Um ihrem Professor zu beweisen, dass der „perfekte Mord“ möglich ist, beschließen die homosexuellen Studenten Brandon (John Dall) und Philip (Farley Granger), die von Prof. Cadell aufgestellten Theorien endlich in der Praxis zu testen. Also besuchen sie ihren Studienkollegen David in seiner Wohnung, erdrosseln ihn mit einem Stück Seil und empfangen eine halbe Stunde später seelenruhig ein paar Gäste, die der Ermordete einen Tag vorher eingeladen hat. 

Unter ihnen ist auch Professor Cadell (James Stewart), dem im Laufe der Unterhaltung ein paar merkwürdige Umstände auffallen, so etwa ein Stück Seil, das Davids Bücher zusammenhält. Zuerst ist es nur ein vager Verdacht ohne Zusammenhänge, aber dann mehren sich für den Professor die Indizien, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht… (Verleihinfo)

Filminfos

  • O-Titel: Rope (USA 1948)
  • Dt. Vertrieb: Universal
  • VÖ: 6.2.2014
  • EAN: 5050582463569
  • FSK: ab 16  
  • Länge: ca. 81 Min.
  • Regie: Alfred Hitchcock
  • Vorlage: „Rope’s End“ von Patrick Hamilton nach einem authentischen Fall aus dem Jahr 1924
  • Treatment: Hugh Cronyn
  • Drehbuch: Arthur Laurents
  • Darsteller: James Stewart (Cadell), Farley Granger (Phil), John Dall (Brandon) u.a.

Handlung

Brandon Shaw Brandon (John Dall) und stiftet seinen schwulen Freund Phil Morgan (Farley Granger), dazu an, den perfekten Mord zu begehen. Sie erdrosseln den Harvardstudenten David Kentley mit einem Strick und deponieren die Leiche, die sie später in einem See entsorgen wollen, in einer großen Kiste, die als Anrichte im Wohnzimmer dient. Ein gelunges Experiment – darauf einen Schampus!

Als besondere Herausforderung haben sie zur abendlichen Party in Brandons Penthouse ihren früheren Collegeprofessor, den Kriegsveteranen Rupert Cadell (J. Stewart) eingeladen. Wird er es schaffen, ihnen auf die Schliche zu kommen? Der Abend hat gerade erst begonnen. Doch er wird viele spannende Momente bereithalten, nicht nur für die Täter…

Mein Eindruck

Anders als in der Theatervorlage beschäftigt sich dieser Film mit einer höchst fragwürdigen Moral, die schwer an Nietzsches fragwürdigste Thesen (seien Schriften wurden ja stark redigiert) anknüpft: Dass nämlich die hohe Kunst des Mordens einer Eliteschicht vorbehalten sein, wobei die Opfer wie selbstverständlich aus den unteren Gesellschaftsschichten kämen, quasi als vom Schicksal bestimmte Opferlämmer. Die Aristoi (die Besten) aber kämen mit einem perfekten Mord stets durch. 

Diese – anno 1948 politisch durchaus aktuelle – These vertritt nicht etwa ein unverbesserlicher Nazi, sondern kein anderer als der ehemalige Collegeprofessor und Kriegsveteran Rupert Cadell, der jetzt als Verleger und libertärer Freigeist aufzutreten beliebt. James Stewart, der ewige Pfadfinder, ist diese fiese Rolle eine klare Fehlbesetzung. Und es ist bezeichnend, dass sowohl Cary Grant als auch Montgomery Cliff absagten. Am ehesten wäre noch James Mason infrage gekommen. Wie auch immer: Nun wird Cadells These auf die Probe gestellt. Wird er die Umsetzung seiner eigenen Theorie durchschauen, fragen sich seine beiden ehemaligen Schüler. 

Cadell gelingt durchaus eine erfolgreiche Ermittlung, als er die versteckten Hinweise zusammensetzt und daraus schließt, dass sich Davids Leiche nur in eben jener Truhe befinden kann, auf der gerade ein Abendessen angerichtet worden ist. Wie später in „Frenzy“, hat es hier Hitch gefallen, Mord und Essen zu assozieren und das Abendessen zu einem Ritual des (sozialen) Kannibalismus zu stilisieren. 

Verdikt

Die beiden Delinquenten warten natürlich auf das Verdikt ihres Schulmeisters. Wird ihr Mord-Stück seinen Beifall finden, wie es ja eigentlich folgerichtig wäre? Zu ihrer maßlosen Enttäuschung und Empörung weist Cadell nicht nur jede Mitverantwortung als geistiger Vater der tat von sich, sondern unterstellt den Tätern auch noch das Fehlen jeglicher Moral und degradiert sie damit zu einer Art Untermenschen. Cadells finaler Monolog ist ein Musterbeispiel an verlogener Heuchelei und hinterlässt beim Zuschauer einen schalen Beigeschmack. 

