Die irische Krimireihe „Jack Taylor“ widerlegt alle gängigen Irland-Klischees – bis auf eines: alle sind trinkfest. Die TV-Adaption basiert auf den gleichnamigen preisgekrönten Bestseller-Romanen des Autors Ken Bruen (u. a. Shamus Awards, Grand Prix De Littérature Policière und Deutscher Krimipreis), der in seiner Geburtsstadt Galway an der Westküste Irlands lebt, wo auch die Handlung der Jack Taylor-Krimis angesiedelt ist (Info: www.kenbruen.com).

Charismatischer Titelheld dieses „Irish Noir“-Krimis ist der belesene und moralische, aber bisweilen auch ziemlich aufbrausende Privatdetektiv Jack Taylor. Er ist nicht nur der Damenwelt, sondern leider auch dem Alkohol äußerst zugetan, was ihn oftmals in große Schwierigkeiten bringt. So wurde Jack aus dem Polizeidienst gefeuert, weil er einen korrupten Minister bei einer Verkehrskontrolle allzu heftig ins Gesicht schlägt.

Fortan ermittelt Jack als Privatschnüffler in bester Marlowe‘scher Old School-Manier, der mit seinen unorthodoxen Recherchemethoden und mit Hilfe seiner Mitstreiter Kate Noonan und Cody Farraher die Fälle bearbeitet, die von der irischen Polizei längst als erledigt oder unlösbar ad acta gelegt wurden. Wirtschaftskrise, Selbstjustiz, Drogenvergehen, sexueller Missbrauch von Messdienern, Vorurteile gegenüber Minderheiten – all das sind reale Themen, die in die Geschichten einfließen.

Wer könnte einen melancholischen, saufenden und marodierenden Iren besser darstellen als ein waschechter Schotte? Der 52-jährige Iain Glen brillierte bereits in zahlreichen Film- und TV-Produktionen wie „Game Of Thrones“, „Tomb Raider“, „Resident Evil“, „Downton Abbey“, „Königreich der Himmel“ oder „Borgia“ und verleiht durch virilen Charme und seine sympathische Ausstrahlung der Hauptfigur Jack Taylor die nötige Authentizität und Tiefe. (Verleihinfo)

Filminfos

O-Titel: Jack Taylor (GB 2011)
Dt. Vertrieb: Edel Motion
VÖ: 09.12.2013
EAN: 4029759086185
FSK: ab 16
Länge: ca. 540 Min. + Bonus
Regisseur: Stuart Orme
Drehbuch: Marteinn Thorisson, Marcus Fleming, Tom Collins, Anne McCabe, Ralph Christians
Musik: Stephen McKeon, Colin Towns
Darsteller: Iain Glen (Taylor), Nora-Jane Noone (Noonan), Killian Scott (Cody Farraher) u.a.

Die Episoden

Folge 1: „Der Ex-Bulle“

Seit Jack Taylor (Glen) einen Minister wegen zu schnellen Fahrens angehalten und K.O. geschlagen hat, ist er kein Polizist in der west-irischen Hafenstadt Galway mehr. Aber seinen Allwettermantel gibt er trotzdem nicht her. Dass der Minister wegen Korruption entlassen wurde, ist ihm kein Trost. Er nächtigt, dem Alkohol liebevoll zugetan, wahlweise in der Pension von Mrs. Bailey, die ihn bewundert, und in seinem Lieblings-Pub „The Crane“, wo der alte Sean Grogan quasi sein Beichtvater ist.

Immer wieder werden tote Mädchen an die gleiche Stelle an Galways Hafenzeile angespült. Während die Polizei unter Jacks Exkollege Clancy die Serie als Selbstmorde behandelt, bittet ihn die attraktive Anne Hennessy (Tara Breathnach), um die 30, nach ihrer verschwundenen Tochter zu suchen. Als Jack sich an seinen Exkollegin Kate Noonan (Noone) wendet, stellt sich heraus, dass nichts über dieses Mädchen zu finden ist.

