„Es gibt ein paar Dinge, die mir wirklich etwas bedeuten … mein Körper, meine Bude, meine Karre, meine Familie, meine Kirche, meine Jungs, meine Mädels und meine Pornos. Ich weiß letzteres klingt seltsam, aber ich bin ehrlich. Nur bei Pornos geht mir so richtig einer ab. Vögeln kommt dagegen nicht an. Da reichen mir keine echten Muschis. Und ich vögel echt viel. Nicht ohne Grund nennen mich die Jungs Don.“

Don Jon ist süchtig – süchtig nach Internet-Pornos. Obwohl der ziemlich böse Junge mit dem Gehabe eines Westentaschen-Playboys keinerlei Probleme hat, wunderschöne Mädchen aufzugabeln, kommt er zum ersten Mal an seine Grenzen, als er Barbara trifft, eine idealistische junge Frau auf der Suche nach ihrem Mister Right. (gekürzte Verleihinfo)

Filminfos

  • O-Titel: Don Jon’s Addiction (USA 2013)
  • Dt. Vertrieb: Ascot Elite
  • VÖ: 25.03.14
  • EAN: 7613059404021
  • FSK: ab 16
  • Länge: ca. 91 Min.
  • Regisseur: Joseph Gordon-Levitt
  • Drehbuch: Joseph Gordon-Levitt, Scarlett Johannsson
  • Musik: drei Komponisten bzw. Arrangeure
  • Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Scarlett Johannsson, Julianne Moore, Tony Danza u.a.

Selbstzensur: 

>> Joseph Gordon-Levitt wagte sich mit seiner ersten Regiearbeit an eine Komödie mit einem durchaus pikanten Kernthema: Pornosucht. Die ursprüngliche Version des Films erhielt in den USA daher auch das sogenannte NC-17-Rating, welches besagt, dass Jugendlichen unter 17 Jahren der Zutritt zum Film verweigert wird. Gordon-Levitt entschied sich daraufhin, einige Szenen, die die Internet-Pornosucht der von ihm selbst gespielten Hauptfigur bebilderten, herauszuschneiden. Diese gekürzte Filmversion erhielt dadurch das R-Rating, welches zur Folge hat, dass Jugendliche unter 17 Jahren in Begleitung von Erwachsenen den Film anschauen dürfen.<< (zitiert nach filmstarts.de)

Handlung

Jon Mortello arbeitet offenbar als Gigolo in einer Disco in New Jersey, denn etwas anderes arbeiten sieht man ihn nie. In der Disco hängen abends seine Kumpels rum. Ihr Lieblingsspiel besteht darin, Frauen zu klassifizieren. Ist diese Blondine an der Bar, die im hautengen Kleid, nicht eine glatte Zehn oder bloß eine Neun? Sie behandeln Frauen wie Dinge und Waren. Eine Zehn ist ein „dime“, also ein Zehn-Cent-Stück. 

Sie müssen sich aber nicht wundern, wenn die Frauen den Spieß umdrehen und auch Männer wie Dinge behandeln. Barbara Sugarman – nomen est omen! – ist so eine Prinzessin. Sie behandelt Jon wie eine Stufenleiter zum gesellschaftlichen Aufstieg. Er bekommt nur, was er sich verdient hat. Und wenn sie ihn mal vor ihrem Zimmerchen im Hotel mit einem Ständer stehen lässt, selber schuld!

Kein Wunder also, wenn Jon total auf Internet-Pornos steht. Er hat zwar eine Flatrate bei einem Portal, aber seine Kreditkarte dürfte im Handumdrehen leergefegt sein. Pornos sind besser als der Sex, den ihm die Schnepfen als einem Gigolo gewähren: keine Kondome, keine Tabus, und er kommt garantiert. Die Beichte, die er sonntags in der Kirche ablegt, ist seine Absolution, dass mit ihm alles OK ist. 

Bis zu jenem Abend, als Barbara ihn beim Pornogucken erwischt. Nur seine Meisterschaft im Lügen und Schwindeln hilft ihm aus der Patsche. Immerhin hat sie ihn schon dazu gebracht, die Abendschule zu besuchen, damit er später mal eine sechsstelligen Jahreslohn verdienen kann, um ihr aller Wünsche erfüllen zu können – sobald sie erst einmal verheiratet sind. Allerdings trifft Jon hier Esther, die ihn sofort mit einem Porno auf dem handy erwischt. Wie lachhaft! Sie schenkt ihm einen dänischen Porno von anno Asbach, den er sofort empört zurückweist. 

