Auf der Suche nach künstlicher Intelligenz gelingt es einer Biogenetikerin, aus ihrer eigenen DNS drei Klone anzufertigen. Zum Überleben benötigen die drei Cyber-Drillinge jedoch das Y-Chromosom, das nur im männlichen Samen vorkommt. Der mutigste Klon wird losgeschickt, um Männer zu verführen und das „Lebenselixier“ einzusammeln.

Doch der Kontakt mit ihr führt bei den „Opfern“ zu merkwürdigen Nebenwirkungen. Bald schaltet sich das FBI ein, das einen Anschlag mit Biowaffen vermutet. Die Situation gerät allmählich außer Kontrolle, als es auch die beiden anderen Klone in die reale Welt hinauszieht. (Verlagsinfo)

Taglines: „Der Cyberspace war noch nie so sexy“; „Hüte deinen Samen wie dich selbst“.

Filminfos

  • O-Titel: Teknolust (GB 2002)
  • Verleih: Sunfilm Entertainment GmbH, www.sunfilm.de
  • FSK: ab 16
  • Länge: ca. 79 Min.
  • Regisseur/Drehbuch:/Koprod.: Lynn Hershman Leeson
  • Musik: Klaus Badelt
  • Darsteller: Tilda Swinton, Jeremy Davies, James Urbaniak, Karen Black, Josh Kornbluth, Thomas Jay Ryan u.a.

Handlung

Dr. Rosetta Stone (Swinton) hat zwar noch nie Sex gehabt, aber doch schon neues Leben geschaffen. Ruby, die Rote, Marinne, die Blaue, und Olive, die Grüne (alle: Swinton), sind drei „selbstreproduzierende Automaten“ (SRAs), von denen sie denkt, dass sie nur in ihrem Computer existieren. Ruby hat sogar ihre eigene Webseite namens „E-Dreams“. Die drei SRAs verfügen über künstliche Intelligenz, haben sogar einen eigenen Willen. Ursprünglich plante Rosetta, die SRAs für „kleine häusliche Arbeiten“ einzusetzen, etwa fürs Putzen.

Doch es gibt ein Problem. Erstens sind die drei Klone weit mehr als nur elektronische Wesenheiten: Ruby beispielsweise geht täglich aus dem Haus, um etwas zu besorgen. Zweitens leiden alle drei Klone an einem Mangel des Y-Chromosoms, das nur im männlichen Samen vorkommt. Und wehe, wenn das „Spermometer“ anzeigt, dass der Vorrat an Sperma, das sie sich injizieren müsssen, zur Neige geht! Dann muss Ruby schleunigst auf Männerjagd, um den edlen Stoff zu besorgen. Mit Sprüchen aus alten Schwarzweißfilmen motiviert sie sich für den Kontakt mit dem anderen Geschlecht.

Rubys Erntetätigkeit hat jedoch unerwünschte Nebenwirkungen. Obwohl sie ihre willigen Opfer zwingt, sich ein Kondom überzuziehen, bevor es zum Sex (von dem wir nichts zu sehen bekommen) kommt, werden die Männer impotent und bekommen einen Ausschlag auf der Stirn: einen Strichcode. Als binnen zwei Wochen 35 Männer Opfer dieser Veränderungen und unter Quarantäne gestellt werden, schaltet ein Arzt das FBI ein. Ein Phantombild ist bald erstellt: Es zeigt Ruby.

FBI-Agent Rosebud Hopper verdächtigt die Genetiker Rosetta Stone und ihren Kollegen  Crick, eine Biowaffe entwickelt und unsachgemäß behandelt zu haben – daher die Seuche unter Männern in San Francisco. Er hat noch keine Verbindung zwischen Rosetta und Ruby hergestellt, aber das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Irgendwo muss das Virus, das die Männer befallen hat, ja herkommen. Er schaltet die Detektivin „Dirty Dick“ (Karen Black) ein, die Rosetta auf den Zahn fühlt.

