Die 1930er Jahre: Zwei Freunde teilen sich eine Wohnung in Paris. Während sich der Amerikaner Joey als Autor und Übersetzer versucht, jagt der Reporter Carl hinter den Röcken junger Mädchen her. Zusammen erleben die beiden Träumer eine unbeschwerte Zeit der freien Liebe und sexuellen Exzesse. Ist das Geld auch knapp und der Kühlschrank leer, an willigen Frauen, Orgien und Ausschweifungen mangelt es nie.

STILLE TAGE IN CLICHY ist die erste Verfilmung des gleichnamigen Romans von Henry Miller (1940) aus dem Jahre 1970 und war in den USA und in England lange Zeit verboten. Die Musik zu dem Film stammt von dem legendären Songwriter Country Joe McDonald, der beim Woodstock Festival 1969 auftrat.

Filminfos

  • O-Titel: Stille Dage i Clichy / Quiet Days in Clichy (DK 1970)
  • Dt. Vertrieb: E-M-S
  • Erscheinungsdatum: 07.12.2006
  • EAN-Code: 4020974156011 
  • FSK: ab 16
  • Länge: ca. 91 Min.
  • Drehbuch & Regisseur: Jens Jørgen Thorsen
  • Musik: Country Joe McDonald u.a.
  • Darsteller: 
    • Paul Valjean …. Joey, der Schriftsteller und Übersetzer
    • Wayne Rodda …. Carl, der Lehrer
    • Ulla Koppel …. Nys (as Ulla Lemvigh-Müller)
    • Avi Sagild …. Mara
    • Susanne Krage …. Christine
    • Louise White …. Surrealist
    • Petronella …. Adrienne
    • Elsebeth Reingaard Colette
    • Lisbet Lundquist Jeanne
    • Olaf Ussing …. Father
    • Noemi Roos …. Mother
    • Anne Kehler …. Corinne
    • Herman Wolsgaard-Iversen
    • Britten Jensen
    • Elsa Jackson
    • u.a.

Handlung

   „Es war eine Zeit, wo die Möse in der Luft lag.“

(Aus: „Stille Tage in Clichy“ von Henry Miller)

Joey (Paul Valjean) ist ein entwurzelter amerikanischer Schriftsteller, der mit seinem Freund, dem Lehrer Carl (Wayne Rodda), in Clichy lebt, einer Kleinstadt nahe Paris. Während sich Joey mit Schreiben über Wasser zu halten versucht, schleppt Carl ein Mädchen nach dem anderen an. Doch Joey hat ein weiches Herz und kann nie nein sagen. 

Auf diese Weise kann es schon mal vorkommen, dass er einem Mädchen wie Nys (Ulla Lemvigh-Müller) nach einer lustvollen Liebessession all sein restliches Geld gibt. Er weiß, dass sie es mit ihrem festen Geliebten verprassen wird, aber was soll’s? Zwar muss er hinterher hungern, aber im Abfalleimer findet sich manchmal noch etwas Essbares. Natürlich hat die freie Liebe in Paris auch ihre Risiken. So fängt sich Carl mehrmals den Tripper ein.

Richtig Sorgen machen Joey hingegen die schrägen Mädels, die leicht durchgeknallt sich. Da ist beispielsweise die somnambule Tagträumerin, die sich für die Indianerprinzessin Pocahontas hält und Joeys Badezimmerwände vollkritzelt. Da ist die melancholische Prostituierte Mara (Avi Sagild), die ihrem Nachtclub in Costa Rica nachweint, oder die fünfzehnjährige Colette (Elsebeth Reingaard), die kaum ein Wort spricht und von Carl aus Mitleid angeschleppt wird. 

Carl macht sich zu Recht Sorgen, dass man ihn und Joey wegen Unzucht mit Minderjährigen verknacken könnte. Und er hat es nur dem imponierenden Auftritt Joeys als eines Repräsentanten der höchsten Kultur zu verdanken, dass Colettes Eltern ihnen nicht den Prozess machen. Dabei hätte es die Kindfrau Colette sehr nötig, dass man ihr ein wenig über die Welt beibringt – als großes Kind streunt sie den ganzen Tag durch die Stadt, beschattet von unseren zwei Helden.

