Mai 1940: Das anfängliche Kriegsglück der Nazis stürzt die britische Regierung in eine existenzielle Krise, Premierminister Chamberlain tritt zurück. Nur dem reichlich unpopulären Winston Churchill traut man zu, die scheinbar ausweglose Lage in den Griff zu bekommen. Er übernimmt das Amt, sieht sich aber bald von Öffentlichkeit und Regierungsmitgliedern bedrängt, mit den scheinbar unaufhaltsamen Nazis über einen Friedensvertrag zu verhandeln. Doch durch seine außerordentliche Weitsicht und Integrität gelingt es Churchill dennoch, an seiner Überzeugung festzuhalten und für die Freiheit seiner Nation zu kämpfen.

Als die Luftschlacht um England entbrennt und die deutsche Invasion droht, wenden sich das überrumpelte britische Volk, der skeptische König und sogar seine eigene Partei von Churchill ab. Wie soll es ihm in dieser prekären Situation seiner Karriere gelingen, das Land zu einen und den Lauf der Weltgeschichte zu ändern? (Verleihinfo)

Filminfos
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O-Titel: The Darkest Hour (GB 2017)
Dt. Vertrieb: Universal
VÖ: 24.5.2018
FSK: ab 6
Länge: ca. 125 Min.
Regisseur: Joe Wright
Drehbuch: Andrew McCarten
Musik: Dario Marianelli
Director of Photography: Bruno Delbonnel
Darsteller: Gary Oldman (Winston Churchill), Stephen Dillane (Viscount Halifax), Kristin Scott-Thomas (Clementine Churchill), Lily James (Elizabeth Layton), Ben Mendelsohn (König George VI), Malcolm Storry, Nicholas Jones, Richard Lumsden, Ronald Pickup, Samuel West u.a.

Handlung

9. Mai 1940

Der vor sieben Monaten von Großbritannien und Frankreich erklärte Krieg an Nazi-Deutschland hat bislang keinerlei Ergebnisse erbracht außer die Wehrmacht vom direkten Angriff auf Frankreich abzuhalten. Doch inzwischen meldet die Aufklärung, dass drei Millionen deutsche Soldaten an den Grenzen aufmarschiert sind (die Panzer in den Ardennen wurden leider übersehen). Ihr Angriff ist nur noch eine Frage von Stunden.

Im britischen Unterhaus fordert die Opposition den Premierminister Neville Chamberlain zum sofortigen Rücktritt auf – ein Premier für Kriegszeiten müsse her, kein Beschwichtiger. Der todkranke Chamberlain ist zum Rücktritt bereit, doch wer soll ihm nachfolgen? Außenminister Halifax sieht sich angeblich nicht bereit dazu. Also muss es jemand sein, den die Opposition duldet. Es gibt nur einen: Winston Churchill, den Ersten Lord der Admiralität. Halifax hasst ihn bis aufs Blut, würde das aber niemals zugeben. Er macht Churchill für die hohen Verluste anno 1916 verantwortlich, die die britische Armee in Gallipoli an den Dardanellen erlitt.

Miss Elizabeth Layton fängt als Tippse bei Churchill an – und blamiert sich sofort bis auf die Knochen. In Panik eilt sie aus dem Zimmer, nur um von Clementine Churchill aufgehalten zu werden, die ihrem Gatten den Kopf zurechtsetzt. Als Layton das Haus verlässt, muss sie ein Telegramm entgegennehmen und drinnen abliefern. Es kommt aus dem Buckingham Palast…

10. Mai

Kaum hat König George VI (den Vater von Queen Elizabeth II) den Rücktritt Chamberlains akzeptiert, wird Churchill vorgelassen. Er überträgt ihm förmlich die Verantwortung für die Regierungsbildung und lässt sich die Hand küssen. Die Familie Churchill zieht in Downing Street Nr. 10 ein, wo eine Geburtstagsfeier steigt – mit Gasmasken als Gag.

