Im 2. Teil der erotischen Abenteuer Emmanuelles ist die Heldin keine suchende junge Frau mehr, die in der Diplomatenkolonie von Bangkok landet, sondern die Gattin des französischen Ingenieurs Jean, dem sie von Bangkok nach Hongkong und schließlich Bali folgt. Immerhin erfuhr sie bereits in Teil 1 ihre Bekehrung zu Polygamie und Bisexualität. Auch in Teil 2 werden einige Tabus der damaligen Zeit gebrochen.

Filminfos

  • O-Titel: Emmanuelle – L’Antivierge (F, 1975), DVD: 2001
  • FSK: ab 18
  • Länge: ca. 88 Min. (TV: 75 Min.)
  • Regisseur: Franco Giacobetti
  • Drehbuch: Franco Giacobetti, Robert Elia nach dem Roman „Emmanuelle L’Antivierge“ von Emmanuelle Arsan
  • Musik: Francis Lai 
  • Darsteller: Sylvia Kristel (Emmanuelle), Umberto Orsini (Jean, Ingenieur), Catherine River (Anna Maria), Frédéric Lagache (Christopher, der Pilot), Carolin Laurence (Ingrid), Florence lafuma (Laura), Laura Gemser (!, Masseuse) u.v.a.

Handlung

Wie in so vielen Erotikfilmen ist das, was man allgemein „die Handlung“ nennt, lediglich eine Abfolge von erotischen Begegnungen. Es ist dann meist dem Zuschauer überlassen, ob er diesem „Reigen“ wie bei Arthur Schnitzler eine Bedeutung beimisst oder nicht. Bei „Emmanuelle 2“ ist es eher schwierig, eine Bedeutung zu erkennen. Aber es gibt ein allgemein verbreitetes Konstruktionsprinzip: Verschieße nie dein Pulver am Anfang und liefere am Schluss eine grandioses Finale! Diesem Prinzip wurde auch in diesem Film Folge geleistet.

Aus unerfindlichen Gründen nimmt Emmanuelle statt des Fliegers lieber den Dampfer von Bangkok nach Hongkong. Aus weiteren unerfindlichen Gründen landet sie im dritten Zwischendeck statt in einer Kabine der 1. Klasse. Das gibt ihr immerhin Gelegenheit zu einer angenehmen zwischenmenschlichen Begegnung. Die blonde Ingrid (Laurence) wurde angeblich von drei Filipina-Mädchen vergewaltigt und fürchtet sich nun in der Nacht. Emmanuelle zeigt ihr, wie man die Angst auf angenehmste Weise vertreibt. Wir sehen ihre Finger in Ingrids blütenweißem Höschen.

In Hongkong feiern Jean und Emmanuelle ihr Wiedersehen mit einer längeren intimen Begegnung. Doch im Hause befindet sich ein Besucher namens Christopher, den Emmanuelle im Bade überrascht. Dieser Pilot, der anscheinend auch mit dem Propeller seiner Maschine ins Bett geht, so liebevoll pflegt er ihn, bevorzugt jedoch zu ihrer Verärgerung eurasische Frauen und zwar fast nur im „Jade-Garten“, einem Bordell im Hafenviertel. Wie tief kann man eigentlich sinken?

Wenigstens darf er Emmanuelle beim Shopping begleiten. Nach der Einnahme einer chinesischen Geheimmedizin und der Applikation von Akupunkturnadeln an strategisch wichtigen Stellen hat Emmanuelle einen Traum: Sie und Christopher treiben sich gegenseitig zur Ekstase. Die Traumbilder sind in kühlem Blau gehalten und sehr ästhetisch.