Stone produziert synthetisches Sperma, das sie ihren SRAs verabreicht, doch die Folgen sind fatal. Ähnlich wie bei synthetischem Insulin kommt es mitunter zu unerwünschten Nebenwirkungen. Diesmal bricht Marinne zusammen, und Olive drängt Ruby, schnellstens das Original zu besorgen. Doch Ruby wird bereits steckbrieflich gesucht.

Als auch noch Marinne und Olive gegen Rosettas Auflagen aufbegehren und in die reale Welt ausbüxen, wird die Lage prekär. Da lernt Ruby schließlich den ungewöhnlichen Copyshop-Arbeiter Sandy (Jeremy Davies) kennen, und endlich scheint eine Lösung in Sicht.

Die DVD

Technische Infos

  • Bildformate: 16:9, 1:1,78 anamorph
  • Tonformat: DD 5.1
  • Sprachen: D, Englisch
  • Untertitel: D
  • Extras:
    • Audiokommentar
    • Bio-Filmografien zu Swinton, Davies und Leeson
    • Trailershow: Kontroll; JSA; Immortal; Code 46.

Mein Eindruck

„Teknolust“ ist natürlich ein Märchen, um eine Satire mit einer Botschaft. Das Märchen spannt den Bogen von virtuellem Sex, virtuellen Prostituierten (Ruby) und kybernetisch entworfenen Wesen, Rosettas SRAs, hin zu realen Menschen und realem Sex. Die Grenzlinie zwischen elektronisch-unbelebtem Entwurf und belebten Wesen, die bei biologischen Viren eh schon unscharf verläuft, wird hier endgültig aufgehoben, der aufgezeichnete Bogen wird zu einem durchgehenden Kontinuum.

Das führt zu teils bedauerlichen, meist aber zu recht lustigen Konsequenzen. Bedauerlich ist sicherlich, dass Rubys Opfer plötzlich impotent und steril werden, ja sogar einen Strichcode verpasst bekommen, so also ob sie eine Ware im Supermarkt wären. Handelt es sich hier um eine Umkehrung der üblichen Rollenverteilung? Warum sollten Prostituierte nicht auch einen Strichcode tragen, wo sie doch mitunter ebenfalls wie eine Ware gehandelt werden und ihre Dienste verkaufen müssen? Rubys Freier sehen jedenfalls sehr bemitleidenswert aus.

Sucht und Motivation

Interessanter Weise hat Ruby ihre Opfer vorher schon süchtig nach sich gemacht: durch ihre Webseite E-Dreams. Als ihre Opfer kurz vor der fatalen Begegnung einen Festplattencrash ihres PCs erleben, sind sie, solchermaßen auf Entzug, reif für Rubys Überfall. Dass die virtuelle Lady auf E-Dreams und Ruby ein und dieselbe „persona“ sind, ahnen sie zwar unterbewusst, würden das aber niemals bewusst glauben. Wer hat schon jemals von einer lebenden, echten Lara Croft gehört? Und würde sich Lara ebenso bescheuert wie Ruby anhören? „Sie sehen gut aus, Frank, und haben den Rhythmus im Blut“, zitiert sie aus dem Sinatra-Film „Der Mann mit dem goldenen Arm“ – aber in einer Szenebar für Singles. Die meisten so Angebaggerten können mit diesem Unsinn wenig anfangen.

Virtuell – real – scheißegal

Dass Klone genetische Defekte haben, ist nichts Neues und ein altbekanntes Problem der Genforschung. Dass Rosettas Klone aber Sperma brauchen und es sich injizieren sowie – very British – als Tee einnehmen, ist ein origineller Einfall, aber leider auch sehr märchenhaft. Auf die gleiche Weise führt ein Virenbekämpfungsmittel, auf Rosettas Festplatte losgelassen, zu einer wundersamen Heilung der infizierten Männer. 

