In London versetzt ein Triebverbrecher, bekannt als der Krawattenmörder, die Polizei in Alarmbereitschaft. Wie in Hitchcocks Filmen üblich, wird jedoch ein Unschuldiger gejagt, der sich nun dem Gesetz entziehen muss. Um seine Unschuld zu beweisen, macht sich Richard Blaney (Jon Finch) auf die Suche nach dem echten Mörder… (Verleihinfo)

„Ein angeblicher Frauenmörder befreit sich durch einen Trick aus der Haft, um den wirklichen Verbrecher zu töten. Alfred Hitchcock läßt in seinem Spätwerk seiner Vorliebe für angelsächsische Ironie freien Lauf. Ein formal ungemein sorgfältig und technisch perfekt inszenierter Thriller mit einigen makabren Details.“ (Lexikon des internationalen Films)

Filminfos

Handlung

Just in dem Moment, als der Minister auf der Uferpromenade eine Rede hält, er werde dafür sorgen, dass die Themse vom Abfall der Zivilisation gereinigt werde, wird eine nackte Frauenleiche angeschwemmt. Um ihren Hals ist eine Krawatte geschlungen. Damit hat ein der Stadt wohlbekannter Serienmörder seine Handschrift hinterlassen – wieder mal…

Richard Blaney (Jon Finch) ist Barmann in der Londoner Kneipe „Globe“, die sich in Covent Garden befinden, dem damaligen Umschlagsplatz für Obst, Gemüse und Blumen in London. Weil sein eifersüchtiger Boss ihn dabei erwischt, wie er sich aus einer Flasche bedient, wirft er ihn kurzerhand hinaus. Der Boss ist selbst scharf auf Dicks Freundin Babs Milligan (Anna Massey), die später Dick helfen wird – aber unter völlig anderen Umständen. 

Dick, ein früherer Major, ist zu stolz, seinem Boß die geliehenen zehn Pfund zu verweigern, die der verlangt, denn der meint natürlich, Dick habe das Geld nicht. Jetzt ist Dick blank. Er klagt sein Leid seinem besten Freund Bob Rusk (Foster), dem Besitzer einer Einzelhandlung für Gemüse, Obst usw. Rusk lebt noch bei seiner Mutter, was Dick aber gar nicht merkwürdig findet, denn „Onkel Bob“ hat bestimmt eine kleine Absteige in der Nähe. Damit liegt er völlig richtig. Bob steckt ihm ein paar Pfund zu, die Dick sofort verjubelt, und einen Pferdewettetipp, den Dick verbockt. 

Bleibt eigentlich nur noch seine Ex, die er anpumpen kann. Sie führt eine erfolgreiche Partnervermittlungsagentur. Da er aber betrunken und zornig ist, blafft er nicht nur deren Vorzimmerdame Monica Barling (Jean Marsh) an, sondern deren Chefin Brenda Blaney (Barbara Leigh-Hunt) auch noch. So wird das nichts mit den beiden, aber sie führt ihn trotzdem zum Mittagessen in ihrem Damenklub aus. Trotz seines rüpelhaften Benehmens steckt sie ihm heimlich ein paar Pfund zu, was er aber erst merkt, als er in der Nachtunterkunft der Heilsarmee um ein Haar darum beraubt wird. 

Am nächsten Mittag versucht er es erneut in der Partnervermittlung, um sich zu bedanken, doch seine Ex öffnet nicht, und die Vorzimmerdame ist gerade in der Mittagspause. Deshalb geht er wieder unverrichteter Dinge, ohne zu ahnen, dass Brenda erdrosselt in ihrem Büro liegt – und er beim Verlassen des Hauses von der Sekretärin gesehen wird. Deshalb fällt er am nächsten Morgen, als er mit Babs im vornehmen Coburg Hotel abgestiegen ist, aus allen Wolken, als die Polizei Zugang zu seinem Hotelzimmer begehrt, und ergreift die Flucht über die Feuerleiter…

Dick hat Anna einiges zu erklären, denn in der Abendzeitung wurde er höchst akkurat als der gesuchte Mörder von Brenda Blaney beschrieben. Tatsächlich gelingt es ihm, sie von seiner Unschuld zu überzeugen. Ein alter Militärkamerad entdeckt ihn und Anna im Park vor einem Wohnblock. Johnny Porter (Clive Swift) lässt keinen alten Kameraden im Stich und bietet Dick Obdach. Das sieht Tonys Frau Hetty (Billie Whitelaw) aber ganz anders und erhebt schwere Anklagen. 

