Eddie „Fitz“ Fitzgerald ist Psychologieprofessor und Profiler. Hier arbeitet er an zwei neuen Fällen.

Fall 1: Weiße Teufel (ca. 100 Min.)

Fitz ist auf einer harmlosen Vortragsreise in Hongkong. Die hiesige Polizeibehörde bittet ihn, bei der Untersuchung einer Mordserie zu helfen. Gemeinsam mit Kollege Wise und der chinesischen Polizistin janet Lee kommt Fitz auf die Spur eines Landsmanns, dessen Geschäfte in der Metropole alles andere als gut laufen.

Fall 2: Nine Eleven (ca. 109 Min.)

Es sollte eine Stippvisite nach Manchester werden, um die Hochzeit der gemeinsamen Tochter zu feiern. Doch schon bald findet sich Fitz beim Polizeichef der Stadt ein. Er soll helfen, den nebulösen Mord an einem Amerikaner aufzuklären, der in Verbindung mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zu stehen scheint.

Filminfos

O-Titel: Cracker (GB 1996/2006)
Dt. Vertrieb: Koch Media
FSK: ab 16
Länge: ca. 256 Min.
Regisseur: Richard Standeven (Weiße Teufel), Antonia Bird (Nine Eleven)
Drehbuch: Paul Abbott (Weiße Teufel); Jimmy McGovern (Nine Eleven)
Musik: Rick Wentworth
Darsteller: Robbie Coltrane u.a.

Handlung von „Weiße Teufel“

Auf seine eigentümlich schräge Weise hält Fitz 1996 – also ein Jahr vor der Rückgabe der Kolonie an China – einen Vortrag über Psychologie an der Uni von Hongkong. Zwei Kommissare sind im Publikum: Cheung und ihr Vorgesetzter Ellison, den sie nach der Rückgabe ablösen soll. Der Übergang soll natürlich reibungslos verlaufen, doch ein neuer Fall scheint Ellison einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er wird nervös und neigt zu den falschen Entscheidungen, um seinen Hintern zu retten.

Der Brite Dennis Philby steckt tief in Schulden, als sein bisheriger Freund Peter Yang anbietet, seine Firma zu kaufen. Dennis will aber keinen schmachvollen Ausverkauf an die Chinesen, sondern mit seiner schwangeren Verlobten Su Lin Tang zurück in die Heimat: um vor seinem Vater als gemachter Mann aufzutreten, der es im Ausland zu etwas gebracht hat. Daraus wird nichts: Peter Yang stirbt. Und ebenso der Arzt, der bereit war, an Su Lin eine Abtreibung vorzunehmen. Um Su Lin, der er seine Schwierigkeiten offenbart, vom Abtreiben abzuhalten, sperrt er sie kurzerhand in einen Schiffscontainer….

Ellison und Cheung bitten Fitz um Mithilfe, denn sie sind völlig auf dem Holzweg, was das Profil des Mörder im Fall Peter Yang angeht. Er sagt ihnen gleich, dass dieser Tatort so hergerichtet wurde, dass er wie nach einem Raubüberfall aussah. Und dass die gefesselten Hände Peter Yangs aussehen, als würde er beten, lässt auf einen Europäer als Täter schließen, der weiß, was beten heißt, also auf einen Christen. (Fitz selbst ist Katholik.) Und da die meisten weißen Europäer, die sich in Hongkong auskennen, britischer Herkunft sind, sollte es leicht sein, im Umfeld Peter Yangs entsprechende Leute auszumachen. Schnell taucht der Name Dennis Philby auf. Doch das erste Verhör übersteht Dennis unbeschadet.

Fitz bittet um einen Assistenten, der ihm hilft. Er will Jane Penhaligon, bekommt aber „nur“ den Abteilungsleiter DCI Wise. Dieser erweist sich als große Stütze, um Fitz’ unorthodoxe Methoden beim Verhören von Verdächtigen zu rechtfertigen. Dennis Philby ist eine harte Nuss, aber Fitz will ihn knacken. Schließlich geht es um das Leben der schwangeren Su Lin, die in ihrem Container dem Verdursten entgegendämmert.

