Die beiden Macher von „Cowspiracy“, Kip Andersen und Keegan Kuhn, haben sich bei ihrer neuesten Dokumentation „What The Health“ eines nicht minder brisanten Themenkomplexes angenommen: die gesundheitlichen Auswirkungen durch tierische Ernährung, Korruption im Ernährungswesen, zweifelhafte Finanzierungsmodelle verschiedener Gesundheits- und Ernährungsorganisationen sowie die menschenverachtende, profitgetriebene Ernährungs-, Pharma- und Medizinindustrie.

Filminfos

O-Titel: What The Health (USA 2016)
Dt. Vertrieb: Polyband Medien
VÖ: 29. September 2017
EAN-Code: 4006448767310
FSK: 6 (b)
Laufzeit: ca. 88 Minuten
Macher: Kip Andersen und Keegan Kuhn
Joaquin Phoenix als Executive Producer

Inhalt

In zahlreichen Interviews konfrontiert der engagierte Dokumentarfilmer Andersen u. a. Vertreter amerikanischer Lebensmittelkonzerne und Gesundheitsorganisationen mit unbequemen Fakten und Fragen: Warum wollen uns Konzerne anscheinend systematisch krank machen – und wieso unternimmt niemand was dagegen? Adipositas, Diabetes, Bluthochdruck und Krebs – diese Zivilisationskrankheiten breiten sich in der westlichen Wohlstandsgesellschaft schon fast epidemieartig aus.

Multifaktoriell

Aber es ist nicht ein einzelner Faktor, der für eine Erkrankung verantwortlich ist, sondern das Zusammenspiel aus genetischer Veranlagung, Umweltfaktoren, dem individuellen Lebensstil – und vor allem auch der Ernährung! Beispielsweise leiden in den USA bereits Zehnjährige unter Arterienverstopfung, zwei Drittel aller Erwachsenen sind entweder übergewichtig oder gar fettleibig („obese disease“), und es ist zu befürchten, dass in den nächsten 25 Jahren jeder dritte Amerikaner an Diabetes erkranken wird (das wären über 100 Millionen). „Es gibt weltweit 315 Millionen Diabeteskranke – Tendenz steigend“, weiß Dr. Ratner von der American Diabetes Association. Die Herzkrankheiten kosten das Gesundheitssystem mehrere Billionen Dollar pro Jahr – purer Profit für die Industrie und Medizin?

Giftbomben

Die WHO (World Health Organisation) benennt in der Klasse 1 der krebserzeugenden Schadstoffe (Karzinogene) Asbest, Plutonium, Zigaretten – und verarbeitetes Fleisch (wie z. B. Salami, Hot Dogs, Speck)! 93% der Dioxine werden durch Fleisch und Milch aufgenommen und 80% der in den USA hergestellten Antibiotika von der Pharmaindustrie an Nutztierhaltungsbetriebe verkauft. Das Skandalöse ist, dass die Gesundheitsorganisationen in den USA wie die American Diabetes Association (ADA), American Cancer Society (ACA) oder die American Heart Association (AHA) nicht auf die Problematik bei tierischen Lebensmitteln hinweisen, sondern vielmehr weiterhin fettreiche Nahrungsmittel empfehlen.

Der Klüngel

Der unerschrockene Kip Andersen findet bei seinen Recherchen heraus, dass die genannten Organisationen von Fleisch- und Milchwarenherstellern sowie Fastfood-Produzenten Millionen-Dollar- Sponsorenbeträge erhalten. Am deutlichsten wird das am Verhalten von Dr. Ratner von der American Diabetes Association (ADA) fasst harmlose Fragen und die Präsentation von fundierten Studienergebnissen aus Harvard bereits als Streitgrund auf und droht damit, den Raum zu verlassen. Kein Wunder, wenn er weiß, dass eine einzige falsche Antwort das Abspringen von einem oder mehreren Sponsoren nach sich ziehen kann – und das Fehlen ihrer Gelder, mit denen sein lukrativer PR-Posten bezahlt wird.

Kip Andersen: „Das ist ja, als ob die Gesellschaft zum Kampf gegen Lungenkrebs von der Tabakindustrie gesponsert werden würde…“. Und dass die Pharmaindustrie zudem mehr Geld für Lobbyarbeit als jede andere Branche ausgibt, lässt nicht nur Tierversuchsgegner aufhorchen. Mehr als 400 Medikamente bekommen Tiere in der Massentierhaltung verabreicht. Prost Mahlzeit.

