Das Filmprojekt, das Shainberg bei unzähligen Studios und Produzenten angeboten hat, wie er berichtet, beruht auf einer in den USA bekannten, gleichnamigen Kurzgeschichte von Mary Gaitskill.

Filminfos

  • O-Titel: Secretary (USA 2002), DVD: 3.3.2004 (Sunfilms)
  • FSK: ab 16
  • Länge: 106 Min. inkl. Abspann
  • Regisseur: Steven Shainberg
  • Drehbuch: Erin Cressida Wilson
  • Musik: Angelo Badalamenti, Phil Marshall
  • Darsteller: James Spader, Jeremy Davies, Maggie Gyllenhaal, Lesley Ann Warren u.a.

Handlung

Die junge, schüchterne Landpomeranze Lee Holloway (Gyllenhaal) findet sich nicht in ihrer Familie zurecht. Der Vater trinkt und wird später eingebuchtet, ihre Mutter fürchtet um Lees Gesundheit, und Lees Beinahefreund Peter (Davies) hat selbst gerade erst einen Nervenzusammenbruch hinter sich, wie er freimütig zugibt. Nicht gerade ideale Bedingungen, um wieder auf die Füße zu kommen. So ist es durchaus verständlich, wenn Lee wieder ihrem alten Laster frönt, sich selbst zu verletzen: Der Schmerz ist wenigstens etwas, das sie sich lebendig fühlen lässt. Sie hat ständig ihre Scheren- und Stichelkollektion bei sich: Allzeit bereit, das Mädchen!

Durch puren Zufall entdeckt sie in der elterlichen Mülltonne die Anzeige des Anwalts E. Edward Grey (Spader), der eine Sekretärin sucht. Lee hat zum Glück ein Diplom in diesem Berufsbild und bewirbt sich. Als erstes kommt ihr in der Kanzlei ihre Vorgängerin entgegen, die weinend ihre Sachen rausträgt, den Abfindungsscheck in der Hand. Wird sie auch einmal so enden?

Grey hat ein Problem. Er ist ebenfalls schüchtern, möchte aber seine Sekretärinnen trotzdem wie sein Privateigentum betrachten. Als er daher entdeckt, wie sich Lee und Peter vertraulich unterhalten, zieht er andere Saiten auf. Nun findet er auf einmal in jedem Brief, den Lee tippte, Fehler. Er schickt sie zur Aktensuche in den Müllcontainer und ignoriert dann ihr triumphal abgeliefertes Fundstück. Schließlich bekommt sie eine Tracht Prügel auf den Po. Das gefällt Lee wider Erwarten äußerst gut, denn der Schmerz ist ja ihr Freund.

Absichtlich schmuggelt sie fortan Tippfehler in die Briefe, die sie mit einer altertümlichen IBM-Kugelkopfmaschine verfassen muss – nix PC. Mit Freuden erwartet sie die vorwurfsvollen Responsen ihres Chefs, der jeden noch so kleinen Fehler dick mit seinen roten Filzschreibern markiert. Allmählich verliebt sich Lee in den herrischen Chef, und auch sie scheint ihm nicht egal zu sein. Er hält sie dazu an, sich ordentlich zu kleiden. Schon nach sechs Monaten sieht sie aus wie die ideale devote Sekretärin, die alles für ihren Boss tut – Handschellen inklusive.

Doch nun bekommt Grey kalte Füße. Schließlich muss in einer Dominant-Submissive-Beziehung einer der Dominante sein, und das ist er. So will es Lee. Dazu ist er (noch) nicht bereit. Er verbannt alle Rotstifte und behandelt Lee wie Luft. Als sie ihm einen Regenwurm in den Brief praktiziert, bestraft er sie noch ein letztes Mal. Danach muss auch sie andere Saiten aufziehen: Sie geht in den Hungerstreik, um ihren Traummann zu bekommen – ein gefundenes Fressen für die ganze Stadt.

Die DVD

Technische Infos

  • Bildformate: 1,85:1, 16:9
  • Tonformate: DD 5.1, DTS
  • Sprachen: D, GB
  • Untertitel: D
  • Extras:
    • Dt. Kino-Trailer
    • Bio-/Filmografien: Spader, Gyllenhaal, Davies, Shainberg
    • Interviews: Spader, Gyllenhaal, Shainberg (mit/ohne Untertiteln)
    • Behind the scenes
    • Trailershow: Dolls; Zug des Lebens; Super Sucker; Harvard Man; I Witness; Vidocq

Mein Eindruck

Man kann es den Hollywoodbossen nicht verdenken, wenn sie meinten, die Story müsse völlig anders enden. Lees Verhaltensabweichung betrachten sie als Problem, das der Heilung bedürfe, doch für Autorin, Drehbuchschreiberin und Regisseur ist gerade die Verhaltensabweichung die Heilung  für das Problem, an dem Lee ansonsten leidet: der Gleichgültigkeit ihrer Umgebung, der zerfallenen Ehe ihrer Eltern, der Perspektivlosigkeit auf dem Lande: kurzum dem Lebendigbegrabensein.