Der Verdacht liegt nahe, dass uns die Regisseurin auf der Symbolebene mitteilen möchte, dass geistig begangener Sex mit virtuellen Frauen genauso folgenreich sein könnte, wie real verübter Sex, bei dem u.a. auch Viren übertragen werden können. (Ruby fertigt auf ihre systematische Weise von ihren Opfer Fotos an, versieht sie mit einem Datum und steckt diese wie Trophäen in Teegläser: Als Rosetta entsetzt diese Kollektion sieht, fällt die Ähnlichkeit mit einem elektronischen Fotoalbum auf, das sich Sexsüchtige oft auf ihrer Festplatte anlegen.)

Kopfgeburten

Diesen Schluss legt auch die Tatsache nahe, dass die Erfinderin von Ruby & Co., Rosetta, eine Jungfrau ist, die von echtem Sex keine Ahnung hat. Die Klone sind ihre Kopfgeburten. Jungfräulichkeit gilt übrigens für auch den E-Dream-Konsumenten Sandy, der im echten Leben keine Freundin hat und deswegen von seiner gluckenhaften Mutter ständig getriezt wird. 

Wie gefährlich, aber auch schön die Begegnung zwischen Realität und Virtualität sein kann, zeigt dann das letzte Drittel des Films. Marinne und Olive holen sich einen heftigen Schnupfen: Ihnen fehlen die elementarsten Immunstoffe. Und Ruby und Sandy praktizieren endlich richtigen Sex, woraufhin Sandy angesichts von Ruby schwangerem Bauch meint, so eine Frau sei doch wirklich ein „user-freundliches Reproduktionssystem“. Dass auch Rosetta einen Lover findet, bleibt in einem Märchen wie diesem nicht aus. Und dreimal darf man fragen, um wen es sich handelt.

Treffsichere Satire

Leesons Satire führt also das verbreitete Verhalten, Sex nur noch durch digitale Stellvertretermedien wie eine Ware zu konsumieren, ad absurdum. Das tut sie ebenso treffsicher wie humorvoll-ironisch. Was wäre, wenn es einer Frau einfiele, sich solche konsumierbaren Wesen auszudenken und diese irgendwie lebendig werden, quasi wie ein Virus? Das Fazit haut uns dann Rosetta Stone persönlich um die Ohren, quasi als Oberlehrerin: „Fürchtet die Liebe nicht!“. Das ist leider nicht sonderlich stilvoll und einer Satire völlig unangemessen. 

Die Regisseurin

Die Regisseurin nicht irgendjemand. Nein, Lynn Hershman Leeson ist Professorin für „Electronic Arts“ an der University of California, Davis, lebt in San Francisco und hat bereits auf einschlägigen Veranstaltungen wie der weltbekannten Ars Electronica in Linz Auszeichnungen für ihre jahrelange Arbeit auf diesem Gebiet erhalten. 

Mit der Schauspielerin Tilda Swinton hat sie bereits 1997 den „Experimentalfilm“ „Conceiving Ada / Leidenschaftliche Berechnung“ gedreht, an dem das ZDF ebenfalls beteiligt war. Darin geht es um die Computerpionierin Ada Lovelace Byron aus dem 19. Jahrhundert, nach der die Programmiersprache ADA benannt wurde. 

(Mehr über Ada Byron findet man in dem Science Fiction-Roman „Die Differenzmaschine“ von William Gibson & Bruce Sterling, wobei die titelgebende Maschine den Computer von Charles Babbage meint.) Arte, das sich an der Produktion von „Teknolust“ beteiligt hat, ist Leesons Kunde: Sie drehte für diverse Themenabende Beiträge.

Leeson arbeitet sowohl sehr durchdacht als auch optisch interessant. Die drei Klone Rosettas leben in einer künstlich aussehenden Kammer, die von Primärfarben beherrscht wird: Rot, Blau und Grün habe ich eingangs bereits genannt. Bei einem Tanz der drei kommt noch Gelb hinzu. Klaus Badelts Musik passt dazu ausgezeichnet, indem sie sehr moderne Klangfarben und Rhythmen beisteuert.