Lichtblicke

Aber Kip findet auch Leute, die – vor der Kamera! – den Mund aufzumachen wagen und die Industrie, Medizin sowie die Lobby-Organisationen ADA, ACA und AHA sowie die USDA, eine Regierungsbehörde, offen kritisieren. Auffällig viele Frauen sind unter diesen Kritikern, aber auch alte Haudegen wie Dr. Esselstyn, einer der Gewährsleute von Colin Campbells berühmter „China Study“, äußern sich mit profunden Aussagen.

Opfer und Wunder

Kip schildert das traurige Schicksal dreier exemplarischer Opfer der Fleischmafia. Der Diabetiker muss über ein Dutzend Pillen schlucken – pro Tag. Eine Frau hat Asthma bekommen und muss eine Sauerstoffmaske tragen. Eine weitere Frau ist so schwach und rachitisch, dass sie nur mit einem Rollator gehen kann, dabei ist sie gerade mal 50 Jahre alt. Sie ist der feuchte Traum eines jeden Pharmaproduzenten: lebenslang abhängig, lebenslang konsumierend. Aber wie lang ist dieses Leben, und ist es überhaupt lebens-WERT?

Doch nach einer rein pflanzlichen Ernährungstherapie von lediglich 14 tagen Dauer geht es den drei Opfern bereits so gut, dass sie wieder ihre medizinischen Krücken von sich werfen und auf die Straße hinausgehen können. Der Lazarus-Effekt, eingeleitet von einem ungenannten Robin Hood alias Wohltäter. Hauptverdächtiger: Dr. Esselstyn, der ja selbst solche Therapien anbietet.

Mein Eindruck

„What The Health“ verdeutlicht eindringlich, dass man sich in Hinblick auf eine gesunde Lebensweise dringend von falschen Essgewohnheiten verabschieden sollte – und das sogar ohne explizit auf die ethisch fragwürdigen Aspekte von Massentierhaltung und Tierversuchen, gigantischer Tierfutterproduktion und die dadurch voranschreitende Umweltzerstörung eingehen zu müssen.

Es findet seit Jahrzehnten ein Informationskrieg statt, der der Industrie die Deutungshoheit über das, was richtige Ernährung ist, verschafft hat – deren Botschaften seit etwa einem Jahrzehnt in Frage gestellt werden. Wie sonst könnten die emporschnellenden Zahlen an Herz-, Kreislauf-, Krebs- und Zuckerkranken in den USA und dem Rest der Welt erklärt werden? Jemand muss gelogen haben, konstatiert der Detektiv. Wer war’s? Der Befund: Es waren die Industrie, die sie schützende Regierung, die desorientierten bzw. geschmierten Mediziner und nicht zuletzt die irrregeführten Opfer bzw. Patienten des Systems. Alle außer den Patienten profitieren davon, aber das Patient kommt ja von „patiens“, der geduldig Leidende.

Da es um Billionen von Dollar geht, kommt eine entlarvende Recherche überhaupt nicht gelegen – fast alle Organisationen und Firmen verweigern die Auskunft, ja, sie werden sogar drohend. Nicht wenige Aktivisten, die entlarvende Fotos geschossen haben, sind auf Betreiben der riesigen Anwaltsheerscharen der Industrie hinter Gittern gelandet oder im Exil – siehe Edward Snowden und Julian Assange.

Kip Andersen vermischt jede Menge kritische Aussagen mit Schilderungen von Patienten, die völlig unverschuldet in eine lebensbedrohliche Situation geraten sind. Da ist beispielsweise die farbige Mutter eines Kleinkindes, die in Duplin County, North Carolina, neben einer riesigen Schweinezüchterfarm lebt. Da die giftige Gülle über die Felder verspritzt wird, weht der Wind das Gift in alle nahegelegenen Haushalte. Asthma ist die häufigste Erkrankung, danach folgen Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Sie hat bereits fast ihre gesamte Verwandtschaft zu Grabe getragen, wie der bescheidene kleine Friedhof unter schattigen Bäumen belegt…

Angesichts dieser niederschmetternden Nachrichten weiß Andersen aber zum Schluss auch mit der frohen Botschaft aufzuwarten, dass eine vegane Ernährungsweise die einzig gesunde ist – was im Land der Steak-Fetischisten einer Rebellion gleichkommt. Als Beleg dient ihm der oben erwähnte Lazarus-Effekt der drei genesenen Patienten.

