit Lady Violet, dass sie ein hoffnungsloser Fall ist. Gruner hat ihr seine ruchlosen Taten sogar selbst geschildert und sich natürlich als Opfer hingestellt. Er führt ein Tagebuch dass sie aus Respekt und im Vertrauen auf seine Aufrichtigkeit nie einsehen wolle. Holmes seufzt. Wozu die Liebe imstande ist!
Da hilft nur eine: Gruners Geheimnis bloßzustellen und dazu wird sein Tagebuch benötigt. Als ein Gehilfe Holmes Kitty, ein früheres Modell, zeigt, begreift er, wozu Gruner imstande ist: Er hat sie mit Vtriolsäure derartig entstellt, dass sie nie wieder ihren früheren Beruf ausüben kann
Mein Eindruck
Der Mordanschlag an Sherlock Holmes führt sofort zu gewaltigen Schlagzeilen in der Sensationspresse, und der Detektiv weiß den Aufruhr weidlich auszunutzen. Er stellt sich krank und schickt Watson zu Gruner. Obwohl Watson weiß, dass er sich in Gefahr begibt, lernt er alles über chinesische Keramik, denn auf diesem Gebiet ist Gruner ein Experte. Während der Sammler abgelenkt ist, schnappt sich Holmes das Tagebuch, dessen Versteck er inzwischen erfahren hat. In einem spektakulären Showdown gelingt es den beiden helden, gruner zu bezwingen und Lady Violet die Augen zu öffnen. Denn das Tagebuch ist kein Journal, sondern ein Bilderbuch mit den Trophäen des Heiratsschwindlers
Diese Episode ist ungewöhnlich spannend und actionreich inszeniert, mit Anschlägen, nächtlichen Überfällen, Säureattacken und einem Schurken, bei dem es einem kalt den Rücken runterläuft, besonders dann, wenn man weiblich ist. Außerdem verblüfft die Schnittechnik, die hier verwendet wird, durch einige spannende Effekte: Eine Entdeckung wird hinausgezögert, Simultaneität erzeugt, Gegenüberstellungen assoziiert und vieles mehr.
Handlung von Episode 6: Der Mann mit dem geduckten Gang (The creeping man)
Oktober 1902. Edith Presbury erwacht nächtens von einem seltsamen Geräusch an ihrem Fenster im ersten Stockwerk: Eine unheimliche Silhouette ist vor dem Fenster zu sehen. Ihre Schreie wecken die anderen Bewohner des Hauses, ihren Vater, den Professor, und dessen Assistenten Bennett, ihren Verlobten. Während Daddy ihre Schilderung als Phantasterei abtut, stellt sie Bennett vor eine Wahl: Entweder holt er Hilfe oder sie löst die Verlobung auf.
Holmes erkennt Bennetts Dilemma sofort: Glaubt er Edith, dann wirkt er bei seinem Arbeitgeber lächerlich, und gehorcht er diesem, gibt Edith ihm den Laufpass. Keine beneidenswerte Lage, indeed. Es wundert Holmes nicht, dass Bennett einen Rückzieher machen will, doch er insistiert. Etwas steckt hinter dem nächtlichen Störenfried der Lady, und er will herausbekommen, was dort umgeht. Zudem sei Prof. Presbury mit der dreimal jüngeren Alice Morphy verlobt, daher sei das Glück von gleich zwei Familien betroffen.
Und dann ist da noch die Sache mit dem knurrenden Hund, stellt Holmes fest, als er das Anwesen mit Watson besucht. Knurrt Roy, ein furchteinflößender irischer Wolfshund, wirklich sein eigenes Herrchen an? Der hat Roy an die Kette legen lassen. Später fragt Holmes den Kutscher Presburys darüber aus: Es habe bereits DREI nächtliche Attacken gegeben, bei denen Roy anschlug. Holmes ist überzeugt, dass Edith in großer Gefahr ist. Aber durch was?
Ein heimlicher Besuch in Presburys Arbeitszimmer erbringt den ersten Hinweis auf einen gewissen Dorak, von dem der Naturforscher regelmäßig Päckchen erhält und in der Nacht danach erfolgen die Attacken. Watson will den Laden Doraks erforschen, wird aber rüde zurückgewiesen, die offenbar keinen Schnüffler hier wollen. Dem Arzt fällt der merkwürdige Tiergeruch auf. Könnten die Affendiebstähle, von denen die Zeitung berichtet, in Zusammenhang mit Doraks dunklen Machenschaften stehen?
