In den späten 20er Jahren treffen sich in der Villa des Surrealisten Faldo namhafte moderne Künstler aus den Bereichen Literatur, Malerei und Bildhauerei, um unter Leitung von Faldos Sohn Edgar und in Gegenwart von zwei sowohl als Musen als auch als Stenotypistinnen engagierten Damen mit eher bürgerlichem Hintergrund ihre gar nicht einmal sonderlich revolutionären Ansichten über die Sexualität und deren Spielarten darzulegen. 

Was ist ein perfekter Orgasmus? Verwechseln Männer Liebe mit Sex? Wird der Mensch beim Sex zum Tier? Edgars Vorhaben leider ein wenig außer Kontrolle. Bald kommt es zur Reibereien, Streits und diversen „Interaktionen“. 

Filminfos

  • O-Titel: Investigating Sex (USA / Deutschland 2001)
  • Dt. Vertrieb: Sunfilm
  • DVD-Erscheinungstermin: 1. Dez. 2006
  • ASIN: B000HXD58Y
  • FSK: ab 16
  • Länge: ca. 104 Min.
  • Regisseur: Alan Rudolph
  • Drehbuch: Alan Rudolph / Michael Henry Wilson
  • Musik: Ulf Skogsbergh
  • Darsteller: Til Schweiger, Nick Nolte, Neve Campbell, Julie Delpy, Dermot Mulroney, Jeremy Davies, Alan Cumming, Robin Tunney, John Light, Terrence Howard, Tuesday Weld, Emily Bruni, Jacqueline Anderson, Marc Hosemann, Joseph May

Handlung

Im Umfeld der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, anno 1929: In einem großen feudalen Haus wird Edgar Faldo (Mulroney) von seiner Freundin Chloe (Delpy) verlassen. Sie ist gar nicht happy mit ihm, denn er will eine Verbindung aus Traum und Wirklichkeit, einen Sukkubus – einen weiblichen Sexdämon. Chloe ist alles andere als das.

Zoe (Tunney), eine überhaupt nicht lustfeindliche Studentin und angehende Schriftstellerin, und Alice (Campbell), die immer noch Jungfrau ist, begeben sich als Stenotypistinnen zu Edgars Haus. Bevor sie eintreten können, stürzt der Filmemacher Oskar (Davies) heraus und verabschiedet sich. Sie werden ihn bei späteren Sitzungen wiedersehen. Edgar lässt die Damen ein und gibt ihnen schwarze „Uniformen“ zu tragen. Dabei handelt es sich allerdings um recht hübsche Abendkleider. 

Bislang haben Zoe und Alice noch keine Peilung, was sie eigentlich protokollieren sollen. Edgar stellt seine Gesprächspartner im Salon vor, der mit Kunstwerken surrealer Künstler vollgestellt ist. Da wäre zunächst einmal der fesche Deutsche Monty (Schweiger), dann sind da noch der etwas steife Brite Peter (John Light), der Edgars Chloe heiraten will, und der witzige Maler Savy (Cumming), der mit Janet (Emily Bruni) verheiratet ist. Der Herr des Hauses, Edgars Vater (Nick Nolte), ein Zeitungsbesitzer, wird für später erwartet.

Die Stenografinnen horchen auf, als das Thema der Diskussionsrunde erklärt wird: Sexualität. Von Kinsey hat man noch nicht gehört, und die Europäer wie Sigmund Freud und C.G. Jung müssen erst noch ihren Weg in die USA finden. Immerhin gibt es schon die Surrealisten. Edgar fragt: Wie erkennt man den Orgasmus des Partners? Eine knifflige Frage, und wie lässt sie sich, bitteschön, auf Homosexualität anwenden? Wieder mal schwärmt Edgar von seinem Lieblingsthema, dem weiblichen Sukkubus. Alice hat eine Vision von einem nackten Edgar, die sie gleich wieder verscheucht. 