Doch Jack findet heraus, dass einige der toten Mädchen in der Fabrik „Planter’s“ gearbeitet haben. Dort wurden sie per-Überwachungskamera beobachtet – und gefilmt. Zusammen mit seinem alten Freund Sutton, einem ehemaligen Soldaten der Spezialtruppen, dringt Jack dort ein. Doch die Sache geht nicht nur schrecklich schief, sie wirft auch ein neues Licht auf die Aktivitäten von Anne Hennessy…

Mein Eindruck

Hat der Besitzer von Planter’s, ein Kunstmäzen namens Lampert, wirklich als Pädophiler die Mädchen auf dem Gewissen? Oder gibt es da noch einen zweiten Mann? So ganz geradlinig und vorhersehbar ist die Handlung keineswegs. Es kommt zu einem überraschenden Shown im Bootshafen von Galway, und dabei spielt die zwielichtige Anne Hennessy eine ganz zentrale Rolle.

Natürlich wissen Film-noir-Freunde und Fans von Philip Marlowe, dass diese Frau nichts Gutes verheißt, siehe beispielsweise den „Malteser Falken“ und „The Big Sleep“. Aber Jack kann ein wenig seelischen und körperlichen Trost gut gebrauchen. Wie sich herausstellt, leitete Anne im Kosovo ein Waisenhaus, bis eingewisser Ire dort auftauchte, um die Mädchen an Pflegeeltern in den USA zu vermitteln…

Die Auftakt-Episode stellt uns die finsteren Seiten des Ex-Bullen allzu widerlich vor. Das war vielleicht auch der Grund, dass die Hauptfigur schnellstens sympathischere Figuren wie Kate Noonan und seinen Assi Condy zur Seite gestellt bekam. Nun stürzt Jack auch nicht mehr regelmäßig am Wochenende ab, sondern bekommt den Fall auf die Reihe. Dass er dabei tüchtig einstecken muss, versteht sich von selbst. So etwa in seinem nächsten Fall…

Folge 2: „Auge um Auge“

Ein Jahr nach den Ereignissen in Folge 1 und einer Auszeit in London folgt Jack wieder einem Ruf aus Galway. Ein Freund seines Vater Patrick bittet ihn, den mysteriösen Tod von dessen Sohn Niall O’Shea zu untersuchen. O’Shea stürzte von einem Baugerüst direkt auf ein vorüberfahrendes Auto. Das soll angeblich ein Selbstmord oder ein Unfall gewesen sein, wovon O’Shea senior kein Wort glaubt.

Als sich Jack umhört, wird im TV der Rückgang der Verbrechensrate in und um Galway gelobt. Aber nicht die Polizeitruppe unter dem mittlerweile beförderten Superintendent Clancy darf dafür die Lorbeeren einheimsen, sondern offenbar treibt eine Bürgerwehr ihr Unwesen, um Selbstjustiz zu üben. Steckt der Bauunternehmer McCaffrey dahinter, der O’Shea rauswarf, weil er angeblich Geld unterschlug? Dass McCaffrey Jacks ehemalige Flamme Anne Henderson (nicht etwa Hennessy) aufgenommen hat und offenbar auf prügelt, macht ihn Jack nicht gerade sympathisch.

Ein junger Mann, der sich „Cody“ nennt, möchte unbedingt dem „großen Jack Taylor“ helfen, den er für den besten Privatdetektiv hält, der je auf Gottes Erdboden wandelte. Der ewig misstrauische Jack sagt ihm natürlich erst einmal, er soll sich verpissen. Doch schon bald wird er Cody dringender brauchen als irgendjemanden sonst.

Denn wenig später wird McCaffrey tot aufgefunden und Jack des Mordes angeklagt…

Mein Eindruck

Die Vigilanten nennen sich die „Pikemen“ nach einer irischen Freiheitskämpfergruppe aus dem Jahr 1798, die als Waffe die Pike nutzte, eine Kombination aus Speer und Axt. Aber Jack Taylor merkt gleich, dass sich irgendjemand diese historische Truppe als Vorwand für einen eigenen Rachefeldzug auserkoren hat. Natürlich hat er Recht, denn alles fing damit an, dass ein zwölfjähriges Mädchen spurlos aus Galway verschwand.

In seinen Bemühungen, den Sohn dieses Vigilanten zum Sprechen zu bringen, wendet sich Jack an Kate Noonan. Die sitzt in der Klemme und schon bald wird Jack und der zeuge mit Argusaugen von ihrer Polizeitruppe beobachtet, bereit zum Zuschlagen. Doch dann geht alles schief, was nur schiefgehen kann.