Dass Esther von einem ganz anderen Stern kommt als Barbara Sugarman, merkt Jon spätestens, als sie zu weinen beginnt. Sie hat diese merkwürdigen Heulanfälle. Offenbar verbrigt sich in der Haut dieser Frau ein echter Mensch, der sogar eine Vergangenheit besitzt – und somit auch eine Zukunft. Eine gemeinsame?

Mein Eindruck

Dass Frauen eine Ware sind, schmiert uns Männern und Frauen die Werbungsmaschinerie täglich auf Frühstücksbrot. Die Schnitten brezeln sich auf, denn das verlangt die Vorgabe der Werbung: Eine Frau muss attraktiv und verfügbar sein, ungefähr wie der Hamburger in dem TV-Spot, den sich Jon und sein Vater reinziehen. 

Damit ein Mann sich diese leckeren Zucker-Schnitten verdienen kann, muss er allerdings ein toller Hengst sein. Deshalb geht Jon in die Muckibude und büsst dabei redlich seine vom Priester aufgebrummten Avemarias und Vaterunsers ab. Nach soviel Aufwand ist mal wieder eine Runde Porno oder ein Abend in der Disco angebracht. Hier gilt die Performance, die Bewertung bis zum Dime – und hinterher die Performance im Bett. 

Pornos scheinen aber nur vordergründig das Thema des Films zu sein. Das Thema ist Verdinglichung und ihre verheerenden Folgen. Weil Mann und Frau gegensätzliche Erwartungen haben, können sie ihre Wünsche nur dann erfüllen, wenn sie den Bedarf erfüllen, den die Werbeindustrie ihnen suggeriert. Das Ergebnis sind vaterlose Kinder, Serien-Scheidungen und Alimentezahlungen. Kennt man ja. Die Reihenhausfamilie (erst das Haus, dann die Bausparkasse, dann die Familie, versteht sich) ist reine Fiktion. 

Der Film ist vordergründig unterhaltsam, aber durch seine Doppelbödigkeit erhält die Komödie einen bitteren Unterton. Handelt es sich doch offenbar um eine Groteske, die heiligen Dinge des Lebens in New Jerseys – und das ist bekanntlich fast überall – derart untergräbt, dass sie zu einem Witz werden. Aber die Kritik lässt den zuschauer nicht im Regen stehen, sondern holt ihn dort ab, um ihm eine Alternative zu zeigen. Diese bezeichnete man in der prädigitalen Ära als „Liebe“. 

Prädigitale Liebe ist allerdings nur noch Menschen vertraut (und nicht bloß bekannt), die jenseits der Fünfzig sind und damit bereits scheintot. Julianne Moore spielt so eine Sechziger-Jahre-Späthippie-Frau. Dass sie die einzige Frau ist, die im Film eine Vergangenheit besitzt, zeichnet sie aus – macht sie aber für Jon gleich verdächtig. Wie kommt die alte Schachtel dazu, ihn anzubaggern? Welche Hintergedanken verfolgt sie dabei? Auf einer Skala von 1 bis 10 wäre sie auf jeden Fall eine -1. 

Dies ist das unverhoffte Glück dieses Don Juan: Dass sie nicht mal auf seiner Skala auftaucht, denn nur so ist es ihr möglich, in ihm keine (sexuellen) Erwartungen und Ansprüche zu wecken. Was sie nämlich am dringendsten braucht, ist menschliche Wärme und Trost. Sie hat ihren Mann und ihr Kind durch einen Unfall verloren. Menschliche Wärme, Interaktion, das „Sichverlieren im anderen“, wie Moore sagt, muss unser Don Juan erst noch lernen. 

Die Blu-ray

Technische Infos

  • Bildformate: 2,35:1 (anamorph)
  • Tonformate: Deutsch (DTS-HD 5.1), Englisch (DTS-HD 5.1)
  • Sprachen: D, Englisch
  • Untertitel: D
  • Extras
    • Making of Don Jon 
    • Don Jon’s Origin 
    • Joe’s Hats! 
    • Objectified 
    • Themes and Variations 
    • HITRECORD Shorts (Clips)
    • Trailershow

Mein Eindruck: die Blu-ray

Da der Film mit moderner Digitaltechnik aufgenommen wurde (Thomas Kloss), ist die Bildqualität einwandfrei. Zumindest in der Szenen. In den Pornos sieht das schon wieder anders aus. Aber es gibt auch eine Szenen, die mit Zeitraffer erzeugt wurde und in der sich die Dinge, die auf Jons Bett liegen, selbständig bewegen – während er unbewegt vor seiner Laptop-Glotze hockt. Der Effekt ist sowohl lustig als auch beunruhigend: Eigentlich sollte sich ja ein mensch bewegen und nicht die Dinge. Hier ist es umgekehrt. 

