Wieder einmal geht es in die unendlichen Weiten der Zeit: »The Time Machine« ist die jüngste Filmversion des klassischen Science Fiction-Romans von Herbert George Wells vom Ende des 19. Jahrhunderts. Die erste und vermutlich bekannteste Verfilmung fand 1960 durch George Pal statt, mit Rod Taylor in der Rolle des Zeitreisenden. 1978 ergab sich eine Verfilmung für das Fernsehen. Auf dem Stoff basiert auch der Film „Time after time“ mit Malcom McDowell in der Hauptrolle, der H.G. Wells selbst spielt, den Erfinder der Zeitmaschine.

Filminfos

O-Titel: The Time Machine, USA 2001
FSK: ab 12 J.
Länge: 92 Min.
Regisseur: Simon Wells/Gore Verbinski
Drehbuch: Simon Wells und John Logan
Musik: Klaus Badelt
Darsteller: Guy Pearce („Memento“), Samantha Mumba, Jeremy Irons („Verhängnis“), Orlando Jones („Evolution“) u.a.

Handlung

Professor Alexander Hartdegen, gespielt von Guy Pearce („L.A. Confidential“), erfindet eine Zeitmaschine, mit deren Hilfe er immer weiter in die Zukunft reisen kann. Obwohl das Buch als auch der George-Pal-Film in London beginnen, fängt diese Version im Jahr 1895 in New York City (gedreht in Albany). Zwei der Haltestationen der Reisen befinden sich in den Jahren 2005 und 2007, also in der nahen Zukunft.

Das Grundmotiv für Hartdegens erste Zeitreise: Er will seine ermordete Verlobte Emily wiedersehen. Das gelingt auch bei einem Rücksprung von vier Jahren. Doch auch diesmal stirbt sie eines gewaltsamen Todes. Hartdegen sieht’s ein: Er mag sie 1000 Mal wiedersehen, sie wird doch 1000 Tode sterben. Doch vielleicht hält die Zukunft eine Lösung bereit?

Und so landet er in einem New York City, das eine schöne wackere Zukunft zu haben scheint. Die Stadtbibliothek wartet mit holografischer Technik und freundlichen Avataren (Orlando Jones) auf, die alles erklären. Auch Hartdegens eigenes Ableben. (Im Hintergrund sieht man den Kleiderladen aus der George-Pal-Version!) Der Mond wird als Kolonie erschlossen.

Am nächsten Zeithalt jedoch präsentiert sich New York City als eine zerstörte Metropole: Der Mond ist in eine weitaus tiefere Umlaufbahn geraten, und seine Gezeitenkräfte legen die Gebäude durch Erdbeben in Trümmer und lassen die Meere ansteigen (letzteres ist nicht zu sehen, obwohl es logisch wäre). (Die Szene, in denen Mondtrümmer auf das WTC fallen, wurde geschnitten.)

In einem der Beben stürzt Hartdegen unglücklich in seiner Maschine und fällt auf den Fast-Forward-hebel, bevor er ohnmächtig wird. Der Endpunkt der Reise befindet sich daher im Jahre 802,701. Rasend schnell sind die Umformungen durch Gletscher, Fluten und Erosion vorübergezogen – CGI-Software macht’s möglich.

Mittlerweile hat sich die menschliche Rasse zu zwei getrennten Rassen weiterentwickelt: den Eloi und den Morlocks. Die Eloi sind Faulenzer mit einer eher kontemplativen Kultur, die wie die adligen Viktorianer in einer ruhigen abgehobenen Welt leben: Ihre „Nester“ kleben an den Wänden einer Flussschlucht.

Die Morlocks hingegen schuften unter der Erde und entsprechen der alten Arbeiterklasse. Sie werden als gräßliche Ungeheuer gezeichnet. Sie kommen nachts aus ihren Untergrundhöhlen, um sich die Eloi als Nahrung zu holen.

Frisch gestrandet verliebt sich der Zeitreisende in einen weiblichen Eloi (Samantha Mumba) und gerät so zwischen die Fronten, als sie geraubt wird. Ums ie zu retten, mussen er sich in die Katakomben der Morlocks begeben, wo er eine interessante Unterredung mit dem sogenannten Über-Morlock (. Irons) hat. Das dramatische Finale möchte ich nicht verraten.