Schwächen

Neben der überragenden, vierfach auftauchenden Tilda Swinton verblassen die anderen Schauspieler. Und besonders der Darsteller des Agenten Rosebud Hopper macht keinen sonderlich professionellen Eindruck. Anders hingegen Jeremy Davies. Ähnlich wie in „Der Soldat James Ryan“ und „Solaris“ fesselt er die Aufmerksamkeit des Zuschauers durch seine schräge Verhaltensweise, die sich un ungewöhnlicher Gestik ausdrückt.

Warum die altgediente und verbraucht aussehende Schauspielerin Karen Black im Film auftaucht, ist nicht ganz genau motiviert. Der Name ihrer Figur – „Dirty Dick“ (= schmutziger Schwanz) – erinnert an Dick Tracy, doch legt sie keinerlei detektivische Allüren an den Tag. Sie dient aber dazu, Rosettas emotionalen Panzer zu knacken und die verklemmte Wissenschaftlerin aus der Reserve zu locken. Eine wichtige und erhellende Szene, die aber dramaturgisch eher folgenlos bleibt. Danach verschwindet Dirty Dick in der Versenkung.

Die Handlung weist keinerlei Längen auf, sofern man sich mal mit der Märchenhaftigkeit der Story abgefunden hat. Daher dauert der Film auch nur 79 Minuten. Doch dass gespart werden musste, ist schon recht offensichtlich. Es gibt kaum Außen-Szenen, und wenn, dann derart offensichtlich gestellte Szenen wie ein küssendes Liebespaar im Park, dass diese Szenen steril wie unter einer Käseglocke aussehen. Ein Gefühl von Authentizität kommt nie auf. Anscheinend haben das Bühnenbild und die Kostüme doch einiges an Ressourcen verschlungen, so dass für anderes wenig übrigblieb. Ob die Schauspieler hohe Gagen erhalten haben, wage ich daher zu bezweifeln.

Die DVD

Sound und Bild sind in Ordnung, selbst dann, wenn es sich bei dem Gezeigten um das Display eines Bildschirms handelt, sei es auf einem PC oder einem Wandbildschirm. Die einzigen mangelhaften konnte ich, wie zu erwarten, in den Schwarzweißfilmausschnitten entdecken, die sich Ruby reinzieht. Man sollte auch erwarten können, dass eine erfahrene Regisseurin wie Leeson, die schon fast das Rentenalter erreicht hat (Jahrgang 1941), die Digitalvideotechnik voll im Griff hat. Leider nutz sie die Dolby Surround Technik im Standard DD 5.1 überhaupt nicht aus.

Der Originaltrailer bringt nur sehr wenige andere Bilder, die in der Endfassung wegfielen. Und Deleted Scenes, die es angesichts der Kürze des Films wohl schon gegeben hat, fehlen völlig. Die biografischen Notizen und filmografischen Listen sind bis auf eine Ausnahme einwandfrei. Die Texttafeln zu Lynn Hershman Leeson sind mit dem fehlerhaft geschriebenen und unvollständigen Namen „Lynn Hershan“ gekennzeichnet. Den Regiekommentar habe ich links liegen gelassen – diese Option findet sich übrigens erstaunlicherweise im Menü „Ton/Sprachen“ statt im „Specials“-Menü.

Unterm Strich

„Teknolust“ ist eine märchenhaft überspitzt erzählte Satire auf den Zusammenhang zwischen echter und künstlicher Realität auf dem Gebiet der Sexualität. Dabei ist das Geschehen, das wir zu sehen bekommen, durchweg jugendfrei, so dass von „-Lust“ keine Rede sein kann. Nicht einmal sekundäre Geschlechtsmerkmale sind zu sehen, von primären ganz zu schweigen. 

Somit wird der durchaus humorvoll und intelligent gemachte Film zu einem eher intellektuellen Vergnügen und nicht zu einer Peep-Show. Letzteres würde der Intention des Films auch ganz klar zuwiderlaufen. Schade, dass die Regisseurin nicht an sich halten konnte, nochmal den didaktischen Zeigefinger zu erheben.

Ein Gedanke zu „Intellektuelles Satire-Vergnