Regelmäßig fährt die schöne Mei nach Festland-China und holt einen gefüllten Henkelmann nach Hongkong. Darin verbirgt sich die geheime Zutat für ihre legendären Teigtaschen (die „Dumplings“ des Titels). Ihre neue Kundin ist die ehemalige Schauspielerin Ching Lee, die gehört hat, dass man durch den genuss dieser Teigtaschen wieder jung und attraktiv werden soll. So will sie ihren Mann zurückgewinnen, der sich lieber jüngeren Frauen widmet. Doch schon bald erfährt sie den makabren Inhalt der wundersamen Speise… (Verlagsinfo)

Filminfos

  • O-Titel: Dumplings (HK 2004)
  • Dt. Vertrieb: E-M-S 2006
  • FSK: ab 18
  • Länge: ca. 87 Min.
  • Regisseur: Fruit Chan
  • Drehbuch: Lilian Lee
  • Musik: Chan Kwong-Wing
  • Darsteller: Bai Ling, Miriam Yeung, Tony Leung u.a.

Handlung

Die adrett gekleidete Mrs. Lee (Miriam Yeung) begibt sich in ein verfallendes Viertel von Hongkong. Was hat sie hier zu suchen? Sie klopft an die Tür von Frau Mei (Bai Ling), die in einem heruntergekommenen Wohnblock mit ihrem Pudel lebt. Angeblich bietet Mei die teuersten Teigtaschen an. Sie sollen Jugend und Schönheit verschaffen bzw. zurückbringen. In ihrer Jugend war Frau Lee selbst Schauspielerin, bis Mr. Lee heiratete. Der geht nun leider mit jüngeren Frauen fremd. Ihr Selbstwertgefühl ist offenbar ziemlich angeknackst.

Gemäß dem Gemälde an der Wand von Frau Meis Wohnung müsste sie 64 Jahre alt sein, aber sie sieht aus wie höchstens 30. Das überzeugt Frau Lee, und sie lässt sich eine Schale voll Teigtaschen zubereiten. Sie muss wohl ahnen, was sich als „geheime Zutat“ in den Teigtaschen befindet, sondern würde sie beim Essen nicht so würgen. Es handelt sich um sehr kleine Embryonen, die Mei kleinhackt und der Füllung zugibt. Sie besorgt sie in einer Abtreibungsklinik in China. Frau Mei schwört auf die Kraft von fünf Monate alten Föten – dann sind sie am besten. Sie muss es ja wissen: Sie früher mal Ärztin.

Trotz der Stärkung durch die Spezial-Teigtaschen wendet sich Frau Lees Glück nicht zum Besseren. Ihr Mann betrügt sie mit der jungen Masseuse Connie, die alsbald schwanger wird. Er geht auf Geschäftsreise und gibt seiner Frau zum Trost einen dicken Scheck. Frau Lee will von Mei ein „stärkeres Mittel“, um ihn zurückzugewinnen. Aber das ist nicht so einfach.

Dennoch hat Frau Mei Glück. Herr Kam hat seine Tochter geschwängert, und Frau Kam kommt zu Mei, damit sie das Kind wegmacht. Mei weiß als Frauenärztin, dass dies im fünften Monat riskant ist, nimmt die Abtreibung aber trotzdem vor. Die Leibesfrucht verarbeitet sie für ihre Spezialteigtaschen, die nur für Frau Lee bestimmt sind, die mittlerweile eine Stammkundin ist.

Als Frau Lee die „Zutat“ sieht, läuft sie erst einmal weg, doch überlegt sie es sich anders. Ihre Abhängigkeit überwindet ihren Widerwillen. Nun scheint sich alles für sie zum Besseren zu wenden. Ihr Mann bricht sich das Bein und als sie ihn im Krankenhaus besucht, erkennen sie, dass er sie braucht. Sie schlafen wieder miteinander. Auch Frau Lees wohlhabende Freundinnen sind ganz hingerissen von ihrer wiedergewonnenen Schönheit, die sie an ihre eigene Jugend erinnert. Doch was ist das für ein seltsamer Fischgeruch am Tisch? Und diese Rötung am Hals scheint auch nicht normal zu sein!