Die Folge besticht durch eine extrem spannende Zuspitzung, echtes anrührendes Drama und eine humorvolle Nebenhandlung um Cody, den Möchtegern-Assi. Die Farbregie ist höchst interessant. Gewalt spielt sich vor einem Rotfilter ab, Verschwörung vor einem Gelbfilter, und Rückblenden sind grundsätzlich in Schwarzweiß gehalten – mit ausgewählten Farbklecksen. Das sorgt für eine Menge optische Abwechslung.

Folge 3: „Gefallene Mädchen“

Ein junger Mann wird von einem Profikiller in den Kopf geschossen. Damian Flood ist einer von drei Söhnen, die der Ex-Polizist Brendan Flood hat. Doch gegenüber Cody, der diesen Fall für einen Knaller hält, lehnt es Jack ab, den Fall zu übernehmen. Wie sich herausstellt, steckt er schließlich bis über beide Ohren mittendrin.

Denn Jack lässt sich von einer Maggie McCarthy beauftragen, nach einer sadistischen Nonne zu suchen, die von ihren Opfern, sogenannten „gefallenen Mädchen“, nur Luzifer genannt wurde. Wer ist Luzifer und was wurde aus ihr? Ihr Name steht im Tagebuch, das Maggies Mutter, die unter Luzifer zu leiden hatte, über die Jahre 1960 bis 1966 schrieb und bei ihrem kürzlichen Tod hinterließ.

Schnell muss Jack feststellen, dass jeder, dem dieses tagebuch anvertraut worden ist, sich in Lebensgefahr befindet. Der Grund: Der Drogenhändler Bill Casseell will es unbedingt haben. Aber warum und wozu? Als Cassell Jack entführen lässt, hofft Jack dies herauszufinden.

Mein Eindruck

In mehreren Rückblenden wird die Geschichte eingeflochten, die das Tagebuch erzählt. Der historische Hintergrund darin entspricht exakt jenem, der in dem irischen Film „Die unbarmherzigen Schwestern“ erzählt wird: Der sogenannte Magdalenen-Orden aus katholischen Nonnen hatte eine lukrative Reihe von Wäschereien aufgezogen. Darin mussten die „gefallenen Mädchen“, die vielelicht nur Mundraub begangen hatten, wie Sklavinnen schuften. Luzifer war die Leiterin einer solchen Wäscherei: Sie behandelte ihre weiblichen Opfer auf sadistische Weise, während sie zugleich für deren Arbeit kassierte.

Im Mittelpunkt stehen drei Mädchen: Mary, Louise und Geraldine. Zu seiner Bestürzung muss Jack feststellen, dass seine eigene Mutter, eine hartherzige Frau, eben jene Mary aus dem Tagebuch ist. Und als sie aus der Anstalt entlassen wurde, um seinen Vater Patrick heiraten zu können, wies sie wenige Jahre später ihre beste Freundin Geraldine, die Tagebuchschreiberin, an der Tür ab… Es ist Mary Taylor, die Jack den wahren Namen jener Teufelin verrät.

Wie all dies mit der Mordserie an den Flood-Jungs zusammenhängt? Das erfährt man ganz am Schluss, als Bill Cassell nichts mehr zu verlieren hat – außer seiner Rache… Ein dramatischer Showdown im Hause Flood bildet das klasse Finale dieser anrührenden Folge. Höchstens der hohe bodycount könnte empfindsame Zuschauer abschrecken.

Folge 4: „Königin der Schmerzen“ (The Dramatist)

Die Polizistin Kate Noonan wird an einen Tatort gerufen, wie sie ihn nicht alle Tage zu sehen bekommt: den Innenhof eines Colleges. Hier liegt Sarah Bradley, die sich angeblich vom Glockenturm in den Tod gestürzt hat. Dass sich in ihrem Blut sowohl Heroin als auch Morphium findet, könnte erklären, dass sie im Drogenrausch vom Turm stürzte.