Da hilft nur eines, um Klarheit zu schaffen: Sie müssen bei Dorak einbrechen. Was liefert der Mann einem angesehenen Naturforscher?
Mein Eindruck
Zuerst dachte ich natürlich an Edgar Allan Poes berühmte Affengeschichte Die Morde in der Rue Morgue. Darin tötet ein abgerichteter Orang-Utan zwei Frauen auf höchst blutige Weise. Doch schon bald geht der Fall in eine ganz andere Richtung, die mehr mit verbotener Anwendung von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu tun hat. Der Professor ist Spezialist für das Verhalten von Primaten-Affen. Er schreckt offenbar nicht davor zurück, im Zuge seiner Forschung Selbstversuche anzustellen
Was jedoch noch viel schauerlicher ist: Zum Onjekt seiner Selbstversuche hat sich der professor seine eigene Tochter auserkoren! Wer hätte es für möglich gehalten, dass ein angesehener Schriftsteller der Viktorianer einmal über Inzest schreiben würde
Handlung von Episode 7: Die drei Giebel (CD 3: Beginn der 4. Staffel mit dem Titel The Memoirs of S.H.)
PROLOG: Eine Dame gibt ihren bisherigen Geliebten den Laufpass und nimmt einen neuen. Der Verflossene wird von ihren Handlangern mit Tritten und Hieben traktiert seine Liebe wandelt sich inj brennenden Hass. Als er in das titelgebende Haus seiner Großmutter zurückkehrt, ist er ein kranker und gebrochener Mann, dem nur noch eines im Leben zu tun bleibt: seine Biografie zu schreiben, in der Hoffnung, seine hier formulierte Rache möge die Vernichterin seines Lebens dereinst einholen
Als Watson und Mrs Hudson Holmes Zimmer betreten, werden sie erstaunt Augenzeuge, wie ein stämmiger Boxer den Meisterdetektiv in die Mangel nimmt. Dixie warnt Holmes, er solle sich von Harrow fernhalten. Aber Holmes pariert: War Steve Dixie, der Boxer, nicht in den Mord in dieser Bar in Holborn verwickelt? Stevie hat ein Alibi, dann geht er. Dixie gehört zur Bande von Spencer John, der wiederum Barney Stockdale gehorcht.
Es geht um einen Brief aus Harrow Weald, einem Haus namens The Three Gables, und deren Bewohnerin Mary Maberley. Mary ist die Großmutter des armen Douglas, der vor einem Monat starb, nachdem er das Manuskript vollendet hatte. Starb er wirklich an Lungenentzündung, wie der Arzt im Totenschein schreibt?
Mary macht sich Sorgen wegen eines Hausmaklers, der ihr Häuschen samt Inventar zu einem völlig überhöhten Preis kaufen will und dieses Inventar dürfe sie nur mit Erlaubnis des Käufers entfernen. Ist das nicht höchst merkwürdig? Indeed. Holmes ertappt die Bedienstete Susan beim Lauschen. Auf seine Fragen antwortet sie, dass eine reiche Frau dahinterstecke. Nach nur drei Wochen Dienstzeit kündigt Susan sofort ebenfalls sonderbar.
Douglas schrieb im Gartenhaus. Dort stoßen Holmes und Watson inmitten von Verwüstung auf einen Schreibtisch, in dem sich ein interessantes Medaillon findet: Es enthält eine dunkelbraune Locke, doch das obligatorische Foto einer Dame weist ausgestochene Augen auf.Doch wer ist sie?
Um Antwort auf diese Frage zu erhalten, sucht Holmes den Klatschkolumnisten Langdale Pike auf. Es handle sich um Isadora Klein. Und sie werde bald den Duke of Lomond ehelichen, wenn nichts dazwischen komme. Doch als Holmes sich diese Lady mal genauer anschauen will, macht er Bekanntschaft mit Schlägern, die noch übler sind als Steve Dixie. Und schon bald findet sich ungebetener Besuch im Haus zu den drei Giebeln ein. Doch Watson hält Wacht!