Kaum ist Faldo senior eingetroffen, gibt es Krach. Er ist eben ein beherrschender Mann, den keiner ignorieren kann, ein Selfmademan, der an der Börse gerade sein Vermögen zu verlieren droht – es ist 1929, und der Schwarze Freitag steht vor der Tür. Savy, der Maler, lässt sich ungern für den Schund, den Faldo anschleppt, verdrängen, aber er wird zurückgehalten, bevor seine Fäuste treffen können.

Edgar wieder: Worin unterscheiden sich die Orgasmen von Mann und Frau? Savy gesteht, er ziehe Analverkehr vor, was zu einigen hochgezogenen Augenbrauen führt. Faldo prahlt, er könne jede Frau befriedigen, denn er weiß Bescheid über den „kleinen Mann im Boot“. Auch darüber besteht offenbar Klärungsbedarf. 

Am dritten Tag geht es um Dreiecksverhältnisse und ob man als Voyeur Lust empfinden kann. Am dritten Tag verblüfft Faldo senior seine Zuhörer mit dem Geständnis, das SEINE erste Liebe eine Eselin gewesen sei. Als sich seine Zuhörer angeekelt winden und sich die Assistentinnen das Taschentuch vor Mund und Nase halten, bricht er in Lachen aus und ruft, es sei nur ein Scherz gewesen, um sie reinzulegen. (Später verrät seine Geliebte Sascha (Tuesday Weld), dass es sich nicht um eine Eselin, sondern um ein Muli gehandelt habe.)

Am zweiten Tag macht Oskar auf seine unnachahmliche, stumme Weise ein erotisches Foto von Zoe in ihrem BH und lädt die zwei Assistentinnen, die inzwischen zu Musen aufgestiegen sind, zu einer Vorführung seiner Filme im engsten Kreis der Vertrauten ein – welch eine Ehre. Diese kurzen erotischen Filme tragen die Titel „The art of flesh“ und „Sentenced to afterlife“. 

Während Zoe sich vorstellen kann, in solchen Bildwerken aufzutreten, fühlt sich Chloe, die offenbar mehr Vorstellungsvermögen besitzt, von dem Sukkubus in dem zweiten Film inspiriert. Sie denkt an Edgars Faszination mit Sukkuben und beschließt, einen Vorstoß in dieser Richtung zu wagen.

Mein Eindruck

Regisseur Alan Rudolph („Choose me – Sag ja“) hat sein Faible für intellektuelle Konversationen vor jüngerem historischen Hintergrund bereits mit „The Moderns“ und „Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis“ unter Beweis gestellt. Nun lässt er Freigeister über Sex fabulieren. Der Stoff für das heitere Ensembledrama ist von André Bretons Protokoll „Recherches sur la sexualité, archives du surréalisme“ (1928-1932) inspiriert, also weit von Freud Spekulationen über den Ödipus-Komplex, hat aber auch nichts mit Kinseys bürokratischer Wissenschaftlichkeit zu tun, die ja auch schon als „Dr. Sex“ in Bild und Text umgesetzt wurde. Nein, zunächst erzählen hier ein paar Freigeister, was sie über Sex denken.

Der Haken dabei ist natürlich, dass Sex nur selten von Liebe zu trennen ist, jedenfalls für die Damenwelt. Für Alice und die anderen ist Begehren und Verlangen eng verknüpft mit intensiven Gefühlen. Auch Edgar tendiert in diese Richtung, gesteht sich jedoch nicht ein, dass er es vorzieht, ein Phantom wie etwa einen Sukkubus zu begehren, das in sicherer Entfernung von der Wirklichkeit bleibt. Er will keine Verantwortung übernehmen, wie ihm am Schluss sein Vater vorwirft. Dieser Vater, herrlich grobschlächtig gespielt von Nick Nolte, behauptet, er könne eine Frau auch ohne Gefühlsverstrickungen lieben. Er macht sogleich die probe aufs Exempel, als er seine Freundin Sascha umgehend verführt, obwohl diese sich noch eben mit ihm gestritten hat. Lachend gibt sie nach. Q.E.D.