Aber das erklärt nicht, warum Sarah bei ihrem Tod kostümiert war: Sie trug ein altmodisches Schnürkleid, Blumen im Haar und eine Perücke. Aber was war die Rolle, die sie spielte? Darüber klärt ein Zettel auf, auf dem ein Zitat des irischen Dramatikers John Millington Synge steht: „Deirdre, Königin der Schmerzen“.

Zur gleichen Zeit erhält Jack Taylor, von dem sich Kate fernhalten soll, wenn ihr ihre Karriere lieb ist, am College den Auftrag, diesen Todesfall zu untersuchen. Es ist kein geringerer als Professor Eugene Gorman, der ihn dafür gut bezahlt, herauszufinden, was dahintersteckt. Er glaubt nämlich an Mord. Und sein Verdacht gilt Sarahs Drama-Dozent Lawrence Doyle. Jack schleust seinen Assi Cody auf die Studenten und den Dozenten an. Schon bald wird klar, dass an der Uni das Geschäft mit Drogen floriert.

Eine Quelle hat Jack bald anhand von Sarahs Büchern eruiert: der Buchladen Fables. Der Verkäufer hat stets ein Schnappmesser bei sich, das Jack nach einer „Meinungsverschiedenheit“ an sich nimmt. Doch als er Kate den gleichen Tipp und das passende Codewort gibt, ahnt er nicht, auf was sie sich einlassen muss. Kate verkleidet sich als Junkie und betritt den Buchladen…

Mein Eindruck

Deirdre ist die große tragische Sagengestalt Irlands, und in dieser Episode wird einmal mehr ihre Geschichte verarbeitet. So wird ihre Legende im Film wiedergegeben: Da ihr die größte Schönheit geweissagt ward, verbannte König Conchobar, dem sie versprochen war, sie in den dunkelsten Wald, auf dass kein Unbefugter sie ihm rauben könne. Doch als sie schließlich heiratsfähig war, gelang es dem Recken Neisha, ihr Herz für sich zu gewinnen – und so gab sie dem konsternierten König einen Korb und floh in die Fremde.

Sie lebte frei mit ihrem Liebsten, doch schließlich überkam sie der Drang, auch frei zu sein. Also ging sie zurück zu König Conchobar. Doch dieser zeigte sich rachsüchtig: Er ließ Neisha grausam töten. Doch statt sich nun ihm zu versprechen, rächte sich Deirdre am König, indem sie den Freitod wählte. Lieb tot als unfrei, das ist die Botschaft der Sage – und wer das Schicksal der Iren darin nicht erkennt, der ist wirklich blind.

Doch von wem wird in diesem rätselhaften Fall nun die Rolle von König Conchobar gespielt, wer sind die Freier Deirdres und wer ist die Hauptfigur selbst? Schon zwei Deirdres hat man unter dem Glockenturm gefunden, nun ist Nummer drei an der Reihe: Keine andere als Detective Sergeant Kate Noonan! Doch wer spielt die Rolle ihrer todgeweihten Recken? Jack soll es bald zu seinem Leidwesen herausfinden.

Die Aussage ist vielfach verrätselt: Wird hier die Vergiftung irischer Studentinnen mit Drogen angeprangert? Beklagt das Stück die Übermacht der Vergangenheit gegenüber der Gegenwart? Das wäre typisch irisch – siehe auch „Tag der Vergeltung“ und „Gefallene Mädchen“.

Folge 5: „Tag der Vergeltung“

In einer Kirche in Galway wird ein alter Priester enthauptet. Obwohl sein Kopf fehlt, kann seine Identität festgestellt werden. Father Malachy, der engste Vertraute von Jacks verstorbener Mutter Mary, wendet sich an den Detektiv: Es war Father Royce, und mit diesem namen ist seit 20 Jahren für Father Malachy ein ganz schlimmes Erlebnis verbunden: Royce missbrauchte nicht nur junge Ministranten, sondern vergewaltigte auch vor deren Augen eine Nonne. Malachy versuchte damals, den Klerus zum Einschreiten zu bewegen, doch einer der beiden Ministranten hatte einen reichen Vater, der die ganze Sache vertuschte, um seinen Namen nicht in der Zeitung sehen zu müssen.

Die Namen der beiden Jungs lauten Tom Reed und Michael Clare. Michael ist der Sohn des reichen Mannes und seinerseits, nach entsprechender Therapie, Chef eines Unternehmens, das für Galway große Pläne hat. Er ist mit Ethne verheiratet und hat zwei Töchter, doch ihm viel näher steht seine Schwester Nuala, die für ihn absolut alles tun würde. Kaum hat Michael von dem Auftrag an Jack und seinen Partner Cody erfahren, machte sie sich unter der Tarnung einer Journalistin an sie heran, um ihnen auf den zahn zu fühlen.

Der andere Ministrant, Tom Reed, lebt hingegen in einer Bruchbude, die regelmäßig von jungen Einbrechern ausgeraubt wird. In seiner Schublade findet jack nicht nur einen ominösen Zettel „Der Tag der Vergeltung ist gekommen“, sondern auch einen Kontoauszug: Reed bekommt monatlich 2000 Dollar überwiesen, und das schon seit Jahren. Erpresst er jemanden?

Wie auch immer: Wenig später ist auch Tom Reed zu beklagen und ein Anschlag schickt Father Malachy auf die Intensivstation. Jemandem wird hier der Boden zu heiß. Jack tippt auf Michael Clare, doch er liegt daneben…

Mein Eindruck

Morde unter Pädophilen und deren Opfern – das kann es leicht drunter und drüber gehen. Und die Zuspitzung zu gleich zwei Finali ist einmalig in dieser Staffel. Dementsprechend wichtig ist der Wettlauf gegen die Uhr. Diesmal darf sich auch jacks Partner Cody bewähren, und er tut dies mit Bravour, als er mit dem wahren Mörder argumentiert.

Gut fand ich, dass hier die vielfach vertuschten Verbrechen der Vertreter der katholischen Kirche schonungslos angeprangert werden. Allerdings ist der Father Royce, der in der Rückblende 20 Jahre zuvor auftritt, derart übertrieben durchgeknallt und sadistisch dargestellt, dass er schon wieder unglaubhaft wirkt. Das tut der Sache, die hier vertreten werden soll, nicht gut.

Ein weiterer Aspekt, der die Episode reizvoll macht, ist die Erotik zwischen Mann und Frau: Jack bandelt nicht nur mit Codys Mutter Linda an (was Cody überhaupt nicht witzig findet), sondern auch mit Michael Clares Schwester Nuala, die ihn herausfordert und bei seiner Ehre packt. Auch das findet Cody nicht so lustig, schließlich wollte er was mit Nuala anfangen.

Was den Zuschauer ganz am Schluss völlig unvorbereitet trifft, ist ein brutaler Gewaltakt, der Jacks Leben in der ganzen nächsten Folge überschatten wird.

Folge 6: „Das schweigende Kind“

Monate sind vergangen, seit Jack Galway verlassen und Aufträge auf der ganzen Insel angenommen hat. Gerade übergibt er diskret Beweismittel am Waldrand, als ein blutüberströmtes Mädchen direkt in seine Arme läuft. Die elfjährige Rosie, ein Gesangstalent wie ihre Mutter, gehört zu den Travellern. Die Traveller sind ein fahrendes Völkchen, das es in Irland schon seit den Zeiten der von Dort zu Dorf ziehenden Kesselflicker und Scherenschleifer gibt.

Wegen seiner immensen Schuldgefühle bringt es Jack nicht übers Herz, das Mädchen, dessen Mutter Sinead Maggan erschossen wurde, allein zu lassen. Das Familienoberhaupt, Rosies Onkel Sweeper Maggan, nimmt seine Hilfe an: Er will wissen, wer Sinead auf dem gewissen und was Rosie gesehen hat. Denn es dürfte wohl klar sein, dass sich Rosie als unerwünschte Zeugin des Mordes an ihrer Mutter ebenfalls im Visier des Mörders befindet.

Die Maggans verdächtigen die Kellys, die Familie von Sineads Mann Eddie.Diese entführen Rosie kurzerhand, weil sie jetzt sozusagen ihnen „gehört“. Es kommt zur Konfrontation, die Jack und Rosie dadurch entschärfen, dass sie einfach zusammen weggehen. Doch nun kommt ein weiterer Hintergrund hinzu: Bridey Halligan. Sie ist nach Billy Cassells Ableben (vgl. „Gefallene Mädchen“) die neue Drogenbaronin von Galway. Rosie erkennt sie nicht wieder, wohl aber ihr Auto: Es hat mit ihrem Vater Eddie zu tun.