Die Kluft

Der Grund, warum es sich um Heuchelei handelt, ist der Abgrund, der zwischen dem Gedanken – der obengenannten These der Aristoi – und der Tat liegt: „Do as I say, don’t do as I do“, hat dieses Prinzip mal Phil Collins von Genesis auf den Punkt gebracht. Cadells Charakterfehler ist seine „bookishness“, seine theorieverliebte Schulweisheit. Sie weiß rein gar nichts von der praktischen Erfahrung des echten Lebens, die eine ganz andere Lehre beinhaltet: Dass Mord nämlich letzten Endes ein Akt des sozialen Kannibalismus darstellt, der dem Täter jedwede höhere Moral per se abspricht. Doch Cadell hat aus dem Mord nichts gelernt. Das Musikstück, das Phil, der Mörder, am Piano spielt, heißt nicht umsonst „mouvement perpetuel“ – ewige Kreisbewegung, die nicht vorankommt. Das ist eine desillusionierende Botschaft.

Schwarzer Humor

Damit diese Botschaft nicht gar so moralinsauer daherkommt, hat sich Hitch ein paar makabre Details ausgedacht, nicht zuletzt die Szenen auf jener Truhe, in der sich die Leiche befindet. Die Haushälterin findet die Truhendeko unpassend. Phil will beim Dinner kein Huhn essen, obwohl er doch, wie Brandon genüsslich erzählt, in seiner Jugend Hühner zu erwürgen pflegte. Auch das Detail, dass eine – zufällig griffbereit – daliegendes Stück Seil dazu dient, Davids Studierbücher zusammenzuhalten, ist purer schwarzer Humor. Kein Wunder, dass den Zuschauern schnell das Lachen im Hals steckenblieb – als hätten sie einen Hühnerknochen verschluckt.

Die Blu-ray

Technische Infos

  • Sprache: Russisch (DTS 2.0 Surround), Japanisch (DTS 2.0 Surround), Italienisch (DTS 2.0 Surround), Deutsch (DTS 2.0 Surround), Englisch (DTS-HD 2.0), Portugiesisch (DTS 2.0 Surround), Französisch (DTS 2.0 Surround), Spanisch (DTS 2.0 Surround) 
  • Untertitel: Deutsch, Englisch, Dänisch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Isländisch, Japanisch, Niederländisch, Norwegisch, Schwedisch, Spanisch, Portuguese Brazilian, Russisch 
  • Bildformat: Vollbild (1,33:1, 4:3)
  • Extras: siehe Bonusmaterial

Mein Eindruck: die Blu-ray

Das Bild wurde für die Blu-ray sorgfältig restauriert, so dass die Farben des Originals wieder glänzen. Vom Ton kann man nicht unbedingt das gleiche behaupten: Er ist und bleibt auf dem Niveau von DTS 2.0 Surround, wobei lediglich die englische Tonspur des Originals HD-Qualität erreicht. 

EXTRAS

  1. Produktionsfotos (7:30 min): Dieser Beitrag zeigt eine selbstablaufende Diaschau, die internationale Filmplakate, Szenen vom komplizierten Dreh (zehnminütige Einstellungen, die oft an kleinen Fehlern scheiterten) und der eingesetzten Technik (bspw. gigantische, übermannsgroße Technicolor-Kameras), diverse Porträtaufnahmen. Als Clou sehen wir Hitchcock in der Truhe, in der die Leiche wie in einem Sarg zu ruhen pflegt!
  2. Originaltrailer (2:26 min): Dieser Trailer zeigt überraschenderweise die Vorgeschichte zum Mord an David und ihn beim Abschied von seiner Freundin Janet. James Stewart agiert als Moderator, der alle Figuren vorstellt. Durch die zahlreichen Andeutungen, auch die des Mordes durch einen Schrei, entsteht durchaus Spannung. 
  3. Making-of „Rope entfesselt/unleashed“ (32:28 min) von Laurent Bouzereau: Der Film beruht auf dem britischen Theaterstück „Rope’s End“ von Patrick Hamilton, das einen authentischen Fall aus dem Jahr 1924 verarbeitet. Das Thema des Stücks war laut Drehbuchautor Arthur Laurents eindeutig Homosexualität, aber dieses Thema wird von Hitchs Leuten stark zurückgefahren und um andere Motive ergänzt. Schließlich gab es 1948 bereits die MPAA-Zensurbehörde als moralischen Wachhund. Hitch wollte seinen ersten selbstproduzierten Film nicht der Zensur zum Opfer fallen lassen. Kein einziges Mal wird im Film das verbotene Wort erwähnt: Es ist immer nur „es“.