Eine wichtige Dreiecksgeschichte ist bislang nur angedeutet worden. Chloe hat mit Edgar geschlafen, wird jedoch dauernd von Peter bekniet, ihn zu heiraten. Sie ist unentschlossen, denn von Sex hat Peter keine Ahnung. Hier fliegen über kurz ode lang die Fäuste. Da lob ich mir Laurence, den schwarzen Charmeur, der von Alices Duft so hingerissen ist, dass er stundenlang masturbieren kann wie schon lange nicht mehr. 

Auch Monty, der Deutsche, hat kein Problem damit, sein Begehren zu entfachen und Janet, Savys Frau, zu zeigen, wie sehr er auf sie steht. Als die Dinge eskalieren, ergibt sich zwischen Monty und Janet die einzige richtig lustige Szene der ganzen Laberkiste. Janet ist durchs Savys Vorliebe auf Analverkehr geeicht und kehrt dem verblüfften Monty zuerst ihren entzückenden Rücken zu. Er beeilt sich, ihr zu erklären, dass die meisten Menschen die Frontalstellung bevorzugen. Das wird für sie zu einer Entdeckungsreise in neue erotische Gefilde – ihr Vergnügen ist nicht zu überhören. Kein Wunder, dass sie sich von Savy, welcher Monty unendlich dankbar ist, verabschieden, weil sie jetzt gleich auf eine „Expedition“ gehen wollen.

Bei diesen beiden Dreiecksgeschichten beweisen Schauspieler, Regisseur und Cutter, was sie draufhaben. Dies ist ein Drama der Blicke, und man möchte sich glatt die Pupillen anspitzen, um alles mitzubekommen, was die Darsteller mit ihren Blickduellen ausdrücken können. 

Eine wichtige Rolle spielen auch die Filme im Film. Die beiden erotischen Kurzfilme, die Oskar für seinen Produzenten Faldo gedreht hat, lassen den Zuschauer etwas vom surrealistischen Einfallsreichtum erahnen, der frühen Filmproduktionen innewohnt. Man denke beispielsweise an „Das Cabinet des Dr. Caligari“ und den die DVD begleitenden Kurzfilm „Genuine (Tale of a Vampire)“ von 1919. Im Sukkubus-Film „Sentenced to afterlife“ verschwindet die Seele eines in einem Käfig gefangenen Mannes in einer engelhaften, nackten Frauenfigur – ein hübscher Trick des Verschwindens. Im ersten Kurzfilm „Art of Flesh“ will eine junge Frau einen Metzger verführen, der flaschenbodendicke Brillengläser trägt. Durch einen simplen Trick gelingt es ihr, seine Aufmerksamkeit zu wecken.

Der letzte Akt der Diskussionsrunde wird von Oskar mit einer kleinen Handkamera gefilmt, die für das Jahr 1929 schon erstaunlich weit entwickelt ist. Zoe hat sich inzwischen zu seiner Regieassistentin gemausert. Sie stoßen auf Momente der Annäherung, die dem ungeschärften Auge wahrscheinlich entgehen würden: z.B. ein Schuh, der an einem Schienbein hochstreichelt. Als es ihnen zu langweilig wird, setzen sich die beiden Filmgenies Vogelmasken auf und kommen sich neckend näher, ganz im Stil des Surrealismus. Weil die Masken beim Küssen hinderlich sind, müssen auch diese beiden letzten Schranken fallen.

Schauwerte

Die beiden erotischen Kurzfilme bieten hinsichtlich Schauwerten wesentlich mehr als die Darsteller, die eigentlich in der „Realität“ agieren. Doch der Trailer suggeriert, dass hier jede Menge Brüste zu sehen wären – das Gegenteil ist der Fall. Lediglich die Oberweite von Delpy, Campbell und Bruni ist gut zu sehen, doch die Damenwelt dürfte mehr darüber entzückt sein, die entblößte Hinterfront von Til Schweiger (oder dessen Body Double) bewundern zu dürfen. FSK 16 ist ja gut gemeint, aber in jedem PLAYBOY-Heft gibt es an nackten Tatsachen mehr zu sehen.

