Das 33. Filmfest München ist vorbei! Vom 29.06.2015 bis zum 02.07.2015 war ich vor Ort und durfte in dieser Zeit 11 Filme und zwei Serienfolgen schauen. Grund genug einmal einen Blick zurück zu werfen und Euch kurz über meinen Eindruck der gesehenen Filme zu berichten.

The Visit / Michael Madsen

1_main_still_The_Visit_tif_1400Mein Einstieg in das Filmfest war die Dokumentation „The Visit“ von Michael Madsen. Der Regisseur spielt hier das Gedankenexperiment durch, was wäre, wenn Außerirdische bereits auf der Erde gelandet wären und versetzt den Zuschauer dabei in die Rolle des außerirdischen Besuchers. Madsen zieht sein Szenario allerdings nicht konsequent durch und wechselt leider immer wieder zwischen der hypothetischen Sicht, in der der Zuschauer direkt als Alien angesprochen wird und der rein wissenschaftlichen Sicht. Erschwerend kommt hinzu, dass Madsen mehr Fragen aufwirft, als er schlussendlich beantwortet. So bleibt unter dem Strich leider nur eine mittelmäßige Dokumentation mit interessanten Ansätzen.

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À trois on y va (All about them) / Jérôme Bonnell

811 A TROIS ON Y VA _ C_line Nieszawer_1400Weiter ging es mit der französischen Komödie „À trois on y va“ von Jérôme Bonnell. Hier erzählt der Regisseur die Dreiecksbeziehung zwischen Mélodie (Anaïs Demoustier), Charlotte (Sophie Verbeeck) und Micha (Félix Moati), wobei keiner von den unterschiedlichen Liebeskonstellationen weiß. So liebt Micha sowohl Mélodie als auch Charlotte, Charlotte ihrerseits liebt Mélodie und Micha und Mélodie eben Micha und Charlotte.

Bonnell erzählt in seinem Film eine erfrischende Geschichte und setzt dabei bewusst auf ruhigere Töne. Doch genau da liegt für mich auch das Problem des Films. So sympathisch einem die Figuren auch sind, man wünscht sich, dass einfach mehr passiert und die Dreiecksgeschichte sich schneller entwickelt. Meiner Meinung nach hätte Bonnell die Nebenschauplätze runterschrauben sollen und sich mehr auf die Beziehung zwischen Mélodie, Charlotte und Micha konzentrieren sollen. So ist ein „À trois on y va“ ein Film der nicht weh tut und den man sich ruhig anschauen kann, wenn er denn mal TV läuft.

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Slow West / John Maclean

DSC_0516_1400Der letzte Film des Tages zählt zu meinen Highlights meiner gesehenen Filme. Das Langfilmdebüt des schottischen Regisseurs John Maclean ist ein fantastischer Western, den man grob als Roadmovie mit Pferden bezeichnen kann. In „Slow West“ ist ganz klar der Weg das Ziel und so ist die Reise des jungen Jay Cavendish (Kodi Smit-McPhee) der sich mit Hilfe des Kopfgeldjägers Silas (Michael Fassbender) auf die Suche nach seiner großen Liebe Rose (Caren Pistorius) macht der zentrale Punkt der Handlung. Maclean gelingt es dabei seine Figuren wirklich gut zu zeichnen und so ist Jay der naive Immigrant, der nur dank Silas überlebt und auf der richtigen Fährte gehalten wird. Und obwohl die Charaktere zu Beginn sehr stark in Schablonen gepresst wurden, vollziehen Jay und Silas im Laufe der gut 90 Minuten Film einige charakterliche Entwicklungen.

Durch seine einfühlsame Darstellung der Reise, gespickt mit einigen skurrilen Szene, sowie mit einigen erschreckenden Momenten ist John Maclean ein Film gelungen, der nicht nur Genrefreunde überzeugen wird und beste Kinounterhaltung ist. Ab dem 30.07.2015 besteht auf jeden Fall die Chance sich den Film im Kino anzusehen.