Der Sound wurde ebenfalls völlig digital erstellt, wie ein Doku-Feature belegt, und dann im Skywalker Sound Studio von George Lucas digital abgemischt. Dank dessen hören wir in der Disco ziemlich fette Bässe, in der Romanze klassische Musik und im dritten Akt, der Jon mit Esther schildert, eher handgemachte Musik mit verstärkten Gitarren. 

EXTRAS 

(#1-9 gibt’s auch auf der DVD)

  1. Making of Don Jon (6:44 min): Das Geheimnis guten Filmemachens ist Teamwork. So kommt es aus berufenem Munde, nämlich dem des Regisseurs. Um diese Ansicht zu belegen, stellt dieses Feature eben jene Mitarbeiter vor, die sonst in Making-ofs häufig zu kurz kommen: der Kameramann Thomas Kloss, der sogar dem Regisseur widersprach; die Bühnenbildnerin, die Jons Wohnung völlig anders entwarf als das Zimmer von Barbara, einem Alptraum in Pink. Demgegenüber ist Esthers Wohnung geradezu bedrückend realistisch und verlebt. Die Kostümbildnerin wird ebenso vorgestellt wie ein stepptanzender Tony Danza. 
  2. Don Jon’s Origin (Ursprünge, 7:12 min): An „Don Jon“ hat der Regisseur seit 2008 gearbeitet, und zwar seit er an der Komödie „50/50“ neben Seth Rogen mitwirkte. Da begriff, dass man mit einer Komödie Anliegen und Unterhaltung verbinden kann, ohne Abstriche machen zu müssen. Von vornherein wollte er den Streifen im Mekka des Indie-Films, auf dem Sundance Film Festival, zeigen. Das klappte rechtzeitig. JGL lobt ausdrücklich den Skriptbeitrag von Scarlett Johannson. Sie schrieb v.a. die Szene im Baumarkt: Barbara verbietet Jon, über das Thema „Wohnungsreinigung von eigener Hand“ zu sprechen! 
  3. Joe’s Hats! (4:50 min): Gemeint sind hier keine Cowboyhüte oder so, sondern JGLs Rollen, Aufgaben und Pflichten. Gleichzeitig zu seinem eigenen Film wirkte er nämlich an „Looper“ mit, einem SF-Film mit Bruce Willis, eine lukrative Sache. Einmal brachte er die Akzente durcheinander, die seine Figuren sprechen. Statt Kalifornien (oder was auch immer) erklingt nun auf einmal New Jersey – da kommt Don Jon her. JGL spricht auch über den dramaturgischen Aufbau in drei Akten und das Komponieren der passenden Musik. (Weiter zu „Themes“.)
  4. Objectified (Verdinglicht; 5:05 min): Jon und Barbara verdinglichen alles, was sie sehen, wünschen und haben wollen. Sie sind gar nicht zu einer aufrichtigen Beziehung fähig. Sex ist im Porno die maximal mögliche Verdinglichung eines Menschen. Julianne Moore findet daher „Don Jon“ erfrischend und originell, weil nämlich das genaue Gegenteil der Verdinglichung als positiv dargestellt wird. Tony Danza gibt zu bedenken, dass es – wohl vor dem Internet – soziale und räumliche Hindernisse gab, um sich Pornos etc. zu besorgen. JGL wünscht sich menschliche Interaktion statt einseitigen Konsums, der nur einsam macht. 