Die DVD

Technische Infos

  • Bildformate: 2,35:1 (anamorph)
  • Tonformate: D in DTS und DD 5.1, Englisch in DD 5.1
  • Sprachen: D, Englisch
  • Untertitel: D
  • Extras:
    • Bio- / Filmografien (Texttafeln):
      • Dermot Mulroney (5 Seiten)
      • Julie Delpy (6 Seiten)
      • Robin Tunney (5 Seiten)
      • Neve Campbell (6 Seiten)
      • Til Schweiger (9 Seiten)
      • Alan Cumming (7 Seiten)
      • Jeremy Davies (6 Seiten)
      • Nick Nolte (7 Seiten)
      • Alan Rudolph, Regie (7 Seiten)
    • Deutscher Kinotrailer [1:45 Min.]
    • Trailer weiterer Veröffentlichungen: [11:23 Min.]
      • Minotaurus
      • Der Venedic Code
      • First Descent
      • Die wilden Siebziger
      • Hinterm Mond gleich links
      • Venus & Apoll

Mein Eindruck: die DVD

Der Ton der DVD erklingt in feinstem DTS-Standard, was in erster Linie der filigran komponierten Musk zugutekommt: akustische Gitarre, Harfe und Flöte sind nicht gerade die lautesten Instrumente, sondern sorgen für leise Töne. Das Bild scheint auch ganz in Ordnung zu sein, doch die Kulissen, in den die Szenen außerhalb des Salons spielen, wirken zu sauber, zu aufgeräumt. Die Ladenschilder sehen aus wie an ihrem ersten Tag an der frischen Luft. 

Die Extras umfassen eine Fülle von Informationen in den Filmografien der acht bekanntesten der Darsteller und des Regisseurs. Hierdurch wird überdeutlich, dass eine recht hochkarätige Besetzung zu diesem deutschamerikanischen Künstler & Sex-Projekt zusammengefunden hat. Es verrät einen gewissen Patriotismus des deutschen Verleihs, dass Til Schweiger die deutlich längste Filmografie vorzuweisen hat: neun Texttafeln. Die restlichen Beiträge in den Extras bestehen aus Werbung. Einen Kommentar hätte ich sehr hilfreich gefunden, vielleicht kommt er noch in einer Special Edition. Doch dafür müsste sich die Silberscheibe sehr gut verkaufen.

Unterm Strich

In dieser deutschamerikanischen Kunstfilmproduktion gibt sich Schauspielprominenz von Nick Nolte über „Scream“-Queen Neve Campbell bis zu Germanien Filmstar Til Schweiger ein Stelldichein. Das und das pikante Thema Sexualität könnte auch auch weniger Literatur-affine Zuschauer für den Streifen interessieren. 

Gerade das Dreiecksspiel der Geschlechter ist von Regisseur Alan Rudolph auf einfühlsame und interessante Weise eingesetzt worden, um sowohl das Rätsel Liebe als auch die Anziehungskraft des Sexus zu verdeutlichen. Ist Liebe ohne Sex lebenswert oder umgekehrt: Ist Sex ohne Liebe überhaupt denkbar? Die Thesen, die die Diskussionsteilnehmer zur Sprache bringen, sind sicher schon einmal gehört worden: „Liebe ist der Krieg der Gefühle.“ 

Der Humor liegt in der Gegenüberstellung der unterschiedlichen Charaktere und Ansichten, in den Veränderung der Konstellation der Beziehungen: aus Gattin wird Ehebrecherin, aus Jungfrau ein Sukkubus – und aus dem gesetzten Industriellen ein Sodomit. Es ist lustig, welche Praktiken die Herrschaften in Aufregung versetzen. Und wenn der Zuschauer heute sein Sexualwissen testen möchte, kann er oder sie ja mal nachschlagen, was mit dem „kleinen Mann im Boot“ gemeint ist, von dem Faldo senior spricht. Wetten, dass es nicht im Brockhaus steht?

Der deutsche Titel ist zwar gut fürs Marketing, geht aber doch an dem, was den Film ausmacht, vorbei. Rudolphs Streifen eignet sich, wie so viele seiner Produktionen, sehr gut als Diskussionsgrundlage über das, was die Menschen am meisten bewegt. Es ist nicht das Geld, sondern stets das andere Geschlecht bzw. das Mysterium von Liebe und Sexus. 

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