13. Mai

Churchills Antrittsrede wird im Unterhaus mit allgemeiner Verachtung aufgenommen. Sofort betreibt Halifax zusammen mit Chamberlain seine Demontage. Doch der emeritierte Premier besteht darauf, Churchills Weigerung, in Friedensverhandlungen einzutreten, aktenkundig zu machen. Dieser Plan erweist sich als schwieriger umzusetzen als erwartet. Denn Churchill ist ein erfahrener Polit-Fuchs.

Layton erhält einen Passierschein für den Bunkerkomplex, der Whitehall mit Downing Street 10 verbindet. Es ist ein Irrgarten und gespickt mit verbotenen Zonen. Insbesondere der Kartenraum mit dem benachbarten Besprechungszimmer für das Kriegskabinett ist „top secret“ und „off limits“. So erfährt sie nicht, wo ihr Bruder in Frankreich abgeblieben ist. Churchill nimmt einen düsteren Bericht von der Lage an der Front entgegen: Die deutschen Panzer machen im Eilzugtempo alles platt, was sich ihnen in den Weg stellt, die Luftwaffe erledigt, was übrigbleibt. Ganze Armeen befinden sich in Auflösung, sieben Millionen Flüchtlinge auf der Flucht.

Churchill betrachtet es als oberste Pflicht, den Verbündeten Frankreich zu „Heldentaten“ zu ermuntern. Doch vor Ort betrachtet man ihn mit konsterniertem Unverständnis: Es gebe weder einen Plan B, sagt ihm der Regierungsvertreter, noch handle es sich bei den Deutschen um einen simplen Panzervorstoß. Dies sei eine Invasion. Unverrichteter Dinge fliegt Churchill nach Hause.

19. Mai

Während auf verstopften französischen und flandrischen Straßen Menschen sterben, versucht Churchill, mit Layton eine inspirierende Rede für die Radioansprache zu verfassen, mit der sich der Premier ans Volk wendet. Er will immer noch sein Regierungsprogramm umsetzen, das da lautet: „Durchhalten bis zum Sieg!“ Für die Wahrheit ist ja später immer noch Zeit, tröstet ihn Clementine.

25. Mai

Die französisch-belgische Front befindet sich in kompletter Auflösung. Das britische Expeditionskorps, immer 300.000 Mann, zieht sich auf Dünkirchen zurück. Aber es gibt noch eine Möglichkeit, die Deutschen von diesem fetten Happen abzulenken: 4000 Briten halten die Zitadelle von Calais und sollen die Deutschen angreifen. Halifax unkt sofort: „Himmelfahrtskommando“. Er geht zum Angriff über und will Churchill zu Friedensverhandlungen mit Hitler drängen, die von Mussolini vermitteln werden würden.

Doch Churchill wittert die Falle und redet mit Halifax und Chamberlain unter vier Augen. Zu Halifax‘ nicht geringem Frust gewährt Chamberlain Aufschub. Churchill ruft beim US-Präsidenten F.D. Roosevelt an, um Schiffe zu erbitten. Nix zu machen, alter Knabe: Die US-Neutralität ist per Gesetz zementiert. Aber es gebe (wie immer) ein Schlupfloch…

26. Mai

Die Verluste in Calais sind verheerend, dennoch muss Layton das Todesurteil für die dortige Brigade tippen und versenden: „Keine Evakuierung!“ Sie beklagt sich, dass niemand einen Überblick über die WAHRE Lage habe. Weil sie ihm ein Geheimnis über sein fehlerhaftes V-Fingerzeichen verraten hat, weiht er sie aus Dankbarkeit ein. 300.000 Mann stehen in Dünkirchen vor der Vernichtung. Von Laytons Bruder keine Spur.

Doch kaum hat ihm Halifax ein letztes Ultimatum von 24 Stunden gewährt, bevor er ihn abservieren werde, kommt Churchill aufgrund Roosevelts Entgegenkommen die rettende Idee. Es gibt ein Schlupfloch aus der Falle Dünkirchen! „Operation Dynamo“, wie General Ramsay das nennt, sieht die Entsendung einer Flotte von kleinen Booten und Yachten über den Kanal vor. Ein weiteres Himmelfahrtskommando?