Frau Lee fleht Mei an, ihr zu helfen, doch die wiegelt bloß ab. Dieses Gespräch hört Mr. Lee mit, und schon bald steht er bei Mei auf der Matte. Er droht ihr mit Repressalien wegen ihrer illegalen Geschäfte. Zum essen kommt er nicht so richtig, denn Mei macht ihn so heftig an, dass er im Handumdrehen über sie herfällt. Nun kann er ihr nichts mehr anhängen. Und von ihrem wahren Alter – 64! – ist er sehr beeindruckt. Mei lässt Frau Lee fallen, die sich nun anderweitig behelfen muss.

Wegen Ärger mit der Familie Kam – das Mädchen starb an einer Nachblutung – muss Mei untertauchen. Daher muss Frau Lee, die immer noch ihrem Wahn verfallen ist, zur Selbsthilfe greifen…

Mein Eindruck

Der Regisseur treibt hier mit Grausen sein Spiel, doch die Farce, die er erzählt, hat natürlich eine ernste Botschaft. Es ist eine harsche Kritik an dem Jugend- und Schönheitswahn, dem sicherlich nicht nur Frau Lee verfallen ist, sondern anscheinend auch ein großer Teil der westlich geprägten Kultur, sei es im Westen oder in Asien. Das einzige Mittel, das dagegen hilft, ist Selbstachtung und die Bereitschaft, in Würde zu altern. Mit all den negativen Nebenerscheinungen, die damit verbunden sein mögen. 

Die Figur, die diesen Standpunkt vertritt, ist die Zauberin Mei selbst. Sie ist selbstbewusst und weiß sich stests zu helfen. Sie fordert Frau Lee auf, sich scheiden zu lassen – was hat sie schon zu verlieren?Doch Ching Lee geht nicht darauf ein. Sie entwickelt sich weiter, das ist erfreulich. Aber leider zu einer Frau, die keine Skrupel mehr kennt und auch keine Achtung vor dem Leben eines Ungeborenen. So wie ihr Mann sie zuvor mit Geld abgespeist hatte, übt sie nun selbst Macht mit Geld aus, um ihre Ziele zu erreichen. Und dieses Ziel – ewige Jugend und Schönheit – ist eine Illusion. 

Welches Genre?

Die Entwicklung der Figuren steht zum Glück im Vordergrund dieser grotesken und bitterbösen Farce. Es sind nicht die auf Schockeffekte abgestellten Horrorbilder. Daher kann man auch nicht von einem richtiggehenden Horrorfilm sprechen. Es ist auch keine Fantasy, denn alle Phänomene sind rein psychologisch erklärbar. Dass es sich nicht um einen Krimi handelt, dürfte ebenfalls deutlich geworden sein: Polizei kommt nur am Rande vor. 

Zentrale Themen

Dafür stehen die zentralen Themen des menschlichen Lebens im Mittelpunkt. Zuneigung, Liebe und Sex – Dinge, die sich Ching Lee ersehnt. Ihr Kinderwunsch ging bisher nicht in Erfüllung. Sie hat kein Verhältnis zu Kindern. Diese kommen im Film kaum vor, so etwa das von seinem Vater geschwängerte Mädchen Kate Kam. Lee entwickelt sich von Verzweiflung hin zu grimmiger Entschlossenheit. Auf ihre Weise wirde sie selbst zu einer modernen Hexe. Nur das uns Bai Ling als Frau Mei wesentlich sympathischer ist: Sie strahlt Lebensfreude aus, verfügt über eine gewisse Weisheit und ist so unabhängig, wie es nur geht. Und sie hat ein Gewissen – etwas, das Frau Lee zunehmend abstreift.

Die Optik

Optisch ist der Film ein Leckerbissen. Die Kamera von Christopher Doyle verwandelt das winzige Apartment von Frau Mei in eine Seelenlandschaft, die voller kleiner Geheimnisse – und so manchem Horror – steckt. In diesem „Hexenhäuschen“ ist alles möglich. Die Szene, als Herr Lee über Frau Mei herfällt ist von einer grotesken Dynamik. Dieser erotische Ausbruch erinnert nicht von ungefähr an das zu Fall bringen und Schlachten eines tierischen Opfers. (An einer Stelle wird daran erinnert, dass geile Liebende sich einander „einverleiben“ wollen – auch hier geht’s um Essen.) Der Sex ist auch nicht von schlechten Eltern. Jedenfalls bis Mr. Lee begreift, dass er es mit einer 64 Jahre alten Dame zu tun hat…