Bei Freunden begegnet Emmanuelle einer ehemaligen Sex-Partnerin ihres Mannes, Laura. Sie gesteht ihr zu, dass Laura einen guten Geschmack habe, was Männer angehe. Sie lernt Anna Maria kennen, eine junge blonde Balletttänzerin, die sie zu sich in die Ballettschule einlädt. Im Studio entdeckt Emmanuelle eine seltsame Vorrichtung und setzt diese sogleich in Betrieb. Es handelt sich um einen altmodischen Projektor: ein Stereoskop, in das man oben hineinschauen kann, um einen kurzen Film zu sehen. Der Zeichentrickfilm hat es ihn sich: Er zeigt eine junge blonde Balletteuse, die von einer Lederdomina ausgezogen und mit künstlichem Penis verwöhnt wird. Eine zweite Domina (oder ein dunkelhäutiger Mann) kommt hinzu und steckt der Tänzerin einen weiteren Penis in den Mund. Nun betritt der Ballettlehrer das Studio, denn er gedenkt sich hier umzuziehen. Er erblickt die schon ziemlich angetörnte Emmanuelle in ihrem luftigen Aufzug und schreitet sogleich zur Tat.

Emmanuelle geht mit Anna Maria zum Polospiel. Als sie zum Telefon gerufen wird (es gibt noch keine Handys), muss sie durch die Ankleide der Männer. Ein etwas lädierter Polospieler, der vom Pferd gefallen ist, zieht sich um, so dass Emmanuelle seinen über und über tätowierten Körper bewundern kann. Es dauert nicht lange und die beiden befinden sich in einem amourösen Clinch.

Nun folgt eine der längsten und schönsten Szenen des ganzen Films. Anna Maria hat zugegeben, noch Jungfrau zu sein. Da eine Schweinehitze herrscht, findet der Vorschlag, ins Badehaus zu gehen, allgemeinen Anklang. Nach dem Baden begeben sich Emmanuelle, Jean und Anna Maria in die fürsorglichen Hände von drei Masseusen, die die Europäer nach Strich und Faden verwöhnen. Sex findet nicht statt, aber es wird trotzdem ganz schön heiß in der Hütte. Hier tritt erstmals „Black Emmanuelle“ Laura Gemser auf. Zum Glück darf sie kein Wort sagen. Sie verwöhnt Anna Maria, bis diese sich im Delirium wähnt.

Harter Schnitt: Offenbar läuft Christophers Aufenthaltserlebnis in der britischen Kronkolonie ab. Da jean unabkömmlich ist, muss Emmanuelle ins hafenviertel, um ihn zu suchen. Im „Jade-Garten“ tummelt sich nicht nur käufliche Weiblichkeit, sondern auch jede Menge Matrosen, vermutlich britische Sailors. Emmanuelle wird in ihrem roten Kleid aus chinesischer Seide sofort für eines der Mädchen gehalten und angemacht. Dann schickt sie Christopher nach Hause, nimmt ihm zuvor noch verächtlich die Bezahl-Chips ab und besorgt sich selbst ein paar Matrosen. Während sie später Jean liebt, denkt sie an diese Nacht zurück. Dies führt zu einem reizvollen Farbkontrast zwischen weiß – Jeans Laken – und rot, dem Interieur des „Jade-Gartens“.

Nach anstrengenden Wochen als Ingenieur und nach Christophers Abreise gönnt sich Jean eine Auszeit. Er lädt seine Frau und Anna Maria auf eine Urlaubsreise nach Bali ein, die in der letzten Viertelstunde des Films dokumentiert wird. Wir sehen eine bemerkenswerte Aufführung eines Tempeltanzdramas, das sich zwischen einem dämonischen Verführer und einer edlen Dame abspielt, wobei das Paar umgeben ist von Reihen rhythmisch klatschender und rufender Männer. Recht eindrucksvolle Folklore also.

Nachdem sich Anna Maria zwar in einen blonden Hippie namens Michael verguckt hat, will sie aber ihre Jungfräulichkeit nicht an ihn verlieren. Statt dessen überlässt sie netterweise Jean und Emmanuelle diese Ehre. Recht so! Das Finale wird also von einem schönen, stilvoll gestalteten Dreier gebildet. Wieder einmal hat es Emmanuelle geschafft, eine Frau in die Freuden der polygamen Liebe einzuführen. Das Abspannlied lobt denn auch Emmanuelle in schönsten Worten.