Mein Eindruck

Die erste Hälfte dieser Folge, die wohl die letzte der ersten Serie aus drei Staffel war, hat mich völlig gelangweilt. Die komödiantischen Untertöne dominieren, getragen durch Fitz’ markante Gestalt. Schon seine gesangseinlage auf dem Rednerpodest der Uni passt richtig zu seinem schrägen Image. Die Komödie wird ergänzt durch Romantik auf der Philby-Seite. Dennis feiert eine absurde Hochzeit im Container, natürlich ohne Trauzeugen, Pfarrer oder gar Gäste. Su Lins Versteck soll ja geheim bleiben.

Aber irgendwann muss aus dieser Folge ja auch mal ein Krimi werden, darauf muss man allerdings bis zur zweiten Hälfte warten. Es ist natürlich Fitz, der die Puzzlesteinchen zusammensetzt, und Ellison, der ihm ständig in die Quere kommt. Nach einem grandiosen, nervenaufreibenden „Interview“ mit Dennis Philby lässt Fitz den Mann wieder gehen. In einem sehenswerten Schmierentheater haut ein „Anwalt“ seinen „Mandanten“ raus und verhilft Philby zur Freiheit. Natürlich weiß Fitz, wozu Philby diese Freiheit nutzen wird und spitz ihn auch noch kräftig bezüglich Su Lins an. Sie habe ihn verraten, indem sie abtrieb.

Selbstredend düst Philby als erstes zu Su Lin, doch die Polizei ist dumm genug, ihn zu verlieren. Aber Philby ist nicht so schlau wie Fitz. (Natürlich kann man sich fragen, wieso der Schlaukopf nicht gleich daraufgekommen ist.) Ein sehenswerter Showdown bildet den fulminanten Abschluss dieser etwas mittelmäßigen Folge. Die schmalzige Musik mit chinesischen Instrumenten fand ich unangemessen, aber wenigstens ist sie nicht aufdringlich.

Der Titel „Weiße Teufel“ bzw. „White Ghost“ ist die wörtliche Übersetzung des chinesischen Ausdrucks „gwei-lo“ für „Ausländer“.

Handlung von „Nine Eleven“

Nach sieben Jahren in Australien, wo Dr. Edward Fitzgerald, genannt „Fitz“, als Dozent lehrt, ist er aus Anlass der Hochzeit seiner Tochter Katie nach Manchester zurückgekehrt. Die Stadt hat sich mächtig verändert, dank der „Abbrucharbeiten der IRA“. Doch während Fitz feiert und seiner Spielsucht frönt, begibt sich ein Mörder unter seiner Mitbürger und hinterlässt ein Opfer nach dem anderen.

Der Mörder ist ein Exsoldat, der in Nordirland, Provinz Ulster, zwei Kameraden verloren hat und seitdem von traumatischen Flashbacks und Depressionen heimgesucht wird. Seine Frau Elaine bekommt es davon mit, kann aber nicht helfen. Sie kümmert sich um die drei Kinder. Er sagt seinem Therapeuten, dass er sich selbst umbringen will, bevor er jemanden anderen tötet. Es kommt anders, weil er es nicht über sich bringt, sich eine Kugel in den gemarterten Schädel zu jagen.

Das erste Opfer ist ein Amerikaner in einer Bar. Der Exsoldat ist schon agetrunken, diesen Witzbold, der über britische Soldaten im Irak herzieht, allezumachen. Dabei kommt er allerdings einem taschendieb und Junkie in die Quere, was später zu spannenden Verwicklungen führen soll. Sein zweites Opfer ist ein Amerikaner, der über alle und jeden in und um Manchester lästert, besonders aber über unfähige Polizisten – wie etwa den Mörder…

Fitz wird hinzugezogen, um ein Täterprofil zu erstellen. Er merkt gleich, dass der Fall, in dem die Kripo bislang nur Unfähigkeit an den Tag gelegt hat, nicht so einfach liegt. Ein Bauernopfer, wie Detective Inspector Walters es der Presse gegenüber macht. Dürfte jedenfalls nicht genügen. Und da hat er ganz recht. Denn der Mörder pirscht sich bereits an die Mutter des ersten Opfers heran, als deren Personenschützer…

Mein Eindruck

Da diese Folge vom ursprünglichen Autor Jimmy McGovern (siehe Making-of) geschrieben wurde, ist sie sowohl spannend als auch kontrovers und bewegend. Kein Brite dürfte davon nicht betroffen gewesen sein, als sie 2006 augestrahlt wurde. Denn nicht nur um britische Soldaten im Irak geht es, sondern auch um solche in Nordirland. Hier wie dort starben sie, doch mit einem gravierenden Unterschied, der die Initialzündung für das Trauma des Exsoldaten liefert: Die Anschläge vom 11. September 2001 stellten den Konflikt in Ulster derart in den Schatten, dass die Verluste an Menschenleben dort praktisch zur Bedeutungs- und damit Sinnlosigkeit verblassten. Da ist eine sehr intelligente Beobachtung.

Der Zuschauer rätselt ständig über die Bedeutung der Flashbacks des Exsoldaten und Mörders. Wir sehen zunächst immer nur Puzzlestücke dieser verhängnisvollen Szene, an deren Ende zwei der Kameraden tot am Boden liegen: einer von einem Heckenschützen niedergestreckt, der andere ein Opfer einer Bombe. Diese Szenen sind mit dem gleichen speziellen Film aufgenommen worden, der in solchen militärischen Heroenstücken wie „Black Hawk Down“ verwendet wurde. Das Ergebnis ist eine Art Hyperrealismus, der nur die kritischen, die traumatischsten Details hervorhebt. Als der Mörder von Fitz ins Gebet genommen wird, sehen wir endlich die komplette Szene – die Spannung hat endlich ein Ende, das Verständnis für den Geisteszustand des Mannes kann an ihre Stelle treten. McGovern hat mit diesem Plot wieder mal glänzende Arbeit geleistet.

Während dieser Handlungsstrang dem Innenleben der Hauptfigur gilt, ist die äußere Dimension natürlich anders abgebildet, aber nicht weniger spannend. Es dauert eine Weile, bis Fitz auf die Identität des Mörders kommt, angeregt durch eine Andeutung des Taschendiebes, der den Mörder erpressen will. Aber Fitz’ bestimmter Verdacht wird sofort von Detective Inspector Walters, ein unfähiger Frischling ohne Menschenkenntnis, abgeschmettert – mit fatalen Folgen, die der Taschendieb ebenso auszubaden hat wie Fitz selbst. Besonders eindrucksvoll fand ich den Hauptdarsteller: Er schafft es, seinen Killer zugleich verletztlich als auch psychopathisch wirken zu lassen – eine unheimliche Kombination.

Die DVD

Technische Infos

Bildformate: 1,66:1 und 1,78:1
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras: Making of: Interviews mit Darstellern & Stab (ca. 47 Min.)

Mein Eindruck: die DVD

Bild und Ton sind in Ordnung, auch wenn sie nicht im optimalen Standard DD. 5.1 vorliegen, sondern nur in DD 2.0. Hervorzuheben ist die Optik in der Folge „Nine Eleven“, die auf dem modernsten Stand der Kinematografie ist, was für einen Fernsehfilm doch relativ ungewöhnlich ist. Hier steckt sichtbar eine Menge Geld drin. „Weiße Teufel“ hingegen ist in jeder Hinsicht sehr durchschnittlich.

Als Bonus liefert diese letzte Fitz-DVD ein schönes Making-of, das in einer Dreiviertelstunde eine komplette Geschichte der Serie von Anfang bis (vorläufiges) Ende liefert. Regisseur und Autor der Doku: Vernon Antcliff.

Der Produzent von „Heißer Verdacht“ Gb McNeal wollte 1993 einen Ableger mit einem Psychologen als Hauptfigur schaffen. Er wollte unbedingt Jimmy McGovern als Drehbuchautor, doch der schrieb zunächst noch an der Krimiserie „Priest“. Als McGovern endlich Zeit hatte, gab ihm McNeal sofort grünes Licht, und McGovern schrieb zwei Stunden Seriengeschichte: die Pilotfolge zur Serie. Ein derartig umwerfendes Skript hatten Produzent, Hauptdarsteller und viele weitere Darsteller noch nie gesehen. „Was, zum Geier, ist DAS denn?“, fragte der damals noch relativ unbekannte Christopher Ecclestone, der Fitz’ Chef spielen sollte und heute ein gefragter Mann ist (z.B. in „Wintersonnenwende“).