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Happy Hour / Franz Müller

HaHo2_1400Der erste Film meines zweiten Festivaltages war der deutsche Film „Happy Hour“ von Franz Müller. Der deutsche Film und ich sind ja nicht die besten Freunde und so war ich mir auch nicht sicher, ob mir „Happy Hour“ gefallen wird. Am Ende des Films muss ich sagen, der Besuch der Vorstellung hat sich gelohnt. Franz Müller erzählt in seinem Film eine wirklich ergreifende Geschichte über Freundschaft zwischen Männern im mittleren Alter und deren Selbstfindung in Irland. Humorvoll, charmant besetzt und ohne die Moralkeule zu schwingen nimmt „Happy Hour“ so den Zuschauer auf eine Reise mit, die vielen Männern im ähnlichen Alter der Hauptprotagonisten sicher bekannt vorkommt, aber genauso bei allen Zuschauern gut ankommt und verstanden wird.

Leider ist mir für „Happy Hour“ noch kein Kinostart bekannt, obwohl ich mir wirklich wünsche, dass der Film einen solchen bekommt. Somit heißt es Augen offen halten, wann der Film im Kino oder im Fernsehen läuft und dann unbedingt anschauen! „Happy Hour“ ist eine echte Perle des deutschen Films.

Vita Activa – Hannah Arendt und die Plicht zum Ungehorsam (Hannah Arendt, Habiografia Harukhanit / Vita Activa: The Spirit of Hannah Arendt) / Ada Ushpiz

Hanna Arent - cigarette_1400Nach der eher leichten Kost mit „Happy Hour“ gab es mit „Vita Activa – Hannah Arendt und die Plicht zum Ungehorsam“ den wohl anstrengendsten Film meiner Filmfest-Sichtungen. Der Dokumentarfilm, der als Weltpremiere auf dem 33. Filmfest München lief, liefert einen intimen Einblick auf eine der wichtigsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts und fordert seine Zuschauer die vollen 127 Minuten Laufzeit. Hauptthema des Films ist die „Banalität des Bösen“ und die dunkelste Zeit der deutschen Geschichte, der Nazizeit. Mit vielen Originalausnahmen aus dieser Zeit und aus dem Leben von Hannah Arendt beleuchtet der Film auf beeindruckende Weise Ihr Leben und Ihre Gedanken, regt zum Nachdenken an und stimmt extrem nachdenklich, da einem eindrucksvoll vorgehalten wird, wie schnell ein totalitäres System entstehen kann.

Regisseurin Ada Ushpiz begeht dabei glücklicherweise nicht den Fehler dem Zuschauer, speziell dem deutschen Zuschauer, einen Spiegel vorzuhalten und macht somit auch keinerlei Schuldzuweisungen, sondern konzentriert sich wirklich auf die Person Hannah Arendt und ihre kontroverses Gedankengut.

Mich würde es sehr freuen, wenn der Film schon bald mehr Menschen zugänglich gemacht wird, da die Person Hannah Arendt eine wirklich interessante Persönlichkeit ist.

Boy7 / Özgür Yildirim

boy7-still11_1400Der letzte Film des Tages war „Boy7“ von Özgür Yildirim. Nach „Happy Hour“ war dies der zweite deutsche Film des Tages und erneut habe ich es nicht bereut mich für diesen Film zu entscheiden. Die Geschichte um den jungen Sam (David Kross), der sein Gedächtnis verloren hat und herausfinden muss, was eigentlich mit ihm passiert ist, wirkt stellenweise zwar etwas konstruiert, ist aber über die gesamte Laufzeit spannend und gut gespielt. Neben David Kross überzeugt Emilia Schüle als Girl8 und auch der restliche Cast macht einen guten Job.

In der Anmoderation wurden „David Lynch“-Momente und Finten versprochen, die ich im Film dann eher nicht wiedergefunden habe, doch auch ohne diese stilistischen Mittel ist „Boy7“ ein Beweis dafür, dass Genrekino auch aus Deutschland kommen kann! Ab dem 20.08.2015 könnt Ihr Euch selbst ein Bild davon machen, dann nämlich startet „Boy7“ in den deutschen Kinos.

Sleeping Giant / Andrew Cividino

SkateFireworks1-edit_1400Mit meinem ersten Film am Mittwoch gab es eine kleine Indieperle aus Kanada. Nachdem Andrew Cividino die Geschichte seines Films bereits in einem Kurzfilm umgesetzt hatte, hat er kurze Zeit später einen Langfilm nachgelegt. Und was für einen!