    Es war Hitchs Experiment, für jede Einstellung die volle Länge einer Technicolor-Filmrolle zu nutzen: knapp zehn Minuten. Der Wechsel von Einstellung zu Einstellung erfolgt in einer Art Schwarzblende, etwa bei einer dunklen Jacke, einem dunklen Möbelstück usw. Die angestrebte Illusion war also die eines durchgehenden Stücks Film ohne jenes Merkmal, das für Hitch als unverzichtbar gefordert hatte: den Schnitt und folglich die Montage. 

    Dadurch erschien den Zuschauern der Film als statisches Stück, in dem Figuren quasi als „talking heads“ auftraten. Obendrein wird der Mord selbst schon früh gezeigt, dass die „suspense“ ganz woanders erzeugt werden muss. Nicht scheint verborgen zu sein, und doch braucht der Professor eine ganze Weile, bis seine Ermittlung zu einem Ergebnis gelangt. 

    Die Spannung resultiert also aus der Frage, ob irgendjemand merken wird, dass sich eine frisch gemeuchelte Leiche in der Mitte der Wohnung befindet – und wie lange es dauert, bis diese Tatsache publik wird. Dies passiert in der Hutszene: Die Haushälterin gibt ihm aus Versehen zuerst Davids Hut – und die Initialen markieren den Hut eindeutig. Die Mörder haben dieses Detail übersehen. Doch Cadell schweigt zunächst – und kehrt zurück, sobald alle anderen Besucher gegangen sind. Dann folgt der nervenaufreibende Showdown.

Unterm Strich

Hitchcock wollte 1948 seine eigenen Filme produzieren, denn er wusste, dass dies sehr lukrativ wäre. Er gründete zusammen mit Sidney Bernstein die Firma Transatlantic Pictures. Das erste projekt war „Rope“, das zweite „Under Capricorn“. Beide Produktionen floppten und finden bis heute wenig Gnade unter den Augen der Kritiker, vom Publikum ganz zu schweigen. 

Der Hauptgrund dafür ist die unglaubliche Langsamkeit der Handlung, die ein Ergebnis einer Todsünde ist, die Hitchcock zugunsten einer Art Experiment beging, um gegen sein eigenes Mantra zu verstoßen. Die Einstellungen sind derart lang und langatmig, weil der Regisseur fast vollständig auf Schnitte und Montage verzichtet. Er wollte „Rope“ in einem einzigen langen Take drehen, was aber mit der damaligen Technik nicht zu bewerkstelligen war. Deshalb folgt spätestens nach zehn Minuten eine getarnte Schwarzblende. 

Wie auch immer: Das Vergnügen an „Rope“ ist begrenzt. Dabei hat sich der Regisseur redliche Mühe gegeben, die Handlung nicht nur weg vom Thema Homosexualität zu steuern, sondern sie auch mit „Suspense“ und makabrem Humor aufzupeppen. Als Brandon eine Pistole zeigt, steigt der Adrenalinpegel des Zuschauer erheblich. Schon bald fallen Schüsse. 

Nicht zuletzt ist es jedoch die Heuchelei Rupert Cadells, vertreten durch den völlig fehlbesetzten James Stewart, die dem Zuschauer den Spaß verdirbt. Cadell leugnet jede geistige Mitverantwortung an der Mordtat und verurteilt seinerseits die beiden Täter, seine geistigen Schüler: „There must have been something evil in you that would take it seriously!“ Er verlangt also von seinen Schülern, seine Lehren gefälligst NICHT ernstzunehmen, denn sie umzusetzen, hieße ja, BÖSES (evil) zu tun. Mehr Selbstgerechtigkeit kann man wahrlich nicht an den Tag legen. 

Neben dieser durchaus kritischen und damals aktuellen Botschaft – Atombombenabwürfe, KZs, Pogrome, Nürnberger Prozesse usw. – bleibt „Rope“ als Filmexperiment fester Bestandteil des Kanons: Es ist (bis vor kurzem) der einzige kommerzielle Film, der es darauf anlegt, in nur einer einzigen Einstellung dargestellt zu werden. Ich sage „bis vor kurzem“, denn 2015 wurde ein weiteres solches Filmexperiment ob seines Erfolges mit Preisen überschüttet: „Victoria“ von Sebastian Schipper. Geht doch! 

Die Blu-ray

Die Bildqualität ist überragend gut, die des Tons weniger: Er bietet meist Stereoklang, dies allerdings auf hohem Niveau, das beim englischen Original immerhin DTS-HD 2.0 erreicht. Das Bonusmaterial entspricht dem Standard für Universals Hitchcock-Reihe: Produktionsfotos, ein Filmkommentar, ein Traler – das muss reichen. 

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

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