Nach diesem ausgestandenen Schrecken beschließt Carl, dass er eine Luftveränderung braucht. Da ihm Belgien zu moralisch ist, wählt er Luxemburg, ein neutrales Land – was kann da schon passieren? Auch Luxemburg hat seine Reize. Allerdings stoßen die beiden neben bildhübschen Café-Sängerinnen auch auf antisemitische Restaurantbesitzer: „Dieses Haus ist judenfrei“ heißt es da stolz auf einer Visitenkarte. Joey, der sehr gut Deutsch spricht, weil es von dem Ungarn Carl gelernt hat, bekommt schier einen Tobsuchtsanfall und Carl beschimpft den Gastwirt als „alte Fotze“. 

Nach diesen Schrecken verlustiert sich das dynamische Duo wieder in Clichy, wo sie in einem Jazzclub (wo Ben Webster fabelhaft Saxophon spielt) ein paar Nutten aufgabelt und heim nimmt. Sie verlegen das Abendessen in die Badewanne…

Mein Eindruck

„Clichy“ verströmt den Duft von Unschuld, Geilheit und Frühling. Die erotischen Szenen gehören zu den komischsten im ganzen Genre der erotischen Literatur und des Films. Doch auch die ernsten Seiten fehlen ebenfalls nicht, wie die Episoden mit Mara, Colette und der Dänin Christine zeigen. Hervorragend wiedergegeben hat dieses Flair diese unkonventionelle dänische Verfilmung „Stille Dage i Clichy“ aus Jahr 1970. Der in schwarz-weiß gedrehte Film wartet mit Sprechblasen über den Köpfen der Darsteller auf, die ihre Gedanken darstellen. Natürlich stehen in diesen Blasen sehr eindeutige Wörter und Begriffe. Die Musik von Woodstock-Barde Country Joe Mcdonald („Fish Cheer“) passt hervorragend zu dem Bohemien-Ambiente in Clichy und wird von Beiträgen anderer Musiker ergänzt (Rock, Jazz und „Pariser Stadtmusik“).

Filmschicksal

“Stille Dage i Clichy”, so ist den Dokus und dem Booklet zu entnehmen, wurde an Originalschauplätzen gedreht, und zwar zur exakt gleichen Zeit, als Millers anderes Kultbuch “Wendekreis des Krebses” mit Rip Torn als Hauptfigur verfilmt wurde. Die Drehteams arbeiteten nur wenige hundert Meter auseinander, und Henry Miller fiel es daher nicht schwer, beide Teams vor Ort zu beraten. Doch während man nachher von „Wendekreis“ kaum wieder etwas hörte, erzielte Thorsen mit „Stille Dage“ an den Universitäten einen stillen Dauererfolg. Denn offiziell durfte sein Film in den USA nur wenige Wochen in New York gezeigt werden – dazu hat Rosset, Millers Herausgeber, einiges Interessante zu erzählen. 1970 wurde Rosset, der US-Verleiher, vor Gericht gezerrt, aber glücklicherweise freigesprochen. Dennoch durfte die ungekürzte Version in den USA erst 2004 auf DVD erscheinen. Die deutsche Version war von Anfang gekürzt und ist es heute noch.

Die Musik

Country Joe McDonald, der Barde der Rockband Country Joe and the Fish, schrieb und spielte mehrere Songs für den Soundtrack des Films. Die Stücke passen ganz gut, insbesondere der Titelsong „Quiet Days in Clichy“, der stilistisch an seinen Fixin’-to-die Rag“ anknüpft. Allerdings bekam er ausgerechnet mit diesem Song Probleme mit amerikanischen Feministinnen, die ihn anschließend ins Gebet nahmen, um ihm klarzumachen, warum sein Song frauenfeindlich sei. Die anderen Musiker, die auf dem Soundtrack zu hören sind, sind auch alle im Bild zu sehen. Ich verweise auf die Credits. Der beste ist zweifellos der Saxogonist Ben Webster, dem eine ganze Szene gewidmet ist.

Schwächen

Der Film hat eine Menge Schwächen, auch wenn er als Erotikkomödie gelten kann. Zunächst einmal wird der unvorbereitete Zuschauer, die Erzählzeit verwirrt: Der Film wurde 1970 gedreht, doch die Leute sehen aus wie in den 1950er Jahre oder noch früher. Und das ist in der Tat so, denn die Story der Romanvorlage spielt in den Dreißiger Jahren. Der Regisseur hat versucht, in den Hinterhöfen, abgelegenen Gassen und bei Nacht zu drehen, um Elemente der Zeit Zeit um 1970 auszublenden. Es ist ihm meist, aber nicht immer gelungen.