Musik

Die Sexszene wird einem Orchester wuchtig dröhnender Trommeln begleitet und in der Wirkung enorm verstärkt. Der DTS-Sound meiner Anlage konnte die Wucht angemessen vermitteln. Entsprechend aufwühlend wirkte die Szene – trotz der grotesken bildlichen Darstellung. Wie hier kommt durchgehend die Musik von Chan Kwong-Wing auf eine aufweckende, unkonventionelle Weise zum Einsatz. Mehr als einmal wird der Zuschauer durch sehr akzentuierte, ungewohnte Sounds aufgeschreckt. Andere Szenen wiederum sind mit einer melancholischen akustischen Gitarre und Flöten unterlegt. Die Musik ist ein wichtiger Bestandteil der ästhetischen Wirkung dieses schönen Films.

Die DVD

Technische Infos

  • Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
  • Tonformate: D in DTS und DD 5.1, Kantonesisch in DD 5.1
  • Sprachen: D, Kantonesisch
  • Untertitel: D
  • Extras:
    • O-Trailer
    • Trailershow
    • Three… Extremes: Dumplings (alternative Kurzfassung)
    • Bio- und Filmografien
    • Making-of
    • Bildergalerie
    • „Ich esse das Kind meines untreuen Mannes“: ein Interview mit Bai Ling 
    • Berlinale-Interview mit Bai Ling
    • Trailershow

Mein Eindruck: die DVD

Die erste CD dieser Special Edition bietet an Extras lediglich den Trailer und eine Trailershow. Daher ist die zweite CD viel interessanter. Sie bietet sechs Extras. 

  1. Der Kurzfilm „Three Extremes: Dumplings“ stellt so etwas wie das Destillat der oben skizzierten Story dar, etwas anders in der Abfolge, nur 36 Minuten lang, und mit einem ganz anderen Schluss. Mrs. Lee sitzt im schönen Bad und führt eine sehr lange, sehr spitze Nadel in ihren Unterleib ein. Das Badewasser färbt sich tiefrot. Aufnahme von ihrem Gesicht. Über ihre Lippen läuft Blut, und eine lange Zunge leckt es eilig ab. Und Frau Lee wird weiter Teigtaschen essen…
  2. Bai Ling ist inzwischen ein Hollywoodstar. Sie hat in „The Crow“ und Richard Geres „Red Corner“ mitgespielt, in „Wild Wild West“ und „Anna und der König“. Leider war ihr sexy Foto auch auf dem Titelbild des amerikanischen „Playboy“. Deshalb bekam George Lucas kalte Füße und schnitt ihren Auftritt in „Star Wars – Episode III“ kurzerhand raus. Seine Filme müssen jugendfrei sein, um Erfolg haben zu können. Bai Ling ist alles andere als jugendfrei.

    Im zweiten Special gibt sie ein Interview (15 Minuten) auf Kantonesisch. Es wird simultan gedolmetscht. Anders als im zweiten Interview spricht sie hier über die alte traditionelle chinesische Medizin, in der alle möglichen Fleischzutaten verwendet wurden, auch Plazenten und offenbar auch Föten. Die Teigtaschen der Zauberin Mei ist anscheinend ein Symbol für den Wahn, Jugend und Schönheit zurückgewinnen zu wollen. Die Story wird als „Allegorie“ aufgefasst (eine richtige Allegorie ist etwas ganz anderes). Bai Ling weist ganz richtig auf die diversen Verjüngungsmethoden des Westens hin und mokiert sich über die großen künstlichen Brüste vieler Schauspielerinnen in Hollywood.
  3. Das Interview Nr. 2 (ca. 10 Min.) wird auf englisch geführt und erweist sich als weniger tiefschürfend. Eine Journalistin fragt Bai Ling, was sie an Kleidern trägt (zu Hause nichts), was für sie „sexy“ und „Schönheit“ bedeuten und ob sie Angst davor habe, alt zu werden. Hat Bai Ling nicht.
  4. Das Making-of von 14:30 Minuten Länge lässt alle Hauptdarsteller, den Produzenten und besonders den Regisseur Fruit Chan zu Wort kommen. Man erklärt die Handlung und die drei Hauptrollen. Dass Tony Leung und Bai Ling Stars sind, wusste ich bereits. Dass aber auch Miriam Yeung einer der größten Kassenschlager des Hongkong-Kinos und –Musikgeschäfts ist, war mir neu. Dort ist sie ein absolutes Popidol. Man stelle sich die Teenies vor, die sich nun mit ihrer Rolle als Kannibalin vertraut machen müssen! Kameramann Christopher Doyle drehte schon die fantastischen Aufnahmen für „Hero“ von Zhang Yimou. Für „Dumplings“ fand er eine faszinierende Optik.
  5. Die Bildergalerie ist in zwei Kategorien aufgeteilt: a) Aufnahmen von Bai Ling (2:30) und b) Filmszenen (2:00). Alle Bilder zeichnen sich durch Topqualität aus.
  6. Das sechste Special bietet biografische Filmografien zu: Bai Ling, Miriam Yeung und – nein, nicht zu Tony Leung, sondern zu Fruit Chan. Alle drei fand ich höchste interessant. Von Fruit Chan wird man im Westen noch viel mehr sehen, denn seine Prostituierten-Trilogie (darunter „Durian Durian“) ist hier noch kaum bekannt.