Hintergrund

Steven Spielbergs DreamWorks Pictures und die Warner Bros brachten den Film in die Kinos, der immerhin über ein Budget zwischen 70 und 80 Millionen Dollar verfügt. Spielberg war mit den schauspielerischen Leistungen von Pearce, Jeremy Irons, Mark Addy und Co. nicht sonderlich zufrieden, denn er ließ Szenen nachdrehen. Allerdings stand Irons nur sechs Tage zur Verfügung.

Ursprünglich erwartete man Spielberg selbst auf dem Registuhl, doch nun sitzt der Urenkel von H.G. Wells selbst darauf: Simon Wells (er war bereits Ko-Direktor bei „Der Prinz von Ägypten“). Doch Wells schuftete offenbar derartig an dem Projekt, dass er mit der Diagnose „extreme Erschöpfung“ aus dem Team ausschied.

An den letzten 18 Produktionstagen war daher Gore Verbinski am Ruder. Verbinski zeichnet für das Slapstick-Meisterwerk „Mäusejagd“ verantwortlich, allerdings auch für das romantische Killermelodram „The Mexican“ mit Brad Pitt und Julia Roberts. Für das Drehbuch waren Simon Wells und John Logan zuständig. Logan schrieb den Horrorthriller „Bats“, Teile von Ridley Scotts „Gladiator“ und zudem den nächsten Star-Trek-Kinofilm „Star Trek: Nemesis“.

Die DVD

Technische Infos

Bildformate: 2,35:1 (Widescreen, anamorph)
Tonformate: DD 5.1, DTS
Sprachen: D, Engl.
Untertitel: D, Engl.
Extras:

  • Audiokommentar #1: Regisseur und Produzent
  • Audiokommentar #2: Effekte-Team für Bild, Sound, SFX
  • Dokumentationen: Making-of in Featurettes über die einzelnen Effektsparten
  • Trailershow

Mein Eindruck

Mehrfach erweist der Film dem „Original“ von George Pal seine Reverenz, behaupten die beiden Kommentatoren Simon Wells und der Produzent. Es tritt sogar ein Schauspieler aus dem Original auf – es ist der Blumenverkäufer in der Szene von Emilys zweitem Tod. Dennoch fällt diese Version gegenüber Pals Version deutlich ab. Warum?

An den Spezialeffekten kann es wohl nicht gelegen haben. Massenhaft wurden CGI-Effekte und Matte-Paintings sowie Stan Wilsons tolle Animatronik (an den Morlocks) eingesetzt, die allesamt superteuer waren und Steven Spielbergs Studio Dreamworks schwer in finanzielle Bedrängnis brachten.

Auch die Ausstattung des Produktionsdesigns ist offensichtlich vom Feinsten: Alles superteuer zusammengekauft oder aus Museen und Privatsammlungen geliehen. Man durfte sogar am originalen Vassar College in Neuengland drehen.

Nein, der mangelnde Erfolg des Streifens dürfte eher mit der Handlung und den Schauspielern zu tun haben, mit dem, was so schwer zu fassen und so schwer zu realisieren ist: mit der emotionalen Glaubwürdigkeit der Geschichte und ihrer Schilderung. Es scheint einen hohlen Kern zu geben.

Der hohle Kern der Geschichte

Alexander Hartdegens Figur stellt sich für die Eloi heraus als die des mythischen Helden, der gekommen ist, um sie aus ihrer Unterdrückung zu befreien. Das ist eines der „1000 Gesichter des Helden“ (Joseph W. Campbell). Zunächst ist er auf einer Quest, wie sich das für seinesgleichen gehört: Er will seine ermordete Verlobte den Armen des Todes entreißen. Er scheitert in der Vergangenheit und sucht die Lösung in der Zukunft. Er scheitert und stürzt in die fernste Zukunft.