Bernard Rosset hat völlig Recht, wenn er meint, dass der Schauspieler, der Joey spielt, eine Fehlbesetzung sei. Paul Valjean sieht mit seiner großen Rundglasbrille zwar so ähnlich aus wie Henry Miller, doch seine libertinären Sprüche klingen aufgesetzt und unecht. Spielen kann er im Grunde auch nicht, denn wie Rosset sagt, ist Valjean eigentlich ein Tänzer. Dagegen spielt Wayne Rodda, der Carl darstellt, wesentlich glaubwürdiger. Die weiblichen Rollen fordern ihren Darstellerinnen nur wenig Kunstfertigkeit ab. Die Damen aus dem Nachtklub sollen sogar echte Prostituierte gewesen sein. Obwohl ihnen dies natürlich kaum anzusehen ist, so treten sie doch knallhart auf, als es um ihren Lohn geht.

Die erotischen Schauwerte halten sich sehr in Grenzen. Dies ist keineswegs ein Porno, denn sonst würde viel mehr Wert auf die technischen Details der Kopulationen gelegt werden. Am schönsten ist zweifelsohne Joeys Liebessession mit Nys. Den Sex mit der minderjährigen Colette bekommt man aus verständlichen gründen gar nicht zu sehen. Und was die deutschen Zensoren am meisten zu monieren hatten, gibt es nur zweimal: „Triolen“. So nannte man in den siebziger Jahren einen flotten Dreier (und nicht nur eine musikalische Note, wie Thorsen dachte) bzw. einen flotten Vierer. 

Die DVD

Technische Infos

  • Bildformate: Widescreen 1.66:1(anamorph)
  • Tonformate: D in DD 2.0 mono
  • Sprachen: D
  • Untertitel: D
  • Extras:
    • „Dirty Books, Dirty Movies“: Interview mit Henry Millers Herausgeber Barney Rosset
    • „Songs of Clichy“: Interview mit Country Joe McDonald
    • Poster & Bildergallerien
    • Biographien zu Henry Miller und Jens Jorgen Thorsen
    • Booklet mit Reprint des Filmprogramms
    • Trailershow

Bonus-Disc:

  • English Uncut Version in DD 2.0 mono
  • Keine Untertitel!
  • Trailershow
  • Texthinweis zur englischen Fassung, die 30 Jahre lang verboten war, von 1970 bis 2000