Als Bonus, der leicht übersehen wird, ist der DVD-Box ein Booklet beigelegt. Hier ist ein Artikel von Anatol Weber (www.schnitt.de) abgedruckt und mit verfremdeten Filmfotos unterlegt. Der Artikel fasst die Handlung zusammen und bewertet die Qualität des Films. Zudem wirft er ein Licht auf die wichtigsten Mitwirkenden. Insgesamt äußert sich der Autor sehr lobend.

Das Bonusmaterial kann sich in dieser Zusammenstellung sehen lassen und qualifiziert die Doppel-DVD als Special Edition.

Unterm Strich

Der Regisseur hat diesen Film als seinen ersten größeren Mainstream-Film bezeichnet. Dem Ergebnis merkt man die Aufgeschlossenheit gegenüber westlichen Einflüssen an. Aber das heißt noch lange nicht, dass er sich westlichem Geschmacksdiktat beugt. Der Ekelfaktor dürfte für so manchen Zuschauer ziemlich hoch sein. Blut fließt, als wäre es überhaupt kein besonderer Saft. 

Auch die chinesischen Wurzeln werden nicht verleugnet. In der traditionellen chinesischen Medizin vertrauen die Menschen auf alle möglichen seltsamen Heilmittel, bis hin zu Tigerpenissen (was zur raschen Dezimierung der Raubkatzen geführt hat) sowie zum Essen von diversen Leibesfrüchten, wovon Föten nur eine sind. Ob Abtreibung per Katheter auch dazu gehört, weiß ich nicht. Aber wer sich dafür interessiert, bekommt im Film den Vorgang in Großaufnahme gezeigt. 

Man merkt es den Schauspielern an, dass ihnen das Spielen in diesem ungewöhnlichen Film großen Spaß gemacht. Für Bai Ling war es der erste chinesische Film, in dem sie nach ihrer Hollywoodkarriere mitwirkte. Eigentlich bemerkenswert, denn sie stammt ursprünglich aus Peking, wo sie an den Studentenunruhen beteiligt war, die auf dem Platz des Himmlischen Friedens niedergeschlagen wurden. Zwei Jahre später verließ sie das Land. Auch für die Hongkonger Popikone Miriam Yeung war es sicher eine besondere Erfahrung. Aus der Oberschicht stammend, hatte sie Gelegenheit, mit einem Mann aus der Arbeiterklasse zu drehen: Fruit Chan. Dass Tony Leung einiges draufhat, ist schon seit seinen Filmen mit Wong-kar-wei bekannt. Optik und Musik runden das Filmerlebnis ab. Doch man sei gewarnt: Es kann einem trotzdem auf den Magen schlagen!

Die Special Edition DVD macht ihrer Bezeichnung alle Ehre. Die ursprüngliche Kurzfassung, zwei Interviews mit Bai Ling, ein Making-of, eine Bildergalerie, das Booklet sowie aufschlussreiche biografische Informationen vermittelten mir einen abgerundeten Eindruck von der Produktion und den Mitwirkenden. Aber diese Information wecken Appetit auf mehr von Fruit Chans Filmen. Wir bekommen sie hoffentlich bald zu sehen.

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