Die DVD

Technische Infos

  • Bildformate: 16:9
  • Tonformate: mono
  • Sprachen: D, Engl. F, Span.
  • Untertitel: D, Engl. F, Span., Türkisch, NL, Portugiesisch
  • Extras:
    • Original-Trailer (frz., keine Untertitel)

Mein Eindruck

Emmanuelles Philosophie

Für den Uneingeweihten dürfte sich der Ablauf des Films als unmotiviertes Bäumchen-wechsel-dich-Spiel darstellen. Das Gegenteil ist richtig. Es besteht ein klare Gegenüberstellung zwischen dem egozentrischen Christopher und der aufgeschlossenen Anna Maria. Zwischen diesen beiden stehen als Vermittler Jean, aber mehr noch seine Frau Emmanuelle. Emmanuelle ist die Antivierge – das kann einerseits bedeuten, dass sie das Gegenteil einer Jungfrau ist, also polygam und offen teilend; zum anderen kann es bedeuten, dass sie für eine Jungfrau quasi das Gegenmittel darstellt, und so wird aus Anna Maria eine Frau.

Die Rolle und Einstellung Emmanuelles geht auf die Philosophie des uneingeschränkten Schenkens und Teilens körperlicher Lust zurück, die Emmanuelle Arsan seit ihrem ersten Roman vertritt. Deshalb verachtet die Film-Emmanuelle – so gut dies Sylvia Kristel darzustellen vermag – den Eogzentrismus Christopher, der dazu führt, dass er seine Lustbefriedigung im Bordell sucht bzw. suchen muss. Sie widerlegt ihn auf recht praktische Weise, indem sie ihren Körper mit drei Matrosen teilt.

Aufgrund dieser Logik kommt es auch zu keiner erotischen Begegnung zwischen Christopher und Anna Maria, den zwei Gegensätzen. Nach Emmanuelles Maßstäben kann der Jungfrau nichts Besseres passieren, als sich ihr anzuvertrauen, um zur Frau zu werden.

Tabus

Es finden im Film einige Grenzübertretungen statt, die der ehutige, ach so auf- und abgeklärte Zuschauer vielleicht gar nicht mehr als solche wahrnimmt. Der wichtigste Tabubruch ist Sex mit einem Farbigen, dem Tanzlehrer. Diese Szene wird dezent durch den Trickfilm vorbereitet. Der zweite Tabubruch ist natürlich Sex mit einer Minderjährigen, Anna Maria. Drittens treibt es Emmanuelle zugleich mit mehreren Männern und bezahlt diese sogar dafür. Für eingefleischte Kolonialisten und Machos dürfte auch Sex mit Thaimädchen und überhaupt gleichgeschlechtlicher Sex (mit Ingrid auf der Fähre) zu den Tabuverstößen gehören. Vielleicht waren sie das auch noch 1975.

Inszenierung

Verglichen mit Darstellungen aus Hardcore-Pornos ist der Film äußerst zahm, dafür aber weitaus wirkungsvoller in seiner anregenden Wirkung, was die dargestellte weibliche Sinnlichkeit angeht. Emmanuelle ist nicht nur aufregend gekleidet (nix BH!), sondern duftet wahrscheinlich auch umwerfend (ein guter Grund, endlich das Riech-Fernsehen zu erfinden!). Die Kamera hat nichts mit Weichzeichner aufgenommen (das überließ man David Hamilton & Konsorten), sondern stellt alle Details gestochen scharf dar.