Über Grey erfahren wir leider zu wenig, um ihn gänzlich zu verstehen. Da gibt es eine wütende Ex-Frau Patricia und eine mysteriöse blonde „Referendarin“, für die Grey 500 Dollar pro Besuch berappt. Ansonsten hat er nicht viel zu erzählen. Lee dafür umso mehr. Die beiden nähern sich in einem feinfühlig dargestellten Tanz aneinander an, bis er schließlich kalte Füße bekommt. Dennoch merkt man, dass er sie haben möchte – nur über die Bedingungen ist er mit selbst nicht im Reinen. 

Diese beiden ausgezeichneten Schauspieler tragen die ganze Geschichte, und bei jedem Aufeinandertreffen ist man auf den Ausgang gespannt. Dabei darf man sich aber nicht zuviel versprechen. Man muss schon eine Menge von Psychologie – der männlichen wie auch der weiblichen – verstehen, um das Ergebnis jeder Szene bewerten zu können. Auch die sogenannte Action wie etwa Hintern-versohlen und dergleichen sollte man nicht überbewerten. Das sind Oberflächlichkeiten, nach denen der Pornokonsument giert, aber nicht der intelligente Zuschauer bei diesem Kammerspiel. 

Shainberg hat die Lovestory der anderen Art als eine leise Komödie inszeniert, bei der andere Regeln als sonst üblich gelten. Selbst die devote Dame holt da schon mal zum Schlag aus und gibt ihrem Verlobten Peter den Laufpass. Sie weiß, was sie will, und sie will es unbedingt, und koste es ihr Leben. Das ist natürlich ein Politikum und Medienereignis ersten Ranges in dem Provinzstädtchen. Und siehe da: Die Leidende findet als Jesusersatz zu neuen Ehren und Würden. Über die gut gemeinten Ratschläge ihrer Umgebung kann man da nur lächeln. Aber wird sie auch ihren Traummann kriegen?

Die DVD

Die Silberscheibe ist ab 16 Jahren freigegeben, und das geht in Ordnung. Gewaltanwendung gegenüber Frauen, wie sie hier zu sehen ist, erfordert eine gewisse Bewusstheit und Aufgeschlossenheit in den sexuell orientierten Ansichten. Sonst könnte der Film als Anleitung zum Frauenverprügeln missverstanden werden.

Am interessantesten unter den Interviews sind die mit Shainberg und Gyllenhaal, denn Spader stammelt und stottert, dass es einen erbarmt. Maggie Gyllenhaal ist hingegen eine unglaublich lebendige und aufgeschlossene Frau, die auch für Dominant-Submissive-Beziehungen viel Verständnis zeigt. Das Drehbuch hält sie für eines der interessantesten der letzten Jahre. In Zeiten der kulturellen Verwüstung durch die Political Correctness und christlichen Fundamentalismus in den USA ist dies aber auch kein Wunder. Shainberg erzählt, wie es zu diesem Film kam (siehe oben).

Neben den Bio- und filmografischen Notizen sind noch etliche Trailer zu sehen. Übrigens täuscht der deutsche „Secretary“-Trailer etwas vor, das wie eine konventionelle Geschlechterkomödie aussieht, die nur anders aufgezogen ist als etwa „American Pie“. Das ist leider völlig irreführend. 

Unterm Strich

Kein Film für Ungeduldige! So mancher mag sich unter „Sadomaso-Beziehung“ wunder was vorstellen, aber hier wird er mit Sicherheit nicht fündig werden. „Secretary“ ist eine sehr humorvolle Geschlechterkomödie der leisen Töne. Die zwei Hauptdarsteller, optimal in Szene gesetzt von der Regie, tragen die Story durch die Nuancen ihres Spiels. Nur so kommen die Pointen des Drehbuchs – der Regenwurm, die Fantasien, der Hungerstreik – wie beabsichtigt herüber und nicht als Holzhammerklamauk. Der Film ist also ziemlich langsam und nur wenig sexy, dafür kommt die Erotikfraktion eher auf ihre Kosten. Erotik ist, wenn’s knistert.

Wertung

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

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