Doch unter den Eloi ist er ein Fremdkörper, ein Besucher ohne Wurzeln. Er ist dumm genug, seine ethischen Vorstellungen auf das Verhältnis zwischen Eloi und Morlocks zu übertragen, obwohl er das Wertesystem dieser Kultur überhaupt nicht versteht. Als seine Pflegerin geraubt wird, handelt er wie ein viktorianischer Gentleman: Er versucht sie zu retten.

Leider hat Hartdegen uns noch keinerlei Anlass dazu gegeben zu glauben, dass ihm an dieser jungen Frau mehr liegt als an anderen. Nein,e r rettet sie als einen Mitmenschen, nicht als eine Geliebte, als Nachfolgerin Emilys. Seine Mission ist vielmehr die eines Christen, der seine Pflicht erfüllt. Dass er dabei die zweite Kultur dr Erde, die der Morlocks, zerstört, ist im völlig egal.

Ja, sogar überlegene telepathische Fähigkeiten wie die des Über-Morlocks, der die junge Eloi zu Zuchtzwecken rauben ließ und der dafür sorgt, dass die Morlocks nicht noch mehr Eloi vernichten, sind Hartdegen egal: Er bringt den Über-Morlock sogar selbst um, indem er ihn dem rasenden Zeitstrom aussetzt.

Hartdegen ist also weder ein wohl überlegender Befreier noch ein liebender Mann, als er die junge Eloi befreit und die Morlocks vernichtet. Er ist in ethischer Hinsicht eines jener Fossile aus dem 19. Jahrhundert, das blind seiner christlichen Erretter-Ideologie gehorcht: „the white man’s burden“ ist es, die Ungläubigen von ihrem Joch zu befreien. Doch was gibt er ihnen im Gegenzug? Es ist diesmal nicht der christliche Glaube (das wird wohl als selbstverständlich vorausgesetzt), sondern Bildungstrümmer aus der Stadtbibliothek von New York City (O. Jones liest aus „Huckleberry Finn“ vor) sowie vielleicht ein neues Zuhause: Die Zukunft als die neue Frontier, jenen mythischen Ort der amerikanischen Seelengeschichte, wo rechtschaffene Männer und Frauen erobern und aufbauen können, wie es schon die Bibel befahl: „Gehet hin und mehret euch und machet die Erde euch untertan!“

Diese Ideologie ist heutzutage so fragwürdig und überholt wie das mit ihr versunkene 19. und 20 Jahrhundert. Der hohle kern umfasst auch die fehlende Liebesbeziehung zu der jungen Eloi, die Hartdegen rettet: Er hat mit ihr weder geschlafen noch ihr ein Liebesversprechen gegeben. Er zahlt ihr lediglich ihre Freundlichkeit, ihn gesund gepflegt zu haben, zurück. Das ist doch wohl ein wenig dürftig. Ansonsten spielt Hartdegen nur den Ritter, der die Jungfrau in Not rettet. Sehr romantisch, fürwahr! Am Schluss fragt er sie nicht ein einziges Mal, ob sie bei ihm bleiben möchte. So enden Märchen.

Unterm Strich

Die DVD trägt nicht allzu viel dazu bei, den Eindruck des schwachen Films aufzuhellen, der sich vor allem an junge Menschen richtet, die über keinerlei Lebenserfahrung verfügen und ihre Ideale aus Büchern speisen. Die diversen Featurettes des Making-ofs erläutern genau und ehrlich, wie die zahlreichen Spezialeffekte kreiert und umgesetzt wurden.

Am besten hat mir am ganzen Film die Musik von Klaus Badelt gefallen. Sie passt wirklich kongenial zu den verschiedenen Kulturen und Szenen und weist verschiedene Leitmotive (themes) auf, so etwa für den Zeitreisenden und für die Eloi. Badelt hatte schon mit Hans Zimmer an Ridley Scotts Monumentalschicken „Gladiator“ mitkomponiert. Man hört Zimmers professionellen Einfluss deutlich heraus. Dennoch ist „The Time Machine“ der erste größere Original-Score, den Badelt komponierte. Ich habe die Soundtrack-CD und höre sie mir immer wieder gerne an.

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