Mein Eindruck

Die „dunkelste Stunde“ dauerte nicht bloß die gut 14 Tage, die der Film erzählt, sondern bis September 1940, als die britische Luftwaffe endlich die Lufthoheit über England und dem Kanal errang. Es ist indes nicht verkehrt, dass sich der Film auf einen so kurzen Zeitraum konzentriert, denn mit nur drei Reden bzw. Ansprachen (Radio) drehte Churchill die defätistische bzw. pazifistische Stimmung im Parlament und stachelte das Unterhaus zum Widerstand bis zum Äußersten auf.

England ist das letzte Bollwerk der Freiheit in Europa, während die Armeen der Faschisten fast den ganzen Rest Europas überrollen (mit Ausnahme der Schweiz, Portugals und Schwedens/Finnlands). Doch diese Patriotismus könnte im Keim erstickt werden, sollte es nicht gelingen, das Expeditionskorps aus Dünkirchen herauszuholen. An der Initiierung und Durchführung dieser einmaligen Operation ist Churchill maßgeblich beteiligt. Der Film schildert, wie es ihm gelingen konnte – gegen massiven Widerstands aus dem eigenen Kriegskabinett (v.a. Halifax).

Die Frauen sind keine Staffage, sondern Akteure. Allen voran Elizabeth Layton als Mitautorin der drei genannten Reden und als Volkes Stimme. Aber auch Clementine Churchill als der Maßstab und die Stütze des Helden. Gary Oldman selbst liefert eine fabelhafte, sehr humorvolle und listige Darstellung des Premiers. Der Höhepunkt seiner Entschlossenheit und Gewitztheit ist die Begegnung mit dem „einfachen Volk“ in der U-Bahn. Wer genau aufpasst, wird sich wundern, ob die Namen der BürgerInnen auch mit denen auf Churchills Streichholzbriefchen übereinstimmen. Und sie haben sicherlich nicht genau das gesagt, was er ihnen in den Mund legt, wenn er seine Ansprache an die Abgeordneten richtet. Aber ein paar „echte“ englische Namen machen sich auf jeden Fall gut – die Männer in den klosterartigen Hallen von Westminster (einzig in der Anfangsszene ist eine einzige Frau zu sehen) haben offenbar jeden Kontakt mit der Realität verloren. Es ist leicht, sie hinters Licht zu führen, und Polit-Fuchs Churchill stellt es richtig an.

Die Blu-Ray

Technische Infos

Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Deutsch & Englisch: Dolby Atmos 7.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte, Türkisch
Extras:

  1. Regiekommentar von Joe Wright
  2. Über „Die dunkelste Stunde“ (7:56)
  3. Die Verwandlung in Churchill (4:09)

Mein Eindruck: die Blu-Ray

Bild und Ton sind von bester Qualität, wenn man die Maßstäbe für eine Blu-ray anlegt. Die deutsche Synchronisation weicht erheblich von den Untertiteln ab.

Extras

  1. Regiekommentar von Joe Wright: Vom Regisseur Joe Wright erfahren wir viel mehr über die Darstellerriege. So fiel etwa der Darsteller von Chamberlain durch einen Unfall aus, der für ihn schließlich tödlich endete. Auch für den König scheint ursprünglich jemand anderes vorgesehen gewesen zu sein. Hier erfahren wir endlich auch, wie lange die Prozedur dauerte, der sich Gary Oldman täglich unterziehen musste: 5 Stunden. Hut ab vor so viel Opferbereitschaft. Dieser OSCAR geht voll in Ordnung.

    Es ist auch recht interessant zu erfahren, dass das Unterhaus komplett im Studio errichtet werden musste, weil man Wright die Drehgenehmigung im echten Parlament verweigerte. Dafür ist die Beleuchtung aber viel besser gelungen. Gleiches gilt für Downing Street Nr. 10 und den Kriegsbunker unter Whitehall. Die Produzenten mussten also erheblichen Aufwand treiben.

