Auf Capri wird unter der Regie Fritz Langs ein Film über die Irrfahrten des Odysseus gedreht. Der amerikanische Produzent Jeremy Prokosch (Jack Palance) verachtet Langs „Kunstkino“ und beauftragt den jungen Autor Paul Javal (Michel Piccoli) mit der Umarbeitung des Drehbuchs. Außerdem macht er Javals schöner Frau Camille (Brigitte Bardot) den Hof. Als Camille spürt, dass ihr Mann sie mit dem produzenten verkuppeln will, schlägt ihre Liebe zu Paul in Verachtung um…

Filminfos

  • O-Titel: Le mépris / Il disprezzo (Italien/F 1963)
  • Dt. Vertrieb: SZ
  • FSK: ab 6
  • Länge: ca. 99 Min.
  • Regisseur: Jean-Luc Godard
  • Drehbuch: Jean-Luc Godard, nach dem Roman von Alberto Moravia
  • Musik: Georges Delerue
  • Darsteller: Brigitte Bardot, Michel Piccoli, Jack Palance, Fritz Lang, Georgia Moll

Handlung

Der französische Bühnenautor Paul Javal (Piccoli) hat von dem amerikanischen Filmproduzenten Prokosch (Palance) eine Einladung nach Italien erhalten. Zusammen mit seiner jungen Frau Camille (Bardot), einer sexy Stenotypistin, folgt er der Einladung. Denn wo Filme entstehen, winkt stets auch Geld. Bei einer Filmvorführung Prokoschs ist der Regisseur Fritz Lang anwesend, der für ihn die „Odyssee“ verfilmt. Schnell begreift Paul, um was es geht: Prokosch verachtet Langs „Kunstkino“ und will, so dolmetscht Francesca, dass Paul eine bessere, modernere Version schreibt. Ein Scheck von 10.000 Dollar winkt. Paul akzeptiert natürlich. Erst einmal. 

Doch als Prokosch Camille nach Capri, dem Drehort, fährt, muss etwas vorgefallen sein. Jedenfalls ist Camille von da an völlig verändert. Als sie wieder ihre neue Wohnung (in Neapel?) betreten, weicht Camille ihm erst, dann zeiht sie ihn der Lüge, schließlich will sie nicht mehr im gleichen bett mit ihm schlafen und zieht auf die Couch. Etwas ist zwischen sie getreten, aber was? Diese Frage macht Paul schier verrückt. 

Nach und nach hat er den Eindruck, als ob er sich zwischen dem Geld für das Drehbuch und seiner Frau entscheiden müsse. Um dieser Sache auf den Grund zu gehen, fährt er nach Capri zur Villa des Produzenten. Wie ein Adlernest hockt das modernistische und verfallende Gedäude über den Küstenfelsen. Wieder konfrontiert er Camille mit dieser Wahl, doch sie weigert sich, denn dann würde sie ihm ja einen Grund geben, ihr die Schuld an allem zu geben. O nein, mein Herr!

Statt dessen fängt sie eine Affäre mit dem Produzenten an, knutscht, wenn sie weiß, dass Paul sie dabei beobachtet, und reist schließlich sogar mit Prokosch nach Rom ab. Die Pistole, die Paul mitgebracht hat, kommt nicht zum Einsatz, denn er verpennt Camilles Abreise einfach. Doch Camille und der Amerikaner kommen niemals in Rom an, weil sie das Schicksal ereilt…

Mein Eindruck

Offenbar glaubt Camille, dass Paul sie an den Produzenten verschachern wollte, um seine eigene Position zu sichern. In der Filmwelt, über die Regisseur Godard hier reflektiert (die erste Kamera, die ins Bild kommt, schaut uns selbst an), werden Lügen feilgeboten und Gefühle ebenso verschachert wie Menschen. Fritz Lang zitiert die entsprechenden Quellen – von Bertolt Brecht bis Homer – mit lässiger Autorität, als wäre er Godards Sprachrohr. Das letzte Bild ist der beste Beweis dafür: „Odysseus grüßt seine Heimat Ithaka“. Zu sehen ist nur Wasser und sonst nichts. 

Tatsächlich lässt sich der Film als ein Diskurs über das Filmemachen ebenso lesen wie als eine Interpretation der „Odyssee“. Der irrfahrende Trojakrieger weiß seine Frau Penelope sicher zu Hause, doch ist sie ihm treu oder nicht? Immer wieder kreisen Pauls Gedanken um diese essentielle Frage, so als wäre seine Camille die Penelope schlechthin. Und wenn sie ihm untreu wäre, was dann? Soll er die Freier beziehungsweise den Geliebten töten? Fritz Lang erwidert: „Ein Mord löst kein Problem“, als wäre er Nestor, der Lehrmeister und Mentor des jungen Königs Odysseus. 

Zwei Probleme muss Paul jedoch lösen: Soll er Agamemnon / Prokosch, der seine Penelope / Camille verführt, treu sein und das Drehbuch schreiben, um reich zu werden – und dabei seine Frau verraten? Oder ist es besser, seiner eigenen Natur zu folgen, Camille treu zu sein und das Geld in den Wind zu schlagen? Was hätte der Irrfahrer getan, fragt er Fritz Lang. 

Der antwortet orakelhaft, dass die Menschen bei Homer eins waren mit der Natur und sich als dem Schicksal ausgeliefert betrachteten, das die Götter über sie verhängt hatten. Das ist auch nicht gerade hilfreich. Denn Paul, der keinen Gott über sich anerkennt, ist Herr seines eigenen Willens, wie er glaubt, und muss sich entscheiden: Geld oder Liebe? Diese Wahl weist Camille, die schlaue Frau, weit von sich – siehe oben. 

Weil er kein Mann sei, verachte sie ihn, sagt sie einmal ganz beiläufig. Ist ja auch kein Wunder: Der Unentschlossene treibt wie ein Irrfahrer umher und bietet seiner Frau keinen Halt. Solchen Halt scheint zumindest der Üproduzent bieten zu können, doch da ist Camille auf dem Holzweg. Gerade als sie glaubt, sich selbst ernähren zu können – was Prokosch natürlich glatt für Wahnsinn hält – ereilt sie das von den Göttern des Zufalls gesandte Schicksal: ein tödlicher Autounfall. 

Farbdramaturgie

Ist das pure Ironie oder ein Kommentar des Regisseurs? Man müsste schon Moravias Romanvorlage kennen, um diese Frage entscheiden zu können. Aber ein Blick auf die Machart des Films gibt vielleicht einen Hinweis. Die Bilder sind ohne Ausnahme einem Farbkode untergeordnet. Bei den Außenaufnahmen herrschen die Farben Braun, Gelb und Grün vor – sie repräsentieren die Natur. Bei den Innenaufnahmen herrschen hingegen die französischen Farben Blau, Weiß und vor allem Rot vor. Die Bardot trägt innen stets ein knallrotes Handtuch auf einem ebenso roten Sofa, draußen jedoch einen knallgelben Bademantel, der mit dem Grün der Vegetation harmoniert. 

Nur in den Innenräumen streitet sie sich mit Paul (auch in inneren Monologen aus dem Off), in den Außenräumen ist sie ganz Frau: Sie geht nackt schwimmen und sonnenbaden. Soll sie draußen angezogen auftreten, übt sie sich in Tarnung: Ein züchtiges Kleid, in dem sie mit den Männern redet oder mit Prokosch auf und davon fährt. Nur in der allerersten Szene sind sie und Paul ganz bei sich. Da ist sie nackt auf dem Bett, und er muss alle ihre Vorzüge herbeten, die er an ihr liebt: ihren Körper. Aber was ist mit ihrer Seele? 

Eine Aussage?

Godard macht uns gleich in der ersten Einstellung, als uns die Kamera anstarrt, dass dies eine Inszenierung ist, also eine Art verfilmtes Bühnenstück. Diese Selbstreflexion bezieht sich auf den Film als Kunstwerk wie auch auf die Menschen und Mechanismen, die die Filmindustrie beherrschen. Es läuft darauf hinaus, dass alle Aktionen und Verhandlungen einem Zweck untergeordnet werden: der edlen Kunst der Täuschung um des Geldes willen. 