Zu weiteren guten Einfällen des Regisseurs gehört die Farbkodierung bestimmter Szenen. Aus dem 08/15-Western ist Farbkodierung jedem Zuschauer vertraut: Die Guten tragen weiße, die Bösen schwarze Hüte. In Parodien oder Satiren ist es natürlich umgekehrt. Farbkodierung ist auch ein wesentliches Merkmal bestimmter Räume. So sind Duschen häufig von einem kränklichen Weiß – und zwar nicht nur in Hitchcocks „Psycho“, weil dieser Film in S/W gedreht wurde! Das erinnert daran, dass Weiß nicht nur die Farbe der Reinheit (im Westen) ist, sondern in Ostasien traditionell die Farbe des Todes.

Farben erzeugen Stimmungen. In „Emmanuelle 2“ ist das Interieur des Bordells ganz mit knallroter Seide ausgeschlagen, was einen extrem erotischen, aber auch aufdringlichen Eindruck hervorruft. Im Gegensatz ist Emmanuelles Akupunktur-induzierter Traum ganz in kühles Aquamarinblau getaucht. Springt einen das Bordellrot quasi an, so saugt einen das dunkle Traumblau hinein. Auf dem Zwischendeck der Fähre herrscht wieder eine ganz andere Stimmung: Das Dämmerlicht erlaubt intime Begegnungen zwischen unbekannten Menschen. Ein subtiles Beige und Sepiabraun umspielt die weiblichen Körper. Im Badehaus erhöht der Kontrast zwischen braunhätiger Masseuse und weißhäutiger Europäerin den Reiz der erotischen Begegnung.

Schwächen

Die Musik hat all diese Stimmungen adäquat zu untermalen. Dies gelingt Francis Lai in vielen Fällen, aber nicht immer. Seine Klavierkadenzen werden allzuoft wiederholt, als dass dies nicht nach dem dritten Mal auffiele. Dann ist es schon zu spät: Das Immergleiche beginnt zu stören. Auch Romantizismus erfordert Einfallsreichtum.

Was nun die Athentizität der Komparsen und Nebendarsteller angeht, so kommen schon früh erhebliche Zweifel auf. Wenn der Schauplatz der Handlung das semichinesische Hongkong sein soll, warum sind dann so viele Thaimädchen zu sehen. Der Verdacht kommt auf, dass gar nicht in der Kronkolonie gedreht wurde (es ist nur einmal das Schild „Royal Horse Racing Club“ zu sehen), sondern ganz woanders, etwa in Bangkok oder Manila. Und dass Laura Gemser weder Thai- noch Chinamadl ist, dürfte sich herumgesprochen haben. Sie war später in „Black Emmanuelle“ in einer Hauptrolle zu sehen.

Die DVD

Auf dem Silberling haben etliche Sprachfassungen Platz gefunden, auch ein Originaltrailer hat es dorthin geschafft, nicht jedoch irgendwelches Bonusmaterial wie etwa eine Fotogalerie, ein paar informative Filmografien oder gar ein Regiekommentar.

Unterm Strich

„Emmanuelle 2“ bereitet abwechslungsreiche und sinnliche Unterhaltung, wobei einige Hingucker eventuell aufkommende Langeweile zielsicher vertreiben. Wer meint, hier herrsche dramaturgische Willkür, sollte sich mal die Romane der Arsan zu gemüte führen und sich eines Besseren belehren lassen.

Nur das Fehlen von Bonusmaterial führt zu einem Punktabzug.

Hinweis

Wer nun denkt, bei der Emmanuelle-Filmreihe handle es sich um eine kurzlebige filmhistorische Kuriosität, liegt völlig falsch. Es gibt mindestens zwei Dutzend Emmanuelle-Filme. Nach einer Phase, in der die Filmtitel sich in Absurditäten übertrafen, legte sich Anfang der neunziger Jahre Krista Allen ins Zeug beziehungsweise in die Laken. Diese US-Spielart libertiner Frauenliebe führte zu einem halben Dutzend prickelnder Erotikabenteuer. Und nur von diesen sind die meisten auch auf DVD lieferbar. Die Kristel-Filme hingegen findet man oft nur noch auf VHS. (Die Namensahnlichkeit zwischen Kristel und Krista ist – natürlich – rein zufällig.)

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