Man merkt schon: Hier findet eine recht verdichtete, um nicht zu sagen: plakative Gegenüberstellung statt. Hier die schädliche herkömmliche US-Ernährungsweise, dort die „neue“ vegane Ernährungsweise (wie sie bereits Millionen von Menschen-Generationen zuvor kannten). Welche Vorteile genau eine vegane Diät bringt, zeigt aber erst richtig der Film auf der DVD „Gabel statt Skalpell“, die ich bereits besprochen habe.

Die DVD

Technische Infos

Bildformat: 1,78:1 (16×9 anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0, Englisch in DD 2.0
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D

Extras: Trailershow, Booklet, Webseite zum Film www.whatthehealthfilm.com

Mein Eindruck: die DVD

Die Qualität von Ton und Bild reichen für einen Standard-Fernseher völlig aus, denn dieser Film ist ja nicht gerade ein Actionkracher, bei dem es auf brillanten Sound und scharfe Bilder ankommt. Gedreht wurde mit einer kleinen Videokamera auf einem Stativ, wie man an den kleinen Spielszenen sehen kann. Einmal wurde sogar mit versteckter Kamera gedreht. Dazwischen werden immer wieder Bilder unterschiedlichster, meist minderer Qualität eingeblendet, bis einem der Appetit gründlich vergangen ist. Die Klangqualität schwankt entsprechend.

Die Untertitel sollte man hinzuschalten, damit man all die vielen Namen richtig mitbekommt. Die Zitatgeber tauchen wiederholt auf, um zu einem jeweiligen Thema, beispielsweise die Verträglichkeit von Kuhmilch, zu kommentieren.

EXTRAS

  1. Booklet von Polyband Medien mit allen aktuell verfügbaren Dokumentations-DVDs
  2. Trailershow (Die Länge liegt zwischen 1:30 und 2:15 min)
    • Cowspiracy (Schäden der Viehzucht weltweit) (OmU)
    • Gabel statt Skalpell (s. meinen Bericht) (Vorteile der veganen Ernährung, China Study)
    • Drachenmädchen (eine Shaolinkäämpferin entsteht & bekommt zweifel)
    • Metal Evolution (die Geschichte von Hard Rock & Heavy Metal)
    • (R)evolution (Artenschutz vs. Artensterben)
    • Sharkwater (die Ausrottung der Haie vs. Schutz)

Unterm Strich

Dies ist Aufklärung im Schnelldurchlauf: mit eindeutigen Aussagen pro und kontra, schockierenden Bildern, nachdenklich machenden Opfergeschichten und einer Recherche-Story, die für etwas Spannung sorgt. Immerhin packten die beiden Macher in die maximale Zeit von rund 85 Minuten (der Abspann dauert fast fünf Minuten) alles hinein, was nötig ist, um einen Ahnungslosen davon zu überzeugen, dass der Verzehr tierischer Produkte nicht gut für ihn oder sie ist, der Verzehr pflanzenbasierter Nahrung aber die von der menschlichen Evolution vorgesehene Ernährungsweise sei.

Nicht etwa, weil Grünzeug so toll schmeckt, sondern vor allem, weil es von den Schädigungen heilt, die durch Nahrung auf Tierbasis hervorgerufen wurden: Die drei exemplarischen Patienten genesen binnen 14 Tagen. Als wäre das nicht genug, präsentiert Andersen auch noch Hochleistungssportler, die sie auf rein vegane Ernährung umgestellt haben, so etwa „Iron Man“-Teilnehmer. Was wie eine Reihe von Märchen anmutet, könnte aber tatsächlich auf Fakten beruhen. Pflanzliches Protein gibt es ja in vielfacher Form, und unser Darm ist auf Ballaststoffe eingestellt, aber nicht auf Fleisch und Milch.

Neben „Cowspiracy“ und „Gabel statt Skalpell“ ergänzt dieser Film die Aufklärung über die weltweite Verschwörung gegen die Gesundheit der Konsumenten, ja, sogar gegen die Heilung der Opfer. Der Informationskrieg wird seit Jahrzehnten geführt, angefangen von der Tabak- und der Zuckerindustrie. Dass es schon seit den 1940er Jahren vegane Therapien gibt, hörte ich hingegen hier zum ersten Mal. Das Bildmaterial ist dem Alter entsprechend schlecht, was aber an der Aussage nichts ändert: Es gibt nichts Gutes in Sachen Ernährung, außer man tut es – selbst.

Weitere Infos zur Dokumentation gibt’s auf der englischsprachigen Website www.whatthehealthfilm.com

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