Am nächsten Tag will Babs Dicks zurückgelassene Sachen aus dem Pub in Covent Garden abholen, als sie ihrem Mörder in die Arme läuft, der sie in seine Wohnung auf einen Drink einlädt. Dick wartet vergeblich und geht sie suchen. In Covent Garden gibt es nur einen, den er fragen kann: Onkel Bob. Der stellt ihm eine perfide Falle…

Mein Eindruck

Hitchcock greift in diesem technisch perfekt inszenierten Thriller erneut sein Lieblingsthema auf: Ein Mensch verliert seine ‚Identität‘ und wird für jemand gehalten, der er nicht ist. Fortan wird er zugleich verfolgt und muss seine Unschuld bzw. Identität beweisen. Diesmal verlegt er die Handlung nach Covent Garden, dem damals größten Markt für Obst und Gemüse in England (der allerdings schon 1974 nach Three Elms verlegt wurde). Dies hat einen makabren Hintersinn: Der Film thematisiert den Zusammenhang zwischen Essen, Sex und Tod. 

Schon häufig hat AH, der Freuds lehre vom Unterbewussten anhing, Sex und Essen gleichgestellt. In „Fenster zum Hof“ futtern die Mieter unentwegt, und wo dies, wie bei den Thorwalds, nicht einträchtig vonstatten geht, gibt’s schon bald mords-mäßigen Ärger. Auch als Lisa Carol Fremont ihrem Jeff das Gourmet-Essen serviert, soll dies nur ein Vorspiel für romantischen Sex sein. Als Scottie Ferguson in „Vertigo“ seine neue Freundin Judy Barton ins Steak restaurant Ernie’s ausführt, denkt er nur an Sex mit seiner Traumfrau, die er in jeder Blondine erblickt, die ein graues Kostüm trägt. Die Ironie an dieser Szene: Judy ist eine Mordkomplizin, die half, eben jene Madeleine um die Ecke zu bringen. 

Somit ist der Zusammenhang zwischen Essen, Sex und Verbrechen unterschwellig hergestellt. AH führt uns nicht nur in „Vertigo“, sondern auch in „Frenzy“ in die Irre: Er baut Dick Blaney als Bösewicht auf, der seinen Jähzorn nicht im Zaum halten kann und zudem seine Ex Brenda mit seiner Arbeitskollegin Babs betrügt. Dass Dick die Trauben, die Rusk ihm gab, wütend zerquetscht, suggeriert auch Ungezügeltheit in anderer Hinsicht, nämlich Sex. 

Der Vergewaltiger futtert während seiner Tat einen Apfel – ein ironischer Verweis auf Adam, der von Eva den Apfel akzeptierte, was den Sündenfall konstituierte. Dass Äpfel zu seinem Metier gehören, dürfte bald klar werden. Deshalb hat er auch überhaupt kein Problem, sich mit Kartoffelsäcken abzugeben. Er tut dies auch nur, weil die ermordete Babs ihm seine brillantbesetzte Anstecknadel (und nicht etwa die Krawattennadel, wie so häufig zu lesen ist), ein Familienerbstück mit einem verräterischen Buchstaben, abgerissen hat. AH will das Publikum zum Lachen bringen, indem er die erstarrte Leiche so widerspenstig macht, dass der Mörder alle Mühe hat, das verräterische Beweisstück wieder an sich zu bringen. Dieser schwarze Humor kam bei den Briten offenbar gut an. 

Ebenso wie die anderen Szenen, in denen Essen, verbrechen und unterdrückter Sex als Comédie noire gezeigt werden. Inspektor Oxford wird von seiner Frau mit offenbar kaum genießbaren französischen Kreationen malträtiert, während sie mit ihm die Details der Morde diskutiert, die man Dick Blaney zur Last legt. Unter anderem erzählt er seiner Frau grausame Details über den Mörder, während er widerwillig einen Schweinsfuß zersäbelt. Als sie eine Grissini-Stange zerbricht, verwendet AH genau den gleichen Toneffekt, der beim Brechen von Babs‘ erstarrten Fingern Verwendung findet, die der Mörder ihr einen nach dem anderen bricht. 

Der Mordermittler muss sich nach Feierabend tote Fischköpfe aus einer – sicherlich höchst exquisiten – Bouillabaisse ansehen. Doch Fischköpfe, Tintenfische und Muscheln erinnern ihn offenbar zu sehr an die Leichen, die er tagsüber zu sehen bekommt, etwa durch die toten Augen. Er zieht es deshalb gewöhnlich vor, sich an seinem original britischen Frühstück im Büro zu laben, das aus Eiern und gebackenem Schinken besteht – und bei dem ihm sein Sergeant Spearman teils interessiert, teils neidisch zusieht. 

Aber wir dürfen Mrs Oxford nicht unterschätzen: Trotz oder wohl eher gerade wegen ihrer Naivität durchschaut Oxfords Frau die Zusammenhänge des Falles, an dem ihr Mann gerade arbeitet, und sagt ihm genau das Richtige, was dem Polizisten jedoch nicht gleich einleuchtet. Als dann Spearman mit einem wichtigen Beweisstück vorbeischaut, kredenzt sie auch ihm eine „Margarita“. Doch deren Genuss schlägt selbst den abgehärteten Spearman in die Flucht. Die ursprüngliche Schlussszene mit Dick Blaney, der bei den Oxfords zum Dinner weilt, wurde gottlob geschnitten, enthält aber eine witzige Zeile: „Nach dem Gefängnisessen wird ihm alles schmecken.“ 

Der wachhabende Bobby, der auf die kranken Knastbrüder aufpassen soll, wird natürlich, wie könnte es anders sein, mit etwas betäubt, das sie ihm in seinen Tee getan haben: Schlafpillen. Nur die Schlusszene hat mich etwas enttäuscht, denn sie endet abrupt (weil die allerletzte Szene ja geschnitten wurde). Hier sehen wir Dick Blaney wieder, wie er irrtümlich ein Verbrechen begeht: Er will eigentlich Bob Rusk erschlagen, der ihn ja hereinlegte, trifft aber eine weitere erdrosselte Frauenleiche. Sein Jähzorn befähigt ihn also durchaus zu einem Mord. Wunderbar ist Oxfords lakonische letzte Zeile: „Mr Rusk, you’re not wearing your tie.“ 

Es gibt Unmengen von Continuity- und Sachfehlern in diesem Film. Sie alle aufzuführen kann ich mir sparen, denn sie sind (vermutlich komplett) hier  zu finden: http://www.imdb.com/title/tt0068611/?ref_=sr_1.

Die Blu-ray

Technische Infos

  • Tonformat: DTS HD Master Audio 2.0 in Englisch, DTS Digital 2.0 (Mono) in Deutsch, DTS Digital 2.0 (Mono) in Spanisch, DTS Digital 2.0 (Mono) in Italienisch, DTS Digital 2.0 (Mono) in Japanisch, DTS Digital 2.0 (Mono) in Französisch, DTS Digital 2.0 (Mono) in Russisch, DTS Digital 2.0 (Mono) in Portugiesisch
  • Untertitel: Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Japanisch, Französisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch, Finnisch, Russisch, Brasilianisch, Niederländisch
  • Bildformat: Widescreen (1.85:1)

Mein Eindruck: die Blu-ray

Die Blu-ray bietet ein gegenüber der DVD nochmals verbessertes Bild (1080/24), denn es hat eine höhere Auflösung. Der Ton ist der gleiche geblieben, liegt aber nun in einer Vielzahl von Sprachen und Untertiteln vor. Man beachte, dass die englische Tonspur Stereoton bietet, die deutsche aber nur Mono (beide in DTS).

EXTRAS

  1. „Die Geschichte von ‚Frenzy'“ (Making-of; 44:45 min.): Nach mehreren einleitenden Bemerkungen erzählen zunächst der Drehbuchautor Anthony Shaffer und die drei Hauptdarsteller Jon Finch, Anna Massey und Barry Foster, wie sie zu diesem Filmprojekt kamen. Das geschah manchmal auf recht kuriose Weise. Massey etwa sollte eigentlich „Monica Baring“, die Sekretärin, spielen, wurde dann aber für die wesentlich wichtigere Rolle der Babs engagiert. Ursprünglich hieß Jon Finchs Rolle „Richard Blamey“, mit M, aber die Verwandtschaft mit „blame“ (Schande) und „to blame someone“ (jemanden beschuldigen) wurde dann wohl doch als zu offensichtlich erkannt. 

    Barry Foster, der Darsteller des Bob Rusk, empfand die drei Tage andauernden Dreharbeiten an der Vergewaltigungs- und Mordszene mit Barbara Leigh-Hunt als sehr belastend („distressing“). Die Krawatte zumindest war jedoch schon zuvor geknotet und genäht, so dass er damit keine Mühe hatte. Die im Film zu sehende nackte Brust gehörte einem weiblichen Modell, ebenso wie die „nackte“ Anna Massey durch ein Modell gedoubelt wurde. AH nahm auch eine extreme Nahaufnahme der Leiche auf, doch auf Anraten Shaffers nahm er sie ewieder aus der 1. Fassung raus: zu „widerwärtig“, meint Shaffer. 

    Die Rezeptionistin im Coburg Hotel wurde von Elsie Randall gespielt, die für AH bereits 1932 in „Rich and Strange“ spielte. AH liebte es, sich mit bekannten und zuverlässigen Mitarbeitern zu umgeben. Das traf aber nicht auf Autoren zu. Die musste neue Ideen einbringen, aber bereits Erfolg gehabt haben. Jon Finch war ebenfalls schon erfolgreich. Er erlaubte sich, das Drehbuch mehrfach zu ändern, bis sich AH beschwerte. 

    Das Making-of erklärt auch detailliert, wie die lange, ununterbrochene Kamerafahrt aus dem 1. Stock von Rusks Wohnhaus durch die Haustür über die Straße bis auf die andere Straßenseite gemacht wurde. (Mit Gleisen für die Kamera im Haus und dann, nach einem vorübergehenden Statisten und einem Schnitt, eine weitere Kamerafahrt.) Diese ganze Kamerafahrt ist heute als „Farewell to Babs“ bekannt, denn danach tritt sie nur noch als widerspenstige Leiche auf. 

    Diese Leiche in einen Kartoffelsack zu stecken und unter Rigor mortis leiden zu lassen, war ein makabrer Geniestreich des Drehbuchautors und AH’s. Rusk, der mit ihr zu kämpfen hat, erzählt, die Dreharbeiten auf dem LKW bzw. im Studio hätten ebenfalls drei Tage gedauert und 114 Schnitte erfordert. Das Brechen der starren Finger, die ein extrem wichtiges Beweisstück umklammern, wurde mit Klangeffekte nachgestellt. Die Leiche war natürlich ebenfalls ein Double. 

    Das dritte Opfer sollte in der Buchvorlage eigentlich Monica Barling sein, doch es dafür keine Notwendigkeit gab – sie sah Rusk ja nie -, wurde eine anonyme Frau genommen. Dem dritten Mord und Rusks Entdeckung geht Detective Oxfords schwarze Komödie voraus, denn er hat unter den experimentellen Kochergebnissen seiner Gattin (Vivian Merchant) sehr zu leiden. Zusammen mit ihr kommt er zu dem Ergebnis, dass er wahrscheinlich den falschen Mann ins gefängnis gebracht hat. 

    Die Filmmusik wurde ursprünglich von Henry Mancini geliefert. Doch sie ist derart barock und wehmütig, dass sie überhaupt zu der aufstrebenden Themse-Metropole passt, sondern mehr zu Venedig. Der Score von Ron Goodwin wurde allseitig mit Begeisterung aufgenommen und funktioniert prächtig. Es ist eben ein sehr englischer Film, der AH zurück zu seinen Wurzeln führte. 
  2. Produktionsfotos (17:01 min): Diese selbstablaufende Diaschau zeigt Standfotos von Szenen in schwarzweiß und Farbe. Bemerkenswert ist dabei, dass der erste Mord detailliert im Film zu finden ist, die Aufnahmen vom zweiten Mord (an Babs) aber nur in der Rückblende zusammengefasst zu sehen sind – hier jedoch findet man sie in allen Einzelheiten. 

    Drei gestrichene Szenen werden in Fotos angedeutet: 
    1. eine Liebesszene zwischen Dick Balney und Babs;
    2. eine halbnackte Frau, eines von Rusks Opfern, läuft nachts über den Gehweg, offenbar ist sie auf der Flucht; 
    3. Dicks abschließendes Dinner mit den Oxfords; wieder serviert Vivian Merchant ihre furchterregenden Kreationen.

      Die Dreharbeiten werden in einem abschließenden Teil der Diaschau dokumentiert. Hier ist besonders interessant, dass AH zusammen mit der Puppe zu sehen ist, die ihm nachgebildet wurde. Sie wurde für den Kinotrailer verwendet…
  3. Der Original-Kinotrailer (2:54 min.): Im Gegensatz zu heutigen Machwerken ist dies eine äußerst witzige Angelegenheit. AH spricht direkt den Zuschauer an, und wir sehen, wie er auf Covent Garden, dem Herzen von Londons, einen Sack Kartoffeln öffnet – und dabei auf ein steifes Frauenbein stößt. Die steife Frauenleiche, die vom Kartoffellaster fällt, trägt eine gestreifte Krawatte, die sich AH nicht umzubinden zögert. Später taucht diese Krawatte wieder an jener AH-Attrappe auf, die auf den Wassern der Themse anstelle der ersten Frauenleiche schwimmt. Die letzten Worte von Brenda Blaney sind dementsprechend ein Schrei des Erkennens: „My God, the tie!“ Nie war ein Fashion-Kommentar so enthusiastisch und zugleich so makaber. 

Unterm Strich

Essen, Sex, Verbrechen – für AH ist der Zusammenhang offensichtlich. Und dieser Komplex bietet eine Menge Potential, um ironische und reichlich makbare Scherze damit zu treiben. Den durchschnittlichen Filmzuschauer dürfte indes mehr interessieren, ob der Film überhaupt spannend ist. Das lässt sich nicht ohne weiteres bejahen, denn erstens wird nicht der Mörder gejagt, sondern der unschuldig Verdächtigte. 

Suspense im Sinne AH’s ist hingegen reichlich vorhanden, denn wir kennen ja den Mörder. Doch wird ihn der Inspektor schnappen, wenn er ihn doch nicht einmal zum Verhör einbestellt? Angesichts der kulinarischen Folter, der ihn seine Frau aussetzt, ist auch unwahrscheinlich, dass er von selbst auf die Lösung kommt – sie muss ihm auch die Lösung servieren. 

Diese schwarze Komödie lockert die Spannung, die zwischen den brutalen Morden liegt, gehörig auf, ebenso der makabre Fight mit der Leiche auf dem Kartoffellaster. Mehrere feine Effekte wie die lange, scheinbar ununterbrochene Kamerafahrt „Farewell to Babs“ versetzen den Cineasten in Ekstase. 

Schwächen 

An manchen Stellen wirkt der Thriller heute angestaubt und sogar faktisch neben der Spur. So dürften Pferdefuhrwerke wohl kaum noch 1971 durch Covent Garden gefahren sein. Das wirkt wie eine Reminiszenz an AH’s frühe Londoner Jahre aus den dreißiger Jahren (er ging um 1940 in die USA). Der Witz, dass sich ein Pärchen als „Mister und Mistress Oscar Wilde“ in einem Hotel anmeldet, hat so einen Bart, dass er schon müffelt. Der Witz dabei? Oscar Wilde war bekanntlich eingefleischter Schwuler und wanderte deshalb ins Zuchthaus. Die zahlreichen Continuity-Fehler werden in der International Movie Database (www.imdb.com) fein säuberlich augelistet. Es sind eine ganze Menge. 

Aussage

Wenn man Ironie, schwarzen Humor, schwarze Komödie usw. beiseite schiebt, dann drückt der Film auch eine bittere Anklage aus. Schon die allererste Szene macht auf sarkastische Weise deutlich, dass Frauenleichen zu den „Abfallprodukten der modernen Zivilisation“ gehören, wie sich der Minister so elegant ausdrückt. Dass Frauen („Vögelchen“ genannt) Freiwild sind, weil ein unfähiger Polizeiapparat, verkörpert von Inspektor Oxford (an einer Stelle steckt er seine ungeschützte (!) Hand in die Handtasche Opfers und zerstört so wichtige Fingerabdrücke), wird unterschwellig zu einer Anklage gegen den verknöcherten Justizapparat erhoben. 

Diese Justiz, zu sehen in exakt jenem Gerichtssaal aus „Zeugin der Anklage“ (mit Charles Laughton und Marlene Dietrich), ist es nicht einmal wert, von uns angehört zu werden – wir hören nur das Urteil gegen Dick Blaney. Typisch, dass das Urteil einen Justizirrtum darstellt. In der Kneipe, wo Dick zu Anfang eine Rast einlegt, wundern sich ein Arzt und ein Staatsanwalt darüber, dass die Straßen Londons nicht mit Frauenleichen übersät sind – das wäre ja wenigstens eine Attraktion, die die Touristen von London erwarten. Schwärzer kann Galgenhumor kaum mehr werden. 

Die Blu-ray

Die Blu-ray bietet ein ausgezeichnetes Bild, aber nur mittelmäßigen DTS-Ton. Stereoqualität erhält man nur auf der englischsprachigen Tonspur, die ich mir angesehen habe, denn die deutsche Synchronisation aus dem Jahr 1972 ist bekanntermaßen sehr lax im Umgang mit dem hintersinnigen Original. Das Bonusmaterial ist längst nicht so umfangreich wie AH’s Meisterwerken „Fenster zum Hof“ und „Vertigo“. Es gibt nicht einmal einen Audiokommentar. 

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

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