Gespiegelt in den Bordellfresken des alten Pompeji, die mehrfach groß ins Bild gehoben werden, läuft es darauf hinaus, dass Unterhaltung um des Geldes willen auch nicht viel besser ist als jene antike Pornografie. Dieses Wort bedeutet wörtlich „was Huren schreiben“, und Paul steht vor der Wahl, ob er eine solche Hure des Textes werden soll – um den Preis seiner Ehe. 

Die DVD

Technische Infos

  • Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
  • Tonformate: D in DD 2.0, Französisch in DD 2.0
  • Sprachen: D, Französisch
  • Untertitel: D
  • Extras:
    • Zwei Begleittexte in der Verpackung sowie diverse Fotos und auf der CD ein Trailer.

Mein Eindruck: die DVD

Das Bild ist einwandfrei, aber natürlich nicht in High-Density-Qualität. Die deutsche Tonspur weist die Synchronisation aus den sechziger Jahren auf, halt also den entsprechenden schwachen Klang. Außerdem gibt es eine Szene in einem Kino, in der sie dem Hintergrundton derart überlagert ist, dass dieser komplett ausgeblendet wird. Nur so ist der Dialog überhaupt zu verstehen. Untertitel gibt es nur bei den Französischzitaten Langs.

Bonusmaterial

Zwei Begleittexte finden sich in der Verpackung, die gleichermaßen interessant sind. Der zum Making-of erwähnt, dass sich die Produzenten v.a. für Bardots Nacktszenen interesseirten, woraufhin sie Godard vom Set verbannen ließ und fortan nur noch per Telegramm mit ihnen kommunizierte. Auch im Film gibt es ja ständig Verständigungsprobleme, weil drei Sprachen gesprochen werden: Deutsch (die Synchronsprache), Englisch (Prokosch) und Französisch (Lang). Ironisch ist, dass Godard eigentlich Kim Novak wollte, doch „nur“ die Bardot bekam. Wir können dafür nur dankbar sein. 

Wichtig ist die „Rezension“ Ulrich Pelzers, die eher einem sehr persönlichen Eindruck entspricht. „Wie es Godard gelingt, dafür (für den Mechanismus des Filmbusiness) Bilder zu finden, die nicht Illustration eines moralischen Traktats sind, mit welcher Leichtigkeit er Texte von Dante und Hölderlin in die verranzten Kulissen Cinecittàs schmuggelt, macht seine „Verachtung“ zu einem der größten, und das heißt zum Niederknien schönsten Filme, die je gedreht worden sind – ein einziges Versprechen darauf, dass es einmal eine Welt geben könnte, in der Träume so real sind wie das Leben und das Leben ein für alle Realität gewordener Traum. Niemand, wirklich niemand braucht sich am Schluss seiner Tränen zu schämen.“ 

Unterm Strich

Wer schon immer mal die Bardot in ihren verführerischsten Posen sehen wollte, wird hier fündig. Wer die versunkene Unberührtheit der Insel Capris will, findet hier die passenden Bilder – und die Kamera ruht sich geradezu darauf aus, als die Felsenküste mindestens so schön wie die Wölbung von Bardots Hintern. Und wer schon immer meinte, das Filmbusiness sei verlogen, anrüchig und sowieso ein Moloch, der bekommt von Godard jede Menge Munition geliefert. 

Wer jedoch keinerlei solche Ansprüche hat, wird den Film eher langweilig finden. Es wird nur geredet – wie öde. Mittendrin streiten sich die beiden Eheleute eine geschlagene halbe Stunde lang – noch öder. Und am Schluss kriegen sie sich nicht mal – zum Haareraufen! Also Finger weg, wenn man nicht gewillt, ist zuzuhören. 

Wertung

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

Ein Gedanke zu „Kritische Selbstreflexion aufs Filmgeschäfts“
  1. Toller Film! War mein erster Godard und ich fand es großartig wie die Ehe immer weiter in die Brüche ging, umso mehr er sich für den „Kommerz“-Film begeisterte. Achja, Bardot ist natürlich auch nett anzusehen 😀

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