  5. Themes and Variations (Motive und Variationen, 5:40 min): JGL spricht auch über den dramaturgischen Aufbau in drei Akten und das Komponieren der passenden Musik: Der Film wurde im Rhythmus der Musik geschnitten – und nicht umgekehrt. Daher gab es auch drei verschiedene Komponisten bzw. Arrangeure, je einen für die drei Akte, darunter Nathan Johnson. JGL selbst ist an der Gitarre zu sehen. Der finale Akkord des Films wird auf einer altmodischen Klampfe gespielt. 
  6. HITRECORD Shorts: Hit Record – My Favorite Things (13:00 min): Dies ist ein Online-Projekt des Regisseurs, um seine Aussage interaktiv von anderen darlegen zu lassen – was sind eure Lieblingsdinge? Hier gibt es entsprechende Selfie-Clips: a) Film Preservation: digital vs. analog, b) Dinge statt Leute; c) Aufruf zu Beiträgen. 
  7. Vinegar: Dies ist einer der Beiträge zu „Favorite Things“. Im Animationsfilm ist Vinegar, also Essig, ein Ding, das als Wunderwaffe für absolut alles einsetzbar ist. 
  8. O-Trailer (2:29) & Deutscher Trailer (2:06 min): Die nahezu inhaltsgleichen, aber unterschiedlich langen Trailer erzählen im Grunde die Geschichte des Verleihinfos. Sie legen den Schwerpunkt auf die Komödie statt auf das Problem. Das macht Laune, das macht Appetit. Aber nicht mehr. 
  9. Trailershow
    1. Dallas Buyers Club
    2. Tokarev
    3. Metallica 3D – Through the Never
    4. Wer
    5. Drecksau
    6. Odd Thomas
    7. Sibirische Erziehung
    8. Europa Report
    9. The Philosophers
    10. Dschungelcamp
  10. Promo Story (2:22 min): Statt eines Trailers findet man hier superkurze Statements vom Regisseurs, der Hauptdarstellerin Johannsson und von Julianne Moore. Die Damen sprechen über ihre Figuren und deren Entwicklung. Es ist einer der raren Beiträge, in denen die Moore auftaucht. 
  11. Pressekonferenz Berlinale (ca. 38:00 min): Der wichtigste Beitrag unter den Extras. – Hier stehen Joseph Gordon-Levitt (JGL) und sein Produzent Ram Bergman Rede und Antwort. Die Journalisten kommen wie üblich aus aller Welt und stellen sehr interessante Fragen. JGL gibt die interessantesten Antworten zu seinem Film, die auf dieser Disc zu finden sind. 
  12. Pressekonferenz New York City (5:09 min): Die vier Hauptdarsteller plus Tony Danza geben Auskunft. Die Fragen und Antworten sind oberflächlich. Aber hier erfahren wir, dass der Regisseur eine Feministin zur Mutter hat. 
  13. Alternativer Trailer (01:00 min): Dieser Trailer ist von der US-Zensurbehörde mit R eingestuft, also auch unter 17 Jahren. OK, es sind ein paar mehr Pornos zu sehen. Das war’s aber auch schon. (Mehr zur Selbstzensur des Regisseur findet sich unter filmstarts.de.) 
  14. Teaser (00:40 min): Zum Beweis, dass es noch kürzer als 1 Minute geht, dienen TV-Spots wie dieser. 