    Zuständig für das Bühnenbild war Sarah Greenwood, für die stilechten Kostüme zeichnete Jacqueline Durran verantwortlich. Zusammen sorgen sie für einen extrem authentischen Look des Films. Gedreht wurde im Studio sowie in einem alten Herrensitz in Yorkshire, der u.a. für den Buckingham Palast herhalten musste. Entsprechend düster ist die Beleuchtung – mit voller Absicht.

  2. Über „Die dunkelste Stunde“ (7:56): Laut Wright und Oldman wolle der Film die brillanten drei Reden Churchills vom Mai 1940 mit einem Kontext versehen. Das ist als Produktionsgrund etwas dürftig. Oldman ist dankbar für diese Rolle (sie brachte ihm den OSCAR) und lobt Wrights Wagemut bei der Inszenierung, die auch vor ungewöhnlichen Perspektiven (Vogelsicht) und Stilmitteln (Zeitlupe) nicht halt machte. Desweiteren lernen wir die Kostüm- und Bühnenbildnerinnen kennen. Letztere musste das Parlament nachbauen.
  3. Die Verwandlung in Churchill (4:09): Obwohl Oldman die Herausforderungen an die Darstellung von Churchills Intellekt, Humor, Sprechweise usw. bewältigte, so war doch die größte Herausforderung eine körperliche: Churchill war wesentlich korpulenter. Aber vom Make-up und den Prothesen bekommen wir nichts gezeigt. Immerhin war die Verwandlung so gut, dass sie sogar den Experten Phil Reed zu täuschen vermochte.

Unterm Strich

Der Film ist sowohl ein humorvolles Stück Biografie als auch eine bewegende Geschichtsstunde. Humor und menschliches Drama halten sich ungefähr die Waage, so dass man weder von patriotischer Selbstbeweihräucherung noch von ironischer Frivolität sprechen kann. Gary Oldman hält den Film zusammen und prägt ihn – der OSCAR für ihn geht voll in Ordnung. Lily James als Layton verkörpert die Stimme des Volkes, welches Churchill ja auf den kommenden jahrelangen Kampf gegen Hitler einschwören will.

Dennoch bleiben Fragen offen. Warum legt der König seinem Premier ans Herz, die Stimme des Volkes einzuholen? Warum erfahren wir nicht, wie die „Operation Dynamo“ ausging? Na, wenigstens Letzteres wird in einem der Abspanntexte preisgegeben: Fast alle Soldaten entkamen der Hölle von Dünkirchen. Wer dies inszeniert sehen möchte, sollte sich Chris Nolans Epos „Dunkirk“ anschauen, das ja noch recht jung ist.

Insgesamt ist der Film sehr sehenswert, insbesondere für Erwachsene mit Affinität für historisches Drama und die Komödie des Lebens. Auch erfährt man einiges Wissenswerte über den Superhelden Churchill, auch einiges, das nicht so schmeichelhaft ist. Mit Stephen Dillane darf man einen der Helden aus „Game of Throne“ in der Rolle des Ministers Halifax begrüßen: Er spielte den glücklosen König Stannis Baratheon. Auch diesmal ist die Figur Dillanes nicht mit Erfolg gesegnet. Dafür fallen ihm aber die besten Zeilen eines Schurken zu: „Churchill hat die Sprache zur Mobilmachung benutzt und dann in die Schlacht geführt.“

Die Blu-Ray

Bild und Ton sind für eine Blu-ray optimal. Den Regiekommentar sollte man sich keinesfalls entgehen lassen, hält er doch viele Zusatzinfos bereit. Zwei Zusatz-Dokus machen aber noch kein Making-of und Deleted Scenes sucht man vergebens wie einen Historikerkommentar zum Film.

[Wertung]

Mima2016: 4.5 out of 5 stars (4,5 / 5)

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