Doch wer sollte die Hauptfigur spielen? McGovern stellte sich einen „dünnen, drahtigen Typen“ vor, wie er selbst. Doch als unwahrscheinlichen Kandidaten verfiel McNeal auf Robbie Coltrane, der sein Komödiantenimage für einen Film zumindest abgelegt hatte und eine ernste Rolle spielte. Es folgte ein historisches Gipfeltreffen zwischen McNeal, Coltrane (der stocknüchtern war) und McGovern (der sich heftig Mut angetrunken hatte). Ein Dozent, der spielt, taucht und trinkt, als Hauptfigur – meine Güte! Schließlich aber stand das Konzept und ein Schlachtplan, es konnte losgehen.

Die erste Folge hatte schon neun Millionen Zuschauer, aber sie steigerte sich von Folge zu Folge. CRACKER packte echt heiße Themen an, angefangen von Rassismus, Homophobie, Diskrimierung von Stotterern (McGovern war selbst einer) bis hin zur katholischen Kirche (ein Priester als Mörder!) und zum Hillsborough-Desaster, bei dem Dutzende Fußballfans starben. Sehenswert sind die Szenen in der entsprechenden Folge „Kalte Rache“, in der Robert Carlyle („McPlunkett & Deane“, „51st State“) sich vom Fußballfan zum Skinhead wandelt und schwer an „Taxi Driver“ De Niro erinnert.

Für Coltrane, McNeal und McGovern waren aber stets die „Interviews“ das Beste. Hier konnte Coltrane zeigen, was er draufhatte, und das bis zur Schmerzgrenze. Hier wurden die Vorteile bloßgelegt und desavouiert, um den Angeklagten zu „knacken“ (daher „Cracker“, klar?). Viele diese Interviews wurden kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert, aber McGovern war es zufrieden, wenn er von den Opfern der Hillsborough-Katastrophe Recht bekam, nichts anders juckte ihn. Die Krimiserie wurde zum öffentlichen Debattierklub (der in England eine wichtige Tradition hat).

Bei der 2. Staffel wollte Ecclestone aussteigfen, um was anderes zu machen, er wollte sich ja als Schauspieler weiterentwickeln statt immer nur die zweite Geiger neben Coltrane zu spielen. McGovern schrieb ihm eine grandiose Sterbeszene und brachte ihn dafür auf den Fernsehschirm zurück. Das Gleiche tat McGovern in der 3. Staffel für Nebendarsteller Locran Crachie, der mit einem Delinquenten den höchsten Fall der Fernsehgeschichte hinlegen durfte – 20-30 Meter in die Tiefe. Diese Episode namens „Bruderliebe“ wurde 1996 mit dem BAFTA-Preis ausgezeichnet, dem British Academy for Film & Television Award, also dem englischen OSCAR bzw. EMMY. Das war die dritte und letzte Staffel.

2005 kehrte Coltrane für ein Special zurück, aber nur weil Jimmy McGovern es schrieb: „Nine Eleven“. (Das Honorar brauchte McGovern für einen wohltätigen Zweck.) Als aktueller Anlass boten sich der Irakkrieg, 9/11 und der Krieg in Ulster an. Die Doku verwendet hier aktuelles Material von den Dreharbeiten (B-Roll) sowie Statements verschiedener Schauspieler, natürlich auch von Coltrane. Natürlich wird nicht versäumt, die Vorzüge der Serie hervorzukehren und zusammenzufassen.

Preisfrage: Wird Coltrane als Fitz zurückkehren? Coltrane: Nur wenn Jimmy McGovern sechs gute Ideen hat. (Dann reicht es für sechs Folgen. Coltrane akzeptiert mit Rücksicht auf sein Publikums keine schlechten Folgen oder Drehbücher mehr. Und da kann ich ihm nur Recht geben.)

Unterm Strich

Ist die erste Folge „Weiße Teufel“ doch recht durchschnittlich, weil das Drehbuch nicht von Jimmy McGovern stammt, so überzeugt McGovern Arbeit an „Nine Eleven“ voll und ganz. Diese Episode ist spannend, rätselhaft, bewegend und obendrein ein bissiger Kommentar zu der von Bush & Blair angezettelten Irak-Invasion mit all ihren fatalen Folgen, die die Welt bis heute zu ertragen hat.

Zusammen mit der erhellenden Dokumentation über Geschichte, Highlights und Ende einer der besten Krimi-Serien, die je in Großbritannien produziert wurden, liefert die DVD dem Fitz-Fan und Krimisammler ausreichend Anreize, um zuzugreifen. Wer noch kein Fitz-Fan ist, der wird es spätestens mit der Episode „Nine Eleven“ werden.

[Wertung]

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

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