Mein Eindruck
Isadora Klein ist zwar nicht Irene Adler, doch sie teilt mit ihr zweifellos die Entschlossenheit und Intelligenz, die die einzige Frau aufwies, die Holmes je geschlagen hat. Und Klein ist sicherlich ein ebenso deutscher Name wie Adler. Überhaupt neigen die Schurken in den Holmes-Abenteuer eher dazu, Deutschsprachige und Amerikaner zu sein als etwa Franzosen oder Niederländer. Über die Ursache dieser Auswahl kann man trefflich spekulieren. Könnte es daran liegen, dass Kaiser Wilhelm II ein enger Verwandter von Königin Viktoria war?
Wie auch immer: Es kommt zu der unausweichlichen Konfrontation zwischen Holmes und Isadora. Sie ist eine Hochstaplerin und Heiratsschwindlerin par excellence. Gut, dass Langdale Pike so viele Details über ihre wahre Herkunft weiß. Doch noch streckt die zweifelhafte Lady ihre Waffen nicht, will sie doch in den britischen Hochadel einheiraten. Holmes muss schwereres Geschütz auffahren: eine Seite aus der Biografie mit einer schwer belastenden Zeile!
Unterdessen erfreut diese Episode mit einigen nächtlichen Aktionen, in deren Verlauf Watson alias Edward Hardwicke zeigen kann, wie sportlich er noch ist (er sieht aus, als wäre er schon jenseits der Sechzig). Einer der optischen Höhepunkte ist ein Kostümfest auf Schloss Lomond, auf dem die Gäste das 18. Jahrhundert auferstehen lassen. Außerdem hat sich Regisseur Peter Hammond mit optischen Tricks und Gimmicks beholfen: Spiegel, Buntglasfenster, Reflexionen sollen wohl das Verwirrspiel und / oder die Spiegelfechterei zwischen Holmes und seine Gegnerin versinnbildlichen.
Handlung von Episode 8: Der Detektiv auf dem Sterbebett
Lady Adelaide traut sich nach langem Zaudern und Zögern endlich in Holmes Junggesellenwohnung, um ihn um Hilfe zu bitten. Sie sorgt sich um ihren Bruder Victor Savage, einen Finanzier bei der Bank Oxford & Lombard (die in den Holmes-Geschichten ständig auftaucht). Doch in letzter Zeit verprasse er sein geld in Opiumhöhlen und sei süchtig geworden: Das Rauschgift sollte ihm zunächst helfen, seine Kreativität zu wecken, um dichten zu können, doch jetzt sei er ihm verfallen.
Watson weiß über die Schrecken, die einen Junkie heimsuchen, Bescheid. Doch Adelaide verdächtigt ihren Cousin Culverton Smith, Victor zu dieser Sucht verführt zu haben, um ihn, sobald er gestorben sei, zu beerben und Adelaide samt Kindern auf die Straße zu setzen. Was für ein grausames Schicksal! Holmes und Watson beschließen, es abzuwenden.
Es ist ein unterhaltsames Abendessen bei den Savages, findet Holmes, doch es endet furchtbar: Victor bricht bewusstlos zusammen. Er stirbt im Krankenhaus nach einem Anfall Sumpffieber. Wie sonderbar, findet Holmes. Als er Culverton Smith danach fragt, stellt sich heraus, dass Smith ein Experte für Sumpffieber ist und ein Standardwerk darüber geschrieben hat. Holmes gibt den Polizisten einen Tipp, wonach sie zu suchen haben. Professor Penrose Fisher findet an Victors Hals einen verdächtigen Insektenstich
Mein Eindruck
In dieser Episode ist Sherlock Holmes dem Tode nahe! Ein Sumpffieber, das Mr Smith sicher nicht unbekannt ist, hat ihn niedergestreckt. Dunkle Ringe umgeben seine Augen, seine Haut ist käsig und schweißbedeckt sicherlich wird er demnächst den Löffel abgeben. Doch all dies ist nur Tarnung zu einem einzigen Zweck: den tödlichen Widersacher zu täuschen
Der Showdown ist nicht extrem spannend und durchaus actionreich. Um ein Haar gelingt es dem Verbrecher, sich durch Selbstvergiftung der gerechten Strafe zu entziehen. Doch einer packt rechtzeitig zu: Holmes oder Watson?