Mein Eindruck: die DVD

  1. „Dirty Books, Dirty Movies“: Interview mit Henry Millers Herausgeber Barney Rosset (17:17 Min.): Rosset war schon 80 Jahre alt, als dieses Interview 2002 aufgenommen wurde. Er ist der Herausgeber des bekannten Erotika-Verlags Grove Press und schlug bereits viele Schlachten mit der amerikanischen Zensur und Justiz. Relevant für den vorliegenden Film sind seine Meinungen zum Dreh, zum Regisseur und zu den Schauspielern. Sein Urteil fällt nicht besonders positiv aus. Es ist aber positiver als das über „Tropic of Cancer“, der mit Rip Torn gedreht wurde. Torn hat sich bei einem Fahrradunfall das Bein gebrochen, ohne es zu ahnen, und stand bei den Pariser Dreharbeiten höllische Schmerzen aus, die seine Performance deutlich beeinträchtigten.
  2. „Songs of Clichy“: Interview mit Country Joe McDonald (11:09 Min.): Counry Joe ist sichtlich nicht mehr der Jüngste, aber er spielt den Filmtitelsong fehlerlos und erinnert sich an die damaligen Produktionsbedingungen sehr genau. Er sah weder den Regisseur noch die Schauspieler, nachdem ihn ein skandinavischer Agent mit den Songs beauftragt hatte. Thorsen traf er erst anno 2000 in einer TV-Show. Aber was er über das Jahr 1970, die heiße Phase der Protestbewegung zu erzählen weiß, ist relevant und interessant. (Mehr Info: www.countryjoe.com. )
  3. Poster & Bildergalerie (4:30 Min.): In dieser Diaschau sind Filmplakate, Szenen vom Dreh sowie sehr viele Standfotos aus dem Film zu sehen, und zwar auch solche von Szenen, die im Film nicht zu sehen sind. 
  4. Biographien zu Henry Miller (16 Tafeln) und Jens Jorgen Thorsen (19 Tafeln): Auf insgesamt 26 Texttafeln informieren die beiden Biografien über Henry Miller (1891-1980) und J.J. Thorsen (1938-2000), die jeweils ein Werksverzeichnis umfassen. Erstaunlich ist bei Thorsen, dass er sich der dänischen ästhetischen Bewegung des „Situationismus“ verbunden fühlte und dessen Maximen in seinen Filmen umzusetzen versuchte. Diese ästhetische Theorie geht demnach, grob vereinfacht, davon aus, dass es keine dauerhafte gesellschaftliche Veränderung ohne vorhergehende kulturelle Veränderung geben kann. Daher ist die Kultur entsprechend zu beeinflussen. Nimmt man diese Theorie als gegeben an, so sieht man den Film mit ein wenig weiterem Horizont. Man sieht ihn als ein Zeitdokument, in der sehr viele „Situationen“ sich wie Puzzleteile zu einem ganzen Bild zusammensetzen lassen. Dann versteht man vielleicht auch, warum es wichtig ist, dass Joey sein Zimmerfenster drei- oder viermal öffnet und warum dieser Vorgang mit Fischen assoziiert wird: Es wird GEZEIGT, dass Joey frische Luft braucht, wie ein Fisch unter Wasser. Und so wie er Luft braucht zum Atmen, braucht er Sex, um zu leben, lautet wohl die Botschaft des ganzen Films.
  5. Booklet mit Reprint des Filmprogramms: Der Text stammt von einem technischen Mitarbeiter der Arri-Werke in München. Arri ist der bekannte Kamera- und Filmhersteller. Diesen suchte Thorsen auf, um gewisse technsiche Schwierigkeiten beim Schneiden und Belichten zu beheben, ja, sogar beim Beschriften des Films (Sprechblasen usw.). Der Arri-Mitarbeiter begleitete Thorsens Gang nach Canossa vor die deutschen Zensurstellen, schloß mit ihm Freundschaft und erfuhr auf diese Weise zahlreiche interessante Details. Seufzender Haupteinwand der Zensoren: „Es sind einfach zu viele Triolen, Herr Thorsen.“ (siehe oben)
  6. Englische ungeschnittene Fassung: Die englische Fassung hat zwei Vorteile. Der größere besteht darin, dass alle Unreinheiten des Bildes beseitigt wurden – und das waren eine Menge. Der Ton erscheint ebenfalls sauberer. Zweitens sind hier die schwarzen Stellen (sic!) der deutschen, zensierten Fassung nicht zu sehen. Der ganze Rest ist gleich. Nun, was gibt es da zu entdecken, was die Zensoren dem damaligen Publikum nicht zumuten wollten? Es ist eine Nahaufnahme von einem haarigen Hodensack, und dieses Motiv scheint mir nicht besonders ästhetisch zu sein. 

Unterm Strich

Verglichen mit der Version Claude Chabrol sprüht die Fassung von Thorsen geradezu vor Witz, Lebenslust und witzigen filmischen Einfällen. Dennoch darf man keine heutigen Hollywoodfilm-Maßstäbe anlegen. Tut man das, erscheint einem der Film wie ein Film, der gerade aus der Werkstatt eines Filmbastlers kommt. Doch genau diese Montagetechnik, die nonlineare Erzählweise und die Manipulation der Bilder machen den Reiz dieser Verfilmung aus. 

Allerdings ist beim zweiten Sehen eine gewisse Langeweile ob der unzusammenhängenden Episodenhandlung festzustellen, die keine Spannung aufkommen lässt. Der Hauptreiz entsteht daher durch die wunderbare Musik von Country Joe McDonald, Ben Webster und anderen. Hinsichtlich des Sounds der Musik ist die bessere Soundqualität der englischen Fassung der deutschen vorzuziehen. Auch das Bild ist von allen Fehlern und Artefakten gereinigt worden. 

Die Bezeichnung „Special Edition“ rechtfertigt die Doppel-DVD vor allem durch die zusätzliche englische Fassung und die zwei Dokumentationen sowie die zwei Biografien. Wer den Film noch nie gesehen hat oder nur auf VHS, sollte zu dieser Doppel-DVD greifen.

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