Unterm Strich

Dies ist keineswegs Joseph Gordon-Levitts erster Film. Es mag sein erster abendfüllender Spielfilm sein (ein „feature film“), aber er hat bereits zahlreiche Kurzfilme gedreht. Man merkt, dass das Drehbuch, das er zusammen mit Scarlett Johannsson schrieb, auf vielen Eindrücken, scharfer Beobachtungen und einem routinierten Blick für Dramaturgie basiert. Als Schauspieler markiert er den Don Juan mit jungenhafter Souveränität. 

Scarlett Johannsson spielt wie immer die  „sexiest woman alive“ und bringt ihre beachtlichen Reize voll zur Geltung. Da sie aber das Gegenteil eines Pornostars spielen soll – ihre Prinzessinnen-Kemenate ist ein Alptraum in Pink – , lässt sie die zwei wichtigsten Schätzchen, die sie laut Kinogänger-Votum besitzt, nämlich ihre Brüste, hübsch in deren hochwertiger Verpackung. Tough luck, guys! Das bringt zwei Minuspunkte auf der Erotikskala ein. 

Neben der merkwürdigen Lücke, die Jons Arbeit betrifft – vielleicht ist er ja doch ein Gigolo? – spielt Jons Familie eine wesentliche Rolle. Es sind natürlich ebenfalls Karikaturen. Papa Mortello ist ein hengst wie Jon und ein echtes Vorbild, was Latin Machismo anbelangt. Mama ist Mama und folglich auf Kinder geeichet: Sie heißt Barbara gleich als künftige Produzentin kleiner Enkelchen willkommen. Nur Jons Schwesterchen ist ein Rätsel: Sie hängt ständig am Handy, um mit ihren Freundinnen zu chatten und zu simsen – auch in der Kirche. Am Schluss verblüfft sie Mama und Papa Mortello mit einer eigenen Meinung – ein weiterer netter Gag des Drehbuchs. 

Schwächen und Stärken

Ich hatte ein Glaubwürdigkeitsproblem mit Scarlett Johannsson. Ich sah immer die Ikone in ihr und nicht die Figur. Bis zu jener Szene im Baumarkt, in der sie als Barbara (sie ist eine echte „Barbie“) Jon kategorisch erklärt, dass eine eigenhändig ausgeführte Reinigung seiner Wohnung auf keinen Fall infrage kommt. „Dazu gibt es Hausmädchen!“ Rosa, ihre Haushaltshilfe aus Lateinamerika, werde die Sache übernehmen (und seine Wohnung wohl gleich dazu). Haushaltshilfe sind auch nur austauschbare Werkzeuge, und es wäre blöd, wenn man auch noch an sie als menschliche Wesen denken müsste, oder?

„Echte“ Amerikaner und erst recht „jüdische amerikanische Prinzessinnen“ wie sie haben es offenbar nicht nötig, niedrige Arbeiten wie etwa Putzen auszuführen. Die Szene ist deshalb so glaubwürdig, weil die Schauspielerin sie selbst geschrieben hat und mit Überzeugung agiert. JGL weist selbst in einem Feature darauf hin.

Dass Jons Arbeitswelt ausgeblendet wird, hat mich gestört, denn so ist er keine „runde“ Persönlichkeit. Aber alle Figuren, außer Esther, sind etwas überspitzt formuliert, und eine Groteske darf sich das erlauben. Den Gegenpol zur Warenwelt der verdinglichten Menschenobjekte bildet eben diese Esther. Sie demonstriert, dass Menschen ein Innenleben haben und wirklich lieben können, ja, dass sie durch Liebe definiert werden. 

Ein wenig blauäugig kam mir Esthers Behauptung vor, dass man nur echt lieben kann, wenn man sich im jeweils Anderen verliert. Naiv deshalb, weil genau dieses Loslassen eine Angst erzeugt, die Kontrolle zu verlieren. Das Vertrauen in den Anderen muss also stärker sein als diese Angst vor Kontrollverlust – und wie soll dies in einer Welt der Menschendinge gelingen? 

Ein Rezensent bezeichnet Esther als „dysfunktionale Persönlichkeit“. Dieser Terminus aus der Psychotherapie spiegelt genau die Denke wider, die der Film kritisieren will: „dysfunktional“ bedeutet „bringt keine Performance, ist nicht funktionsfähig und somit unattraktiv, am Ende des Lebenszyklus, weg damit!“ Man sieht, die Objektdenke ist weiter verbreitet als man erwartet. 

Die Blu-ray

Das Bonusmaterial kann man in der Pfeife rauchen. Neben viel Werbung gibt es viele kleine Features, die wenig sagen. Der einzige Beitrag, die mir wirklich etwas gebracht hat, ist die Pressekonferenz auf der Berlinale. Hier geht JGL wirklich in die Details, nennt seine Vorbilder, seine Ziele, seine Herangehensweise. Zu seinen Lehrmeistern gehört u.a. Christopher Nolan, in dessen Film „The Dark Knight Rises“ er mitspielte (als Robin Blake, den Partner des Batman). Wieder mal bedankt er sich überschwenglich bei seinen Mitarbeitern, v.a. Tony Danza, den „Vater“ von „Don Jon“. Durch seine Auskunftsfreudigkeit wirkt er sehr sympathisch. 

Für einen ersten Spielfilm ist „Don Jon“ eine beachtliche Leistung. Die Kritiker sind offenbar begeistert, und offenbar klingelt auch die Kasse. Dass sich der Regisseur Selbstzensur auferlegen musste, um eine Zensurbewertung unter „ab 17“ zu bekommen, fand ich nicht so schön. Kunst sollte über sich selbst bestimmen können, oder? Ich warte jedenfalls weiterhin auf das erste Meisterwerk dieses Woody Allen aus New Jersey. 

Wertung

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

Lass ein paar Worte da:

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.