Handlung von Episode 9: Das goldene Pince-Nez
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PROLOG: Die Nihilisten demonstrieren in Moskau gegen die ungerechten gesellschaftlichen Zustände. Doch sie werden von der berittenen Garde des Zaren gnadenlos beschossen und niedergetrampelt. Eine junge Demonstrantin kommt mit dem Leben davon, wird aber später in ihrer Wohnung festgenommen
Mycroft besucht gerade seinen Bruder, als Inspektor Hawkins eintritt. Ein Mann sei im kentischen Yoxley getötet worden, aber der Grund sei unklar. Es ist ein gewisser Willoughby Smith, der als Assitent des Theologieprofessor Coram in Yoxley Old Place an der Niederschrift eines Buches arbeitete. Smith hatte keine Feinde, soweit bekannt. Allerdings fand das Hausmädchen Susan Tarlton Smith auf dem Boden eines Zimmers, erstochen mit einem Brieföffner und aus dem Hals blutend. Seine letzten Worte waren rätselhaft: Der Professor es war sie In seiner Hand hielt er ein goldenes Pince-Nez, einen Kneifer.
Die tüchtige Kripo hat bereits die Fluchtwege geprüft, und als Holmes den Tatort in Augenschein nimmt, fallen ihm sofort die Kratzer am Schloss des Sekretärs auf: Jemand wollte es aufbrechen, hat also Papiere gesucht. Den Schlüssel habe der Professor, sagt die Haushälterin Mrs. Marker. Rätselhaft ist besonders Susans Aussage, sie haben niemanden in den beiden Korridoren zwischen Vorder- und Hintertür kommen oder gehen sehen. Die Gestaltung der zwei Gänge ist identisch, wundert sich Holmes. Man könnte sich glatt verirren
Das Zimmer, in dem der gelähmte Professor im Bett liegt, ist stickig vor Zigarettenqualm. Er lasse alle zwei Wochen tausend Stück aus Alexandria kommen, sagt er. Er ist der Ansicht, Smith habe Selbstmord begangen. Mycroft erinnert seinen Bruder an die Worte ihres gemeinsamen Vaters über die Wahrheit und das Unmögliche. Dann gibt er ihm seine Schnupftabaksdose ein wertvoller Hinweis und geht.
Mycroft folgt einem Hinweis in Smiths Tagebuch: Abtei 7:30 (p.m.). Tatsächlich stellt sich dies als die Öffnungszeit für eine Veranstaltung der Suffragetten in Yoxley heraus. Miss Abigail Crosby ist die energische Rednerin der Frauenrechtlerinnen und sie trägt ebenfalls einen Kneifer… Da Susan Tarlton in der Versammlung ist, fragt er sie nach der Beziehung Smiths zu Abigail Crosby. Sie gibt zu, dass da was war und es Streit gab. Wenig später wird Abigail Crosby verhaftet.
Doch Sherlock hat eine ganz andere Theorie, und sie erklärt auch das Interesse des mutmaßlichen Einbrechers
Mein Eindruck
Diese Episode wartet mit etlichen ungewöhnlichen Überraschungen auf: verschwundene Einbrecher, die wieder auftauchen; unbekannte Männer in einem Baum im Garten; ein Gelähmter, der womöglich alle täuscht, und natürlich eine Dreiecksgeschichte. Vor allem aber ist es der interessante Hintergrund des Vorabends der Russischen Revolution, der mich fesselte. Ich hatte schon von der ersten Revolution anno 1905 gehört, von bombenlegenden Anarchisten und Nihilisten. Wollte Doyle, der Autor, vor solchen Zuständen warnen?
Die Frauenrechtlerinnen sind in dieser Geschichte zwar keine Bombenleger, aber die gab es wirklich, auch in England: Emmeline Pankhurst war die bekannteste unter ihnen (siehe meinen bericht über das Glorious Book for Heroes). Dass Doyle sie zum Thema machte, finde ich ebenfalls interessant, denn es widerlegt das Vorurteil, alle Viktorianer seien weltfremde Konservative gewesen. Dabei brodelte es im britischen Weltreich an allen Ecken und Enden, nicht zuletzt auch im Mutterland selbst.
Sehr witzig ist ein Einwurf des Inspektors in der Suffragettenversammlung: Was kommt als nächstes, herrje? Womöglich weibliche Polizisten oder gar Politiker? Und das nur wenige Jahre nach Margaret Thatcher!
Handlung von Episode 10: Der rote Kreis (Beginn von CD 4)
PROLOG: Vor einer Haustür geschieht ein Mord. Kurze Zeit später flüchtet ein junges Paar durch das Zimmerfenster. Fäuste hämmern bereits an die Zimmertür. Die Polizei? Eine Kutsche rast zum Kai, wo die Ozeandampfer ablegen. Gleich darauf sehen wir das junge Paar in seiner Kabine an Bord des Schiffes, das gleich ausläuft. Der Verfolger mit dem zerfurchten Gesicht hat abermals das Nachsehen. Aber wird er sich durch diesen kleinen Rückschlag aufhalten lassen? Er sieht nicht so aus
Mrs Hudson hat eine Freundin, und Mrs Warren wendet sich nun an Sherlock Holmes, Mrs Hudsons Mieter. Mrs Warren hat ebenfalls einen Mieter, aber einen, der seit einer Woche nicht mehr aus seinem Zimmer gekommen ist. Zwecks Kommunikation legt er einsilbige Zettel vor die Tür und lässt sich sein Essen vor die Tür stellen. Was soll man davon bloß halten, hm? Aber sie hat zwei Hinweise: Er spricht mit italienischem Akzent und hatte auf seinem Aufkleber ein Etikett der New Yorker White Star Linie.
Als Watson den Italiener Emilio Firmani besucht, der viel für die italienische Gemeinde in London getan hat, fällt sein Blick auf einen Zeitungsausschnitt: Italienischer Geschäftsmann in New York City ermordet. Watson lässt das Clipping klammheimlich mitgehen. Firmani gibt vor, von nichts zu wissen. Bei Holmes liest Watson: Der Mord geschah vor acht Wochen, tatverdächtig ist die kriminelle Gesellschaft Der rote Kreis, wegen der entsprechenden Signatur am Tatort. In diesem Zusammenhang werde der Attentäter Giogriano gesucht.
Holmes befürchtet, Watson habe durch seinen Besuch Firmani unwillentlich in Gefahr gebracht. Als Holmes die Oper betritt, in der Firmani als Beleuchter arbeitet, ist die Polizei schon da. Das sieht nicht gut aus. Inspektor Hawkins sagt, Firmani sei vor zwei Stunden umgebracht worden. Doch wieso sollte Firmani etwas von dem italienischen Untermieter Mrs Warrens gewusst haben? Wegen dieses Wissens bedrängte und tötete ihn ja der Killer, der höchstwahrscheinlich Giorgiano ist. Und wie so oft denkt Holmes an die Kleinanzeigen. Bingo: Jemand hat Mrs Warrens Untermieter Botschaften geschickt wer ist es?
Die Geschichte beginnt gerade erst mit Gefahren für alle Beteiligten!
Mein Eindruck
Mannomann! Ein Mafiafilm von Scorsese oder Coppola könnte nicht spannender sein! Des Rätsels Lösung führt Holmes, Scotland und Watson mitten in eine explosive Gefahrenszene, gar nicht weit entfernt von der Baker Street. Im Mittelpunkt steckt das verfolgte Pärchen, das von dem Killer Giorgiano gesucht wird. Weiß es zuviel? Ist der Mann ein Verräter am roten Kreis? Wir wollen es unbedingt erfahren.
Die Inszenierung wird durch den ständigen Szenewechsel und die schnellen Schnitte zu einem wahren Action- und Detektivthriller. Das hat Tempo, Biss und Gewalt. Wer schwache Nerven hat, sollte diese Folge großräumig umfahren.
Handlung von Episode 11: Der Mazarin-Stein (unter Verwendung von Die drei Garridebs)
Nachdem sein Bruder Sherlock sich in die schottischen Highlands veranschiedet hat, um eine Besessenheit loszuwerden, übernimmt Mycroft allein den Fall des gestohlenen Mazarin-Diamanten. Mit 110 Karat ist der Klunker größer als der Hope-Diamant, aber im Museum von Whitehall nur schwach bewacht. So schwach, dass ein Einbrecher nur einen Wachmann nieder- und die Scheibe einzuschlagen bracuhte, um den Edelstein zu entwenden. Keine Alarmanlage, kein Panzerglas nichts. Eine Schande!
Da der Stein der Queen gehört, schaltet der Premierminister Holmes ein, und da Sherlock gerade über die Hochmoore trottet, macht sich Mycroft an die Arbeit. Schon bald fällt sein Verdacht auf den letzten Besucher des Museums, Graf Negretto Sylvius, einen Hochstapler und Lebemann. Als er diesen in seinem Domizil besuchzt, übt er gerade mit antiken Pistolen Schießen. Nach ein Austausch von fiesen Nettigkeiten verfehlt eine antike Kugel Mycrofts Kopf nur um Haaresbreite. Die Botschaft ist angekommen.
Verwirt wird Mycroft ein wenig durch das Anliegen zweier Schwestern vom Lande, die von einem Mr John Garrideb, einem Amerikaner, in einer Erbschaftsangelegenheit aufgesucht worden seien. Er wollte Nathan Garrideb, ihren etwas versponnenen alten Bruder, besuchen. Jetzt fehle nur noch ein Garrideb in England, dann könne die Erbschaft von 15 Mio. Dollar ausbezahlt und aufgeteilt werden, strahlt der Fremde. Die Ladies trauen dem Braten nicht. Mycroft schickt Watson hin, dem der Besucher schon bald verdächtig vorkommt
Mein Eindruck
Diese Episode wurde erstens massiv gegenüber der Vorlage verändert und zweitens mit dem Fall Die drei Garridebs kombiniert. Das dürfte Sammler, die glauben, schon alles von Holmes zu kennen, etwas neugierig machen. Herausgekommen ist eine höchst ungewöhnliche Folge: Holmes glänzt fast vollständig durch Abwesenheit er sei in den Highlands und so bringen Mycroft und Watson den Verbrecher allein zur Strecke.
Der Trick ist der, dass es durch die Kombination zweier Fälle auch zwei Schurken zu jagen gibt. Folglich gibt es auch einen doppelten Showdown. Für abwechslungsreiche Spannung und Action ist also bestens gesorgt. Nie zuvor habe ich Charles Gray, den Mycroft-Darsteller, derart bedrohlich und kompetent wirken sehen. Die Frage lautet aber bis zum Schluss: Wird er den Stein wiederfinden?
Handlung von Episode 12: Die Pappschachtel
Miss Susan Cummings wendet sich sorgenvoll an Holmes, doch dem gehen gerade die seltsamen Leichenräubereien in Nord-London im Kopf herum. Es sind immerhin schon drei Fälle, die Inspektor Hawkins aufgezählt hat. Und er lud Holmes zur bevorstehenden Weihnachtsfeier des Scotland Yard ein. Mein Gott, auch das noch! Was soll er bloß für Geschenke kaufen?!
Susan sorgt sich um ihre Schwester Mary, die einen Seemann namens Jim Browner geheiratet hat und jetzt eigentlich glücklich verheiratet in der Hafengegend wohnen sollte. Aber seit einer Woche habe sie sie nicht gesehen, auch ihre zweite Schwester Sarah wisse von nichts. Holmes schickt Susan gnadenlos weg. Watson denkt sich seinen Teil.
Weihnachtsabend, der 24. Dezember. Es ist ein schönes Weihnachtsfest bei Susan Cummings, und der Pfarrer Mr Bradbrook ist auch gekommen, wie nett. Er fragt sie nach Sarah, doch die fehlt. Susan öffnet die Pappschachtel, für die sich ihr Hund so interessiert hat. Zuerst sieht sie bloß Salz, doch dann erkennt sie, was diese seltsamen Gebilde darin sind sie fällt in Ohnmacht.
Als Inspektor Hawkins Holmes und Watson von dem Zwischenfall bei Susan Cummings unterrichtet, machen sie sich schwere Vorwürfe. Sie hätten Susans Anliegen ernstnehmen sollen statt zur Weihnachtsfeier der Cops zu gehen. Sie gehen zu Susan und nehmen die Pappschachtel in Augenschein: zwei abgeschnittene Ohren liegen darin, aber nicht vom gleichen Menschen, sondern verschieden. Bei einem davon fehlt ein Ring Marys Ohr?
Susan ist sicher, dass Sarahs belgischer Freund, der Medizinstudent Marcel Jacottet, dahinterstecken müsse. Doch die Ohren riechen nicht nach Formaldehyd, sind also nicht aus einem Sezierraum. Stecken die Leichenräuber dahinter? Holmes gibt der Knoten um die Papschachtel zu denken: es ist ein Seemansknoten
Mein Eindruck
Dieser Fall ist ein ergreifendes und verzwicktes Liebes- und Eifersuchtsdrama. Ciaran Hinds, der in der Serie ROM später den Julius Caesar spielen sollte, gibt hier auf glaubwürdige Weise den Seemann, der vom Glauben an seine Frau abgefallen ist, weil eine zweite Frau ihn haben will. Diese zweite Frau bildet zweiten Pol des Bösen mehr darf nicht verraten werden. Aber sie verursacht so viel Unheil, dass ihre ganze Familie ins Unglück stürzt, und sie weiß sehr wohl, was die abgschnittenen Ohren zu bedeuten haben.
Ciaran Hinds hat Visionen seiner Frau Mary und ihres Liebhabers. Diese Vorstellungen sind trickreich mit Spezialeffekten und einem unterschwellligen Herzschlag umgesetzt. Besonders der Schluss ging mir zu Herzen: Lange suchen Holmes, Watson und Hawkins im Schnee des Nordens nach den leichen von Mary und ihrem Lover. In einem Kanal werden sie fündig: Und Mary starrt sie noch genauso entsetzt an wie im Augenblick ihres Todes
Das BUCH über die dritte und die vierte Staffel
Das Buch ist der letzte Auszug aus Michael Cox 1999 veröffentlichtem Buch A Study in Celluloid: A Producers Account of Jeremy Brett as Sherlock Holmes ein etwas sonderbarer Titel. (Die zwei vorhergehenden DVD-Boxen enthalten die restlichen Seiten, so dass der Sammler schließlich ein komplettes Buch erhält.)
Das Buch umfasst schätzungsweise 77 nicht nummerierte Seiten. Zehn bis 20 Prozent davon entfallen auf sehr schön reproduzierte Farbfotos von wichtigen Figuren (Holmes etc.) sowie Szenen. Der Text an sich stammt von Michael Cox, der die vier Staffeln 1991-1993 für Granada Television produzierte.
Lückenhafte Angaben
Michael Cox liefert Hintergrundinformationen zu allen zwölf Episoden, doch die technischen Angaben erstrecken sich nicht auf das Personal und nicht auf Episodenlänge oder Entstehungszeit. Auch den Originaltitel sucht man vergeblich, was den Zuschauer mitunter in eine missliche Lage versetzt: Der Film setzt ihm den englischen Titel vor (den deutschen in den Untertiteln), die CDs und das Buch liefern aber nicht diese, sondern die deutschen Titel. Beide in Einklang zu bringen, ist ihm überlassen. Viel Erfolg!
Mein Gesamteindruck von allen Folgen
Sicherlich trägt der Hauptdarsteller jeden Sherlock-Holmes-Film, und in dieser Hinsicht musste sich Jeremy Brett einigen beeindruckenden Vorgängern stellen (wozu ich nicht unbedingt Hans Albers zähle). Brett kann aber auch Pluspunkte verbuchen: Er ist Theaterschauspieler, kann sich also jederzeit glaubwürdig bewegen und artikulieren. Er verleiht seiner Holmes-Darstellung einige markante Züge, fügt hier ein paar Macken hinzu das mokante Zucken der Mundwinkel beispielsweise nimmt dort ein paar lächerliche Attribute weg, so etwa die überdimensionale Krummpfeife.
In den letzten beiden Staffeln wandelt er sich vom Deduktionsmonster zu einem Menschenfreund, dessen Aufgabe es häufig ist, einen Justizirrtum zu verhindern oder vergangenes Unrecht auszugleichen. Hardwicke spielt dabei als Watson seinen ebenso aktionsbereiten Helfer wie auch sein gutes Gewissen, das an seine Gefühle appelliert. Leider lernen wir Watsons Frau Mary nie kennen.
Werte
Die allerletzte Episode Die Pappschachtel belegt wieder einmal, wie außergewöhnlich gut die vierte Staffel geraten ist. Sie überragt meines Erachtens die ersten beiden Staffel um einiges an dramaturgischer (bessere Drehbücher), optischer (zahlreiche Effekte) und schauspielerischer Leistung (Ciaran Hinds sowie Gray, Brett & Hardwicke). Von der gewohnt guten Ausstattung und den Kostümen ganz zu schweigen diese Produktionswerte gelten für die gesamte Serie aus vier Staffeln.
Musik
Hier soll endlich auch einmal ein Wort über den Komponisten Patrick Gowers verloren werden. Ich wurde mir beim Anschauen zunehmend der Bedeutung der Musik bewusst. Gowers ist kenntnisreich in der Musikgeschichte und kennt offenbar die viktorianische Ära aus dem Effeff. Vielseitig setzt er Stile, Instrumente und Motive ein, von romantisches Quartett und einem Trauermarsch bis hin zu fröhlichen Märschen für den Sonntagspark. Vielfach setzt er eine ausdrucksvolle Sologeige ein (sicher nicht jene, die Holmes malträtiert), aber auch sehr melancholische Vollesembles. Regisseure und Autoren kommen und gehen, Gowers bleibt. So prägt er den stilistischen Ausdruck der gesamten Serie.
Werktreue & Sammelwert
Ich bin kein Holmes-Fan, kenne aber zahlreiche seiner Fälle aus Hörbüchern. So kann ich zumindest beurteilen, wie werkgetreu diese TV-Filme sind. Es sind wohl die werkgetreuesten auf dem gesamten Markt. Inzwischen liegen auf DVD sämtliche vier Staffeln vor. Der Sammler sollte sich möglichst alle drei Boxen sichern, um das Buch von Cox komplett zu erhalten.
Die DVD
Technische Infos
Bildformate: 4:3
Tonformate: D in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras: BUCH (s.o.)
Mein Eindruck: die DVDs
Die Filme wurden digital neu gemastered. Das war wohl auch sehr notwendig, denn selbst jetzt noch sieht man die Körnung des 1990-93 verwendeten Filmmaterials aber sie ist feiner als zu Beginn anno 83. Was mir immer wieder missfallen hat, waren die grünlichen Töne im grauen Teint der Figuren, besonders in der ersten Staffel. Besonders die Haut von Jeremy Brett erinnerte des öfteren mehr an die einer Wasserleiche als an die eines Lebenden die Episode Der sterbende Detektiv natürlich ausgenommen. In den eletzten beiden Staffeln wirkt der Teint der Hauptfiguren wesentlich natürlicher.
Der Sound hat ebenfalls nicht gelitten, denn er erklingt glasklar wenn auch nur in Dolby Stereo. In ferner Zukunft wird es vielleicht mal eine Sechs-Kanal-Aufnahme geben, allerdings mit einer anderen Synchronisation. Man vergleiche dazu auch die Verschlimmbesserungen an David Lynchs Der Wüstenplanet (von dem zu hören ist, dass es ein Remake geben soll).
Untertitel
Ich empfehle dringend, alle Folgen mit eingeschalteten Untertiteln anzusehen. Das ist bei einigen Episoden zwar obligatorisch (wegen OmU), aber auch das Verständnis der anderen Episoden profitiert von den Untertiteln. Hier sind die zahllosen Namen richtig geschrieben, manchmal ist sogar mehr zu lesen als gesprochen wird.
Verpackung
Die Discs stecken im Buchumschlag, allerdings nicht in Taschen, sondern in normalen Plastikbetten, indie man sie von oben hineinpresst. Der Transport ist also sicher. Im hinteren Umschlag liegen zwei Discs übereinander auch kein Problem. Das Buch ist dazwischen geheftet.
Das Navigationsmenü ist schnörkellos. Man kann entweder alle Episoden pro CD auf einen Schlag abspielen oder einzelne auswählen, auch mit Kapiteln und Untertiteln. Bonusmaterial gibt es in digitaler Form keine, aber sie sind durch das Buch beinahe gleichwertig ersetzt. Dafür gibt es wenigstens keine lästige Werbung.
Unterm Strich
Die Episoden
Zu den hier gesammelten Episoden zählen recht bekannte wie etwa Der Mazarin-Stein und Das Verschwinden der Lady Frances Carfax, aber am besten gefielen mir die actionreichen Episoden wie etwa Der rote Kreis oder sehr emotionale wie Die pappschachtel. Hier hat Ciaran Julius Caesar einen eindrucksvollen Auftritt als reuiger Seemann.
Schmerzlich vermisst werden Das Musgrave-Ritual oder Das Marineabkommen. Der Sammler sollte auf der DVD-Box der vorhergehenden ersten und zweiten Staffeln danach Ausschau halten (siehe meien Berichte dazu). London im Nebel, Das Zeichen der Vier und Die fünf Orangenkerne wurden leider überhaupt nicht verfilmt, von Das Tal der Furcht (ein Moriarty-Abenteuer) ganz schweigen. Es ist eine Affenschande.
Das Buch und die DVD
Für rund 30 Euronen erhält der Holmes-Freund über zehn Stunden an Filmen mit seinem größten Idol und als Zugabe im Vergleich zu einer VHS ein Buch, das mit Fotos und vielen Hintergrundinfos aufwartet. Preis und Leistung erscheinen mir in einem angemessenen Verhältnis vorzuliegen. Andere Verlage hätten locker zehn Euro draufgeschlagen.
[Wertung]
Mima2016: (5 / 5)