Einleitung:

Die Nazis und ihre so wichtige Jugend – die so genannten Jungmannen: „Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und schnell wie der Windhund“ – so wollte der damalige Führer und Reichskanzler Adolf Hitler zur Zeit des Nationalsozialismus seine Jugend haben und sehen. Nun begab es sich historisch so, das die Nazis so genannte „Nationalpolitische Erziehungsanstalten“ einrichteten, in denen die Elite der Jungmannen, die später einmal in höhere Führungspositionen kommen sollten, ausgebildet wurden. Ein sehr interessantes und ausschlachtbares Thema, was sich auch prima filmisch und drehbuchtechnisch umsetzen ließ und was Dennis Gansel (Die Welle, Mädchen Mädchen, Das Phantom), den das Nationalsozialismus-Thema immer wieder beschäftigt, mit einigen historischen Verfälschungen trotzdem mit Bravour inszenierte. Nicht nur literarisch (z.B. Günther Grass), sondern vor allem auch filmisch („Sophie Scholl – Die letzten Tage“ und „Der Untergang“) bewältigen und verarbeiten die Deutschen immer wieder aufs Neue ihre Vergangenheit. Napola ist also ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie die Deutschen selbst immer und immer wieder ihre eigene Vergangenheitsbewältigung betreiben und betrieben haben – so wie kein anderes Volk auf diesem, unserem Planeten Erde wie man konstatieren muss. Zudem hat der Jungregisseur Dennis Gansel seinen schauspielerischen, aufgehenden Sternen (Tom Schilling und Max Riemelt) mehr als nur Karrieresprungbretter ermöglicht und deren Talent voll und ganz ausgeschöpft. So lohnt sich der Filmkonsum nicht nur als historisch wichtiges Nazi-Drama, sondern vor allem auch als unterhaltsamer Geschichtsfilm, der mit tollen und leidenschaftlichen deutschen Jungdarstellern aufwartet und auch sonst viel Gutes zu bieten hat…

Inhaltsangabe:

Wir schreiben das Kriegsjahr 1942 in Berlin-Wedding. Der Arbeitersohn Friedrich (Max Riemelt), der sportlich große Ambitionen hegt und einmal ein guter Boxkämpfer werden will, wird bei einem Kampf von einem Scout und Lehrer entdeckt und vorgeschlagen für die (im Film fiktive) Napola „Allenstein“. Friedrich ist sofort davon begeistert, geht heim und erzählt dies seinem Vater. Dieser ist jedoch eher politisch links orientiert und lehnt das Angebot ab. Nichtsdestotrotz lehnt Friedrich sich gegen seinen Vater auf und checkt in die Napola „Allenstein“ schon bald ein. Dort lernt er seinen zukünftig besten Freund kennen: Den sensiblen und intellektuellen Albrecht Stein (Tom Schilling), der zu wenig Aufmerksamkeit von seinen Elite-Eltern bekommt und dichterische Ambitionen hegt. Schon bald geht es mit rauen Methoden und heftig zur Sache und es passieren zahlreiche fürchterliche, menschenverachtende und schlimme Dinge während der Ausbildung…

Kritik:

Zunächst einmal muss man sagen, dass gegen die Kritikpunkte des „Napola-Veteranen“ und historischen Beraters der Filmcrew rund um Napola: Hans Müncheberg – im Grunde nichts eingewandt werden kann und der Film somit historische Tatsachen verfälscht und falsch darstellt. Das ist tragisch, aber trotzdem konnte und kann „Napola“ durch die soliden schauspielerischen Leistungen und Sympathieträger, die halbwegs ordentlich ausgestattete Inszenierung und die Dialoge überzeugend unterhalten. Die historische Richtigkeit und Tatsächlichkeit wird zu vielen Zwecken in zahlreichen Filmen verfälscht und manipuliert (siehe z.B. die großen Hollywood-Schinken „Last Samurai“, „Braveheart“, „Der Patriot“ oder „Apocalypto“ – merkwürdigerweise hat Mel Gibson hier überall seine Finger mit drin!), was wahrscheinlich anders möglich wäre, aber wohl oft zu beispielsweise dramaturgischen Zwecken eben gemacht wird.

An einigen Stellen ist das Verhalten der Protagonisten nicht ganz nachvollziehbar: Wieso rettet Friedrich Albrecht nicht vor dem suizidalen Ertrinken, indem er in eines der Löcher springt und ihn hochholt? Warum unternimmt kein anderer Napolianer etwas? Wieso bleiben alle Jungmannen stehen, als der eine Jungmann die Granate fallen ließ und der andere sich auf sie wirft um die anderen zu retten? Wieso geht niemand in Deckung, obwohl der Ausbilder das noch lauthals schreit, bevor er selbst die Leiter aus dem Graben hinaus hochsteigt und sich rettet? Können wirklich alle vor Schock kristallisiert worden sein? Diese beiden Szenen wirken etwas unglaubwürdig und unlogisch, sind aber dramaturgisch und storytechnisch umso wichtiger und bestechender für den Zuschauer! Eine weitere Szene wäre noch zu nennen: Friedrich schlägt Albrecht im Keller seines Vaters (der seinen Geburtstag feiert) beim Boxen nieder und k.o. Weshalb ist Albrecht auf Friedrich danach so sauer? Albrecht hat Friedrich doch die ganze Zeit angespornt und aufgefordert ihn zu schlagen und richtig zu boxen. Friedrich war derjenige, der das eigentlich nicht wollte und dem es schwer fiel, der aber dann nach den Aufforderungen Albrechts zuschlägt. Dieses Verhalten ist nicht verstehbar…