Aber auf welche Weise hängt dies alles zusammen? Jack wird es erst herausfinden, wenn er Rosie endgültig vor ihren Verfolgern gerettet hat…

Mein Eindruck

Wie es sich für die finale Folge einer Staffel gehört, hat die Produktionsfir,ma ordentlich Geld in die herstellung dieser Folge gesteckt. Das sieht man auch. Es gibt viel Personal, eine Menge Schauplätze, schöne ruhige Szenen – und ein ausgedehntes Actionfinale, in dem Hauptdarsteller Iain Glen absolut alles geben muss. Zu den anrührendsten Szenen gehört das Duett, das Rosie und Kate Noonan singen – ein getragenes Irish Traditional – begleitet von Iain Glen alias Jack Taylor an der Gitarre.

Die Handlung kann man nur als verschlungen bezeichnen. Sie nachzuzeichnen wäre vergebliche Liebesmüh. Deshalb spielen die zahlreichen Rückblenden, die sich um Sineads Tod ranken, eine zentrale Rolle. Jeder behauptet etwas anderes, warum Sinead sterben musste. Zu den besten Szenen gehört deshalb, wie es Jack Taylor gelingt, Rosie, die ihm endlich vertraut, im Geiste zu jener Nacht zurückzuführen – so weit, bis sie das Gesicht ihres Verfolgers erkennt. Dennoch bleibt ein Faktor X – und diesen Joker gibt die Regie erst im letzten Viertel preis…

Die DVD-Box

Technische Infos

Bildformate: 1,85:1 (16:9)
Tonformate: D in DD 5.1
Sprachen: D
Untertitel: nur in den Extras

Extras:

  • Trailer
  • Interviews mit Regisseur, Produzent und Kameramann
  • Trailershow

Mein Eindruck: die DVD

Bild und Ton dieser Serie sind unterschiedlich. Die erste Episode setzt auf Kameras unterschiedlichster Bauart (siehe das Interview mit dem Kameramann), weshalb mir die Bildqualität nicht immer einheitlicher erschien. Der Ton ist immer einwandfrei, selbst bei windigen Außenaufnahmen an der Küste oder in den Bergen. Das kann aber auch an der Synchronisation liegen, denn es gibt leider keinen O-Ton. In den Extras sind Interviewaufnahmen zu sehen, die alle in HD aufgenommen wurden, wie mir scheint: einwandfrei.

Die Episoden verfügen über keine Untertitel. Die DVD liefert in den Extras nicht immer Untertitel, sondern zuweilen – besonders auf Disc 6 – synchronisierte Übersetzungen des O-Tons (eigentlich handelt es sich um Voiceover statt Synchronisation).

EXTRAS

  1. Interviews (ca. 71 min)
    • Regisseur Stuart Orme: Orme ist ein weißbärtiger freundlicher Gentleman, der den Zuschauer und den Schauspieler mit seinem Charme gleichermaßen zu umgarnen versteht. Man versteht sofort, wie es ihm gelang, dieses Riesenprojekt von Einzelfilmen mit seinem eigenen Stempel zu versehen – und seine Unabhängigkeit zu wahren. Es ist sehr ungewöhnlich, dass eine solche Serie als Einzelfilme gedreht wird. Der nachteil: höhere Kosten für die Produzenten. Der Vorteil: ausreichend Zeit, um die Hauptfigur und die Drehbücher zu entwickeln.

      Wenn ich mich nicht täusche, tritt er in Episode 6 als Instrumentenbauer Byrne auf. Die in dieser Folge auftretende Darstellerin Hazel Doupe, die die Rosie spielt, bezeichnet er als „großen Glücksfall“.

    • Produzent Clodagh Freeman (2x: 7:36 + 7:10 min, Untertitel): Das zweigeteilte, untertitelte Interview stellt Freeman als den irischen Produzenten vor, der die Schnittstelle zwischen iren und Deutschen bildete. Er überwachte auch die Drehbücher, um aus den Romanen verfilmbare, spannende TV-Krimis zu schaffen. Auch der Blickwinkel musste aus der Ich-Perspektive in die übliche überführt werden, die der Zuschauer gewohnt ist. Die Ausnahme ist die erste Folge – siehe dazu den Kameramann!
    • Ausführender Produzent Ralph Christians (2x): Ralph Christians von Magma Productions, der seit annähernd 20 jahren in Galway lebt, erzählt in zwei Interviews – einmal deutsch, einmal englisch – das Gleiche: Wie die Zusammenarbeit zustandekam und was das Ziel mit diesem Projekt war: eine irische TV-Krimiserie, die den skandinavischen (an denen das ZDF maßgeblich beteiligt ist) und britischen auf Augenhöhe gegenübertreten konnte. Ein Drittel der JT-Serie wurde im Studio Bremen gedreht: sämtliche Innenaufnahmen, von der Pension über Krankenhäuser und Polizeistationen bis hin zur originalgetreu nachgebauten CRANE BAR, die JT’s Büro darstellt.
    • Kameramann John Conroy (8:55 min, Untertitel): Es war eine zweifache Aufgabe, die der Kameramann John Conroy zu erledigen hatte: Er musste einerseits Galway zu einem Charakter machen, der den Helden und seine Aktionen definiert. Zum anderen musste er den zuschauer durch die Augen dieses helden blicken lassen. Das schaffte er besonders in der ersten Folge durch den Einsatz von Handheld-Kamera und Steadycam, die an Iain Glen ganz nah dran ist. Zu guter Letzt sollte alles so gut aussehen, dass die Optik internationale Standards erfüllte, also HD-Look. Diese Quadratur des Kreises gelang Conroy nur mit Hilfe seines Stabes (Beleuchter, Mikros usw.) und zahlreicher Tricks, die er hier (fast) alle preisgibt.
    • Iain Glen (Jack Taylor, Ausführender Produzent, sync’ed): Er beschreibt seine Rolle des Jack Taylor (JT) und dessen Verhältnis zu Kate Noonan und Cody sowie zu Galway im allgemeinen. JT sei eine eigenwillige Mischung: eine düstere Seele einerseits, was den umgang mit ihm schwierig macht, aber auf der anderen Seite ein sehr moralischer Verfechter von Gerechtigkeit. Dies und die vielen Frauengeschichten mache ihn sehr irisch – und deshalb musste der Schotte Iain Glen, der aus Edinburgh stammt, erst einmal den richtigen irischen Akzent erlernen. Er lobt wie Orme die elfjährige irische Darstellerin Hazel Doupe, die die Rosie in Folge 6 spielt.
    • Nora Jane Noone (Kate Noonan, dito): Kate sei willensstark, idealistisch, ehrgeizig und in JT verknallt. Bislang sei daraus noch nix geworden, denn JT könne ja glatt ihr Vater sein, aber wer weiß, wo die Serie noch hinführe. Sie eifere ihm jedenfalls nach. Galway ist Noones Heimatstadt und immer froh, die Familie sehen zu können.
    • Killian Scott (Cody Farraher, dito): Scott zeichnet die Entwicklung seiner Rolle des Cody Farraher nach: vom Heldenverehrer einer Vaterfigur zum Assistenten, dann zum Partner, schließlich zum Zweifler und Kritiker. Jack lässt sich erst mit Cody Mom ein, dann mit seiner Flamme Nuala! Cody zeichne sich durch Integrität, Ehrlichkeit, Begeisterungsfähigkeit und Engagiertheit aus. Scott verlangt mehr „Action mit den Girls“. Denn Cody sollte nicht unbedingt Jack heiraten…
    • Drehbuchautor Martein Thoreisson (sync’d): Der primäre Drehbuchautor wollte den eigenwilligen Stil von Autor Ken Bruen beibehalten: pointiert, ironisch, die guten Figurenbeschreibungen usw. Andererseits musste er den von Ich-Erzählern relativ formlos erzählten Romanen eine strengere Er-Erzähler-Struktur verpassen, die auf Pointen und Cliffhanger ausgerichtet ist. Der JT in der Serie ist daher viel aktiver und dynamischer als der in den bislang zehn JT-Büchern.

