Ein weiterer Teil der mehrfach ausgezeichneten Krimireihe um Oscar- und Golden Globe-Gewinnerin Helen Mirren („The Queen“).

In „Die letzten Zeugen“ wird Hauptkommissarin Jane Tennison (Helen Mirren) beauftragt, den brutalen Mord an einem bosnischen Kriegsflüchtling aufzuklären. Ins Visier der Polizei gerät erst ein Sicherheitsmann, dann der smarte Übersetzer Milan Lukic, der politische Immunität genießt. Entgegen ihren Anweisungen reist Tennison in das Krisengebiet, um nach lebenden Zeugen zu suchen. Sie findet trotz herber Rückschläge einen Verbündeten: einen Kriegsfotografen. (Verleihinfos)

Filminfos

O-Titel: Prime Suspect 6: The Last Witness (GB 2003)
Dt. Vertrieb: Koch Media
Erscheinungsdatum: 28.03.2008
FSK: ab 16
Länge: ca. 198 Min.
Regisseur: Tom Hooper
Drehbuch: Peter Berry
Musik: Robert Lane
Darsteller: Helen Mirren, Ben Miles, Mark Strong u.a.

Handlung

Auf einem Rohbau finden Bautagelöhner die Leiche einer jungen Frau. Ärger! Sie verduften sofort wieder, aber den Mann, der sie angeheuert hat, kann Chefinspektor Simon Finch vernehmen. Es wirkt nicht gerade beunruhigend, dass ein Jahr zuvor eine tote Albanerin nur 200 Meter entfernt gefunden wurde. Sofort fällt der Verdacht auf Osteuropäer, und der Innenminister hetzt allgemein gegen Ausländer in England. Finchs Vorgesetzte, Hauptkommissarin Jane Tennison, mittlerweile 54, nimmt ihm den politisch offenbar brisanten Fall lieber weg. Finch sorgt dafür, dass er sich bei Tennisons Boss Hall Rückendeckung holt. Wenn die Tennison einen Fehler macht, ist er fein raus und stets zur Stelle.

Die strangulierte und mit Zigaretten gefolterte Tote ist eine 22 Jahre alte, bosnische Muslimin namens Samira Blakic. Doch bei der Obdktion zeigen sich Folterspuren, die weitaus älter sind und wohl schon in Bosnien zugefügt wurden, eventuell von den Serben. Samira arbeitete als Putzfrau in einem Nobelhotel, doch sie hat eine Schwester namens Jasmina. Diese ist zufällig die Freundin des Zigarettenschmugglers Kaseem, den Simon Finch sucht. Tennison findet Jasmina in einem Versteck für Zigaretten, unter den Dielen ihrer Wohnung.

Samira und Jasmina waren zwölf und 13 Jahre alt, als sie im Juni 1992 aus Bosnien flohen. Das war nach einem Massaker der serbischen Paramilitärs, die Muslime jagten. Bei dem Massaker starben 30 Männer, und die beiden Mädchen überlebten nur, weil sie sich unter den Leichen versteckten. Jasmina berichtet von einem großen Mann, der sie verschonte, obwohl er den Befehl hatte, sie zu exekutieren. Seine Name: Dusan Zigic. Seine Befehlshaber unbekannten Namens hatte die beiden Schwestern vier Tage lang vergewaltigt. Sie können sein Gesicht nicht vergessen. Tennison fragt sich, ob auch er in England ist.

Dusan Zigic ist der Fahrer der Sicherheitsfirma, die auch das Haus bewachte, in dem Samira gefunden wurde. Das macht ihn verdächtig. Er versteht sich auffällig gut mit seinem Dolmetscher, der sich als Milan Lukic vorstellt und der nicht von der Polizei, sondern von Dusan Zigics Anwältin Rosemary Henderson ausgewählt wurde. Auch das findet Tennison merkwürdig. Als sie den Dolmetscher austauscht, reagiert Dusan Zigic aufgebracht. Er verbirgt etwas, aber was? Wer ist der Hintermann, der ihm den Auftrag gab, Samira zu töten? Ist dieser der „Teufel“, vor dem sich Samira fürchtete?

Als der Tatort des Mordes an Samira (vorher war nur ihr Fundort bekannt) entdeckt, will Tennison Dusan Zigic verhaften lassen, doch er ist verschwunden. Sie besucht parallel zur Fahndung Milan Lukic in seinem Optikergeschäft. Der Mann ist smart, freundlich – und schiebt unverfroren sein Bein zwischen ihre Knie. Als Tennison auf dem Revier in der Tageszeitung liest, wie die Rolle Jasminas enthüllt wird, befürchtet sie sofort, dass der untergetauchte Dusan Zigic Jasmina ermorden könnte.

Ein Wettlauf gegen die Uhr beginnt. Kann Tennison Jasmina finden, bevor Zigic sie findet?

Mein Eindruck

Diese umfangreiche Doppelfolge von 198 Minuten Länge greift ein 2003 allmählich in Vergessenheit geratenes Thema auf: die Flüchtlinge des Bosnienkrieges von 1991/92. Tennison fährt sogar an den Originalschauplatz des Massaker, dem die Blakic-Geschwister fast zum Opfer fielen. Die Serben sehen hier Ausländer wie sie überhaupt nicht gerne. Das Haus einer Moslemfamilie wurde niedergebrannt.

Die Ironie an dieser Sache: Ihr Chef Hall hat ihr explizit verboten, nach Bosnien zu reisen. Kaum ist sie zurück, wird sie zusammen mit ihm zum Scotland Yard vorgeladen, nur um zu gesagt zu bekommen, was die Regierung Ihrer Majestät von Tennisons Aktivitäten hält. Das Thema Bosnien und Flüchtlinge ist brisant, soviel steht, und Kriegsverbrecher werden immer noch gesucht. Man will sie vor den Europäischen Gerichtshof in Den Haag stellen. Und dafür werden Verräter unter den ehemaligen Tätern gebraucht, Verräter, wie Tennison gerade versucht, einen zur Strecke zu bringen. Als Tennison nicht locker lässt, muss Hall sie beurlauben.

Der Grund, warum Tennison nicht nur die Order ihres Chefs, sondern sogar die des Scotland Yards missachtet, ist ihre persönliche Betroffenheit. Diese ist, wie sie selbst zugibt, zwar unprofessionell, lässt sich aber nicht abschütteln. Jasminas Geschichte hat sie ebenso erschüttert wie das Video des Kriegsfotografen Robert West, mit dem sie zum Schauplatz des Massakers reist. Vor Ort spuken die blutigen Bilder durch ihren Kopf – ein toller Einfall des Cutter, hier Micro-Cuts einzuflechten, als seien es Schnappschüsse aus Tennisons Erinnerung. Fortan erscheint uns Tennison als Sprecherin für die Toten.

Ihr alter Vater – er muss mindestens 74 sein – gibt ihr völlig recht und bestärkt sie in ihrem Vorgehen. Er erzählt, wie er selbst 1945 das KZ Bergen-Belsen bei seiner Befreiung besuchte, um als Sanitäter Hilfe zu leisten. Was er und seine Kollegen vorfanden, war unvorstellbar: Berge von über zehntausend unbegrabenen Leichen. In einem dieser Berge fanden sie ein kleines Mädchen. Sofort ist Tennison an Samira und Jasmina erinnert, die unter Leichen hervorkrabbelten und flohen. In ein angebliches sicheres Land, wo ihre Schlächter sie nicht erreichen würden. Sie irrten sich.

Das ist der zweite Grund, warum Tennison nicht locker lässt, um sowohl Zigic als auch Lukic alias Jankovic der Gerechtigkeit zuzuführen. Ganz egal, was Vorgesetzte und Regierung davon halten. Diese können sich irren. Doch sie glaubt an Jasminas Geschichte, wohl wissend, dass auch sie sich irren könnte. Aber für sie gibt es ein Ideal, das Gerechtigkeit heißt, und das keine Erniedrigung durch politisches Kalkül duldet. Nur so kann sie den Ermordeten zu ihrem Recht auf Vergeltung verhelfen.

Diese Doppelfolge ist nichts für Zartbesaitete und zählt unter den Folgen von „Heißer Verdacht“ zu den besten überhaupt. Sie kann es locker mit den besten Folgen von „Auf alle Fälle Fitz“ mit Robbie Coltrane aufnehmen. Nur dass Helen Mirren ihre weibliche Sensibilität ausspielen kann. Wiederholt begibt sich ihre hauptkommissarin in Vier-Augen-Gespräche mit weiblichen Opfern und Zeugen, mit erheblichem Erfolg.

Es ist sehr befriedigend zu sehen, wie einfallsreiche Dialoge, wie sie Peter Berry geschrieben hat, die Ermittler immer noch weiter bringen als jedes Indiz. Und die Einfälle des Cutter wie Parallelschnitt und Mikroschnitte tragen dazu bei, die optische Aufmerksamkeit des Zuschauers wachzuhalten und seine Vorstellungskraft anzuregen. Da kann keiner kalt bleiben.

Die DVD

Technische Infos

Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras: keine

Mein Eindruck: die DVD

Die Qualität von Bild und Ton sind Fernsehqualität, aber um einiges besser als zu Beginn der Serie „Heißer Verdacht“ in den achtziger Jahren. Die Synchronisation wurde anno 2004 vom ZDF angefertigt. Eine achtbare Arbeit, doch Mirrens Synchronstimme ist diesmal eine andere als sonst.

Bei den Extras herrscht wie bei dieser DVD-Serie üblich totale Fehlanzeige. Schwamm drüber. Die DVD-Box steckt wie stets in einem Schuber, das macht den Kohl aber auch nicht fett.

Unterm Strich

Die Story greift diesmal das Thema Bosnien-Flüchtlinge und Kriegsverbrecher auf. Die Politik streift die Handlung nur ganz am Rande, vielmehr steht im Mittelpunkt das Leid der ermordeten Flüchtlinge und die mitunter schwierige Jagd auf die Verbrecher. Tennison hängt sich diesmal auch persönlich voll rein.

Wie üblich muss Tennison in die Trickkiste greifen, um sich gegen ihre fiesen Vorgesetzten durchsetzen zu können. Denn die wollen sie am liebsten schon mit 54 in Pension schicken, damit sie diese Unruhestifterin los sind. Wie so häufig entsteht der Eindruck, dass sich die Polizei lieber mit sich selbst bechäftigt, als einen Fall zu lösen und der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Eine der besten Folgen der Serien, allenfalls ein Weg zu lang.

[Wertung]

Mima2016: 4 out of 5 stars (4 / 5)

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