Adam (Jackson Martin) verbringt gemeinsam mit seinen Eltern die Sommerferien am Lake Superior im Norden Ontarios. Dort schließt er schnell Freundschaft mit Riley (Reece Moffett) und Nate (Nick Serino) und gemeinsam haben die drei Jungs nur Flausen im Kopf. Zudem entdecken die drei die Liebe für sich und decken auf, dass hinter der vermeintlichen Urlaubsidylle manches verlogenes Geheimnis steckt.

„Sleeping Giant“ ist ein ruhiger Film, der von seinen drei jungen Darstellern lebt und deren Geschichte man gespannt folgt. Der Film ist dabei sehr dialoglastig und fordert die Aufmerksamkeit des Zuschauers, doch lohnt es sich, sich auf diesen Film einzulassen und von der Geschichte gefangen nehmen zu lassen.

Soweit ich weiß, hat der Film bis jetzt leider noch keinen Kinostart, doch wie ich finde hat diese Indieperle es verdient einen deutschen Verleih zu finden und so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht zu werden.

Tired Moonlight / Britni West

tired moonlight5_1400Als zweiten Film des Tages gab es für mich den eigenartigen „Tired Moonlight“. Gefilmt auf 16mm hat man bei dem Film von Britni West das Gefühl alte Privataufnahmen zu sehen und auch eine richtige Geschichte erzählt dieser Film nur bedingt. Grob zeigt der Film das Leben in einem kleinen Kaff in Montana und vor der Kamera ist eine Mischung aus Laien und Profis zu sehen. So wirkt der Film auch teilweise gestellt und teilweise wie eine Dokumentation und transportiert vor allem die Botschaft, dass man nicht viel braucht um glücklich zu sein im Leben und man auch aus einer schlechten Lebenssituation noch etwas machen kann.

Eines ist „Tired Moonlight“ auf keinen Fall, ein Film für die breite Masse. Für mich ist der Film eher ein Kunstwerk. Ein Film, der für Freunde von experimentellen Projekten geeignet ist. Für Leute, für die Kino mehr ist als reine Unterhaltung. So wundert es auch nicht, dass der Film noch keinen deutschen Verleiher gefunden hat und ich bin sehr gespannt ob es „Tired Moonlight“ außerhalb der Festivalvorführungen zu einer Veröffentlichung in Deutschland schafft.

True Story – Spiel um Macht / Rupert Goold

108_DF-04176_kl_1400Als dritten Film des Tages gab es „True Story – Spiel um Macht“ und der Film hat mich ganz schön ins Schwitzen gebracht. Dummerweise war es draußen deutlich über 30° warm und im Kino ist dann auch noch die Klimaanlage ausgefallen. So war der Film dann auch anstrengender als er eigentlich ist, wobei die ungünstigen Rahmenbedingungen nicht der Grund dafür sind, dass mich „True Story“ nicht komplett begeistern konnte.

Die Geschichte um den des mehrfachen Mordes verurteilten Christian Longo (James Franco) und dem Journalisten Michael Finkel (Jonah Hill), der in der Geschichte von Longo die Chance sieht seine journalistische Ehre wieder herzustellen ist zwar durchaus interessant, doch weiß Regisseur Rupert Goold leider nicht so recht, worauf er den Fokus seines Film legen wollte. So hängt der Film ein wenig zwischen den Seilen und ist teils Charakterstudie, teils Gerichtsdrama. Beide Seiten haben sicher ihren Reiz, für den Film wäre es aus meiner Sicht allerdings besser gewesen sich auf einen der beiden Faktoren zu konzentrieren als von beiden Seiten etwas zu zeigen.

Ab dem 06.08.2015 könnt Ihr Euch Eure eigene Meinung zu „True Story – Spiel um Macht“ machen, dann nämlich startet er in den deutschen Kinos.

Electricity / Bryn Higgins

Electricity 1_1400Der erste Film an meinem letzten Filmfesttag zählt für mich zu den absoluten Geheimtipps und ich hoffe wirklich, dass „Electricity“ einen deutschen Verleih findet und noch viele Filmfans begeistern kann. Dieser britische Film über eine Frau mit Epilepsie die sich auf die Suche nach ihrem verschollenen Bruder macht. Ihre Krankheit stellt sich dabei als echtes Hindernis raus.

Doch „Electricity“ ist mehr als ein Film über Epilepsie. Bryn Higgins erzählt eine Geschichte über Freundschaft, Familie, enttäuschte Erwartungen. Und obwohl der Film viele düstere Seiten des Lebens zeigt, macht er Mut

„Electricity“ zeigt auch, dass es sich lohnt Risiken einzugehen, dass es belohnt wird, wenn man an seine eigenen Werte glaubt.

Neben der Geschichte überzeugen auch die Darsteller, allem voran Agyness Deyn als Hauptdarstellerin Lily, aber auch Paul Anderson als Bruder Barry und Christian Cooke als verschollener Bruder überzeugen. „Electricity“ war auf jeden Fall ein verdammt guter Einstieg in den Festivaltag.

Lerchenberg Staffel 2 Folge 1 & 2 / Felix Binder

Nach 10 Filmen gab es am Donnerstag zur Abwechslung mal ein wenig Serienkost. Angeschaut habe ich mir die ersten beiden Folgen der zweiten Staffeln der ZDF Comedy Serie „Lerchenberg“. Die erste Staffel über einen gealterten Sascha Hehn der zum Kapitän vom Traumschiff aufsteigt überzeigte mit bissigem Humor, den man so nicht unbedingt vom Zweiten Deutschen Fernsehen erwartet und so war ich gespannt ob die zweite Staffel auch wieder ein Volltreffer wird.

Und was soll man sagen, die ersten beiden Folgen machen wirklich Spaß und sind prallgefüllt mit guten Witzen. „Lerchenberg“ lebt dabei von der Selbstironie Sascha Hehns und sein Wunsch zum Charakterdarsteller aufzusteigen wird von Regisseur Felix Binder gut in Szene gesetzt.

Wenn „Der Tatortreiniger“ gerade einmal nicht ausgestrahlt wird, ist „Lerchenberg“ auf jeden Fall eine gute Alternative und der Beweis, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten doch mehr können, als „Der Bergdoktor“ und „Rosamunde Pilcher“.

Heil / Dietrich Brüggemann

IMG_1560__c_X Verleih_Johnny(JacobMatschenz) und Kalle(DanielZillmann)_1400Von „Heil“ habe ich mir wirklich viel versprochen. Ein deutscher Film der sich über Nazis lustig macht, klingt erst einmal vielversprechend, doch Dietrich Brüggemann hat seine Geschichte über den afrodeutschen Sebastian Klein (Jerry Hoffmann) völlig in den Sand gesetzt.

Dabei fängt „Heil“ wirklich vielversprechend an und führt einen der Nazis wirklich unterhaltsam ein, doch danach ist es vorbei mit der guten Unterhaltung. Wenn sich eine Filmwelt nicht einig ist ob man nun reale Produkte nennt oder lieber abgeänderte Namen und wenn die Witze sich auf billige Zoten belaufen, statt auf bissige Satire, dann ist irgendwas völlig schief gelaufen. Warum wird als aus der ARD die ARB aus Facebook das Gesichtsbuch? Und warum wird dann später doch Facebook und YouTube genannt und warum darf Sebastian Klein vor den Plakaten echter Parteien Platz nehmen?

Erschreckenderweise hat sich ein Großteil des Kinopublikums scheinbar gut unterhalten gefüllt und so befürchte ich, dass „Heil“ nach seinem Kinostart am 16.07.2015 schnell als die Nazikomödie der letzten Jahre gefeiert wird.

Das deutsches Kino auch besser kann, haben mir zum Glück die beiden Filme „Boy7“ und „Happy Hour“ bewiesen und in diesen beiden Filmen haben mir auch Liv Lisa Fries und Alexander Hörbe bewiesen, dass sie besser schauspielern können, als sie es in „Heil“ gezeigt haben. Für mich war „Heil“ somit die absolute Enttäuschung meiner Filmfestsichtungen!

Abschließend bleibt zu sagen, dass der Besuch des 33. Filmfest München für mich eine tolle Zeit war. Ich habe Filme geschaut, die ich sonst wahrscheinlich nicht geschaut hätte und einige interessanten Filmentdeckungen gemacht und so meinen Filmhorizont erweitert. Sollte sich die Chance ergeben das Filmfest auch 2016 wieder zu besuchen, werde ich diese Chance auf jeden Fall nutzen! Und vielleicht habt Ihr ja jetzt Lust einen der vorgestellten Filme anzuschauen.

Alle Bildrechte liegen beim Filmfest München oder beim jeweiligen Verleih.

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