Die im Mittelpunkt des Films stehende Freundschaft zwischen Albrecht und Friedrich hätte noch besser ausgebaut werden müssen, präsentiert sich aber solide, glaubhaft und dem Zuschauer sympathisch und ist durchaus gelungen. Die Psychologie des Charakters Albrecht kommt sogar sehr subtil daher und die Gründe seines Suizids sind gar nachvollziehbar. Er wurde immer von seiner Familie ignoriert, denn er war eben nicht wie der Vater der Pragmatiker, sondern eher ein Schöngeist und moralischer Theoretiker, der die Szene, in der die Jungmannen die unbewaffneten russischen Jugendlichen erschießen, aufgrund seiner Sensibilität und Verletzlichkeit nicht verkraftet, sondern große Schwäche und Menschlichkeit offenbart, was so ziemlich das Gegenteil einiger Teile der nationalsozialistischen Ideologien ist.

Der zunächst von den Nazis überzeugte Friedrich fängt nach Albrechts Suizid, der den dramaturgischen Höhepunkt des Films darstellt, an, am Nationalsozialismus zu zweifeln. Diese Zweifelei hätte man durchaus auch noch besser darstellen können und müssen. Nur die Szene am Ende, wo Friedrich sich niederschlagen lässt, reicht hier einfach nicht aus.

Loben muss man wirklich das Casting der Darsteller: Vom asozialen und sadistischen Ausbilder, den Schülern, dem Herrn Gauleiter, dem Boxtrainer und den anderen Nazi-Schergen sind alle Rollen bestens und passend besetzt. Dementsprechend können auch alle Rollenschauspieler überzeugen und erfüllen den jeweils für sie charakterlichen und schauspielerischen Part auf höchstem Niveau. Auch der hohe Naziwert der Kameradschaft wird im Film meisterhaft porträtiert. Auf einige wichtige ideologische Grundlagen wird auch eingegangen (z.B.: der einzelne Körper gehört nicht mehr dem Individuum, sondern der Volksgemeinschaft; etwas Rassenkunde und nationalsozialistische Menschenphilosophie). Negativ stößt wirklich die absolute Vernachlässigung des Kriegsgeschehens an der Front auf, die vollkommen nicht gezeigt, erwähnt, genannt oder dargestellt wird. Nicht in einer Szene! Man hätte wenigstens mal etwas von der deutschen Wochenschau oder einer Goebbels oder Hitlerrede einspielen können… dieser Kritikpunkt ist wahrhaft am durchschlagensten. So wirkt die Festung und Burg, in der die nationalpolitische Erziehungsanstalt haust so wie eine etwas abgeschlossene Einheit. Nur am Ende wird mal eben die Ostfront erwähnt… vom schleichenden Niedergang des dritten Reiches (oder auch Erfolgen) hört man hingegen tatsächlich gar nichts während des gesamten Filmerlebnisses! Das kann eigentlich nicht sein, wie auch Hans Müncheberg treffend anmerkt. Die anderen historischen Tatsachen, die entweder abgeändert, verfälscht oder weggelassen wurden sind da eher noch verkraftbar und tolerierbar, denn anders hätte die Story rund um die Jungmannenfreundschaft und die Charakterisierung der Charaktere vielleicht nicht hingehauen. Die falschen geschichtlichen Begebenheiten im Film muss man ihm einfach verzeihen, denn allein schon der Fakt, das sich jemand (Dennis Gansel) des Themas annimmt und es auf die große Leinwand bringt, und dann so unterhaltsam, teilweise abschreckend und informierend, müsste eigentlich schon als durchschlagendes Argument gelten, um dem Film seine Legitimation (so wie er nunmal ist) zu verpassen. Denn es ist zweifelsohne ein sehr gutes Nazidrama geworden…

Fazit:

Ein sehr sehenswerter und dramaturgisch unterhaltsamer Film, der leider mit historischen Schwächen und Verfälschungen daher kommt, aber durch eine romantische Jungenfreundschaft und dramatische Szenen einen bleibenden Eindruck hinterlässt und sicherlich einige Zuschauer begeistern konnte, sich mit dem Nationalsozialismus und den Napolas näher und eindringlicher historisch zu beschäftigen. Wenn der Film allein schon dieses Interesse bei vielen Publikumsteilnehmern geweckt hat, dann hat er seinen Zweck erfüllt. Der Film reiht sich somit nahtlos in die historischen Filme über die Zeit des Nationalsozialismus (z.B.: Der Untergang (das absolute Meisterwerk aller Filme über das dritte Reich), Sophie Scholl, Die Brücke, Stalingrad) gut ein und ergänzt diese um wichtige Informationen und Hintergründe.

[Wertung]

Huckabee: 4 out of 5 stars (4 / 5)

Weiterführender Link zur historischen Information:

http://www.nationalsozialismus.de/lexikon/nationalpolitische-erziehungsanstalten-napola

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