      Die Serie zeichne sich nicht nur durch Spannung und Thrill aus, sondern auch durch Sinnlichkeit, Drama, Humor und sogar Tragödie. Galway ist Teil von JT, selbst wenn er woanders ermitteln sollte – siehe die Folge 6.

  2. DVD-Highlights (ca. 8 min. Trailer)
    • Arne Dahl vol. 1
    • Die Brücke – Transit in den Tod
    • Nordlicht – Mörder ohne Reue

Unterm Strich

Die Hauptfigur dieser ersten irischen TV-Krimiserie von internationalem Zuschnitt entwickelt sich auf sympathische Weise, so dass der zuschauer sich für diesen Ex-Bullen wirklich interessiert: Die Serie folgt seinem Werdegang ebenso wie seinen häufig sehr dramatischen Fällen.

Von einem versoffenen Exbullen, der eine ziemlich zynische Weltsicht hat, entwickelt sich Jack Taylor zu einem verantwortungsbewussten Verfechter der Gerechtigkeit. Zu diesem Werdegang sind mehrere Schicksalsschläge notwendig, so etwa der Verlust seiner – ungeliebten – Mutter, der Beinahetod seines Assistenten Cody und schließlich der dramatische Kampf um die von einem Killer verfolgte elfjährige Rosie.

Er stellt zunehmend seine „Frauengeschichten“ ein, gibt den harten Alkohol auf und – Wunder aller Wunder! – rasiert seinen struppigen Bart ab. Mit anderen Worten: Er wird beinahe so etwas wie ein respektabler Schnüffler, ein Philip Marlowe der Grünen Insel. Dazu muss man wissen, dass privatdetektiv in irland den strengen geruch eines IRA-Informanten verbreiten und reichlich unbeliebt sind. Kein Wunder, dass er in den unfeineren Kreisen des schönen Galway (einer der letzten Hippie-Hochburgen) nicht gern gesehen ist und regelmäßig zusammengeschlagen wird.

Genau diese Action will der männliche Zuschauer natürlich sehen, aber häufig gehen einem die Tragödien, die Taylor und seine Helfer Cody und Kate Noonan aufdecken, richtig an die Nieren, so etwa in der Episode „Gefallene Mädchen“, die zu den stärksten dieser Staffel gehört. Dass Cody und Kate Noonan ebenso in Gefahr geraten wie die Titelfigur, finde ich geschickt eingefädelt: Eine Polizist als tragische „Königin der Schmerzen“ Deirdre sieht man nicht alle Tage. Dies ist natürlich Nora Noones Lieblingsepisode: Hier kann sie mal zeigen, was sie draufhat.

Deshalb mir die Serie nach der sehr anstrengenden ersten Folge zunehmend besser gefallen. Man sollte sich auf keinen Fall von der ersten Folge abschrecken lassen, sondern weitere Folgen schauen – es lohnt sich.

Die DVD-Box

Die Folgen kommen zwar ohne O-Ton und Untertitel daher, präsentieren aber einwandfreie Bild- und Tonqualität sowie über 70 Minuten Bonusmaterial. Die Interviews sind durchweg durch Synchronisation oder Untertitel verständlich gemacht, so dass man keinerlei Englischkenntnisse mitzubringen braucht (was nicht selbstverständlich ist).

In den Interviews wird deutlich, dass diese Serie den Skandinaviern und Briten Paroli bieten soll, die den europäischen Markt für TV-Krimiserien beherrschen. Die Stärke von „Jack Taylor“ liegt jedoch in der sorgfältigen Ausarbeitung der Drehbücher und der Dreharbeiten. In Episode 6 sieht man jeden Cent, der hineingesteckt wurde. Schön, dass ein deutsches Studio rund ein Drittel der Aufnahmen beisteuern konnte.

Hinweis

Fünf von zehn Jack-Taylor-Romanen sind bislang von Harry Rowohlt ins Deutsche übertragen worden, heißt es im Interview. Sechs davon sind verfilmt worden. Ken Bruen schreibt immer noch, und hat auch mehrere andere Filmvorlagen verkauft, die sich in Arbeit befinden. Da kommt also noch einiges, dürfen wir hoffen.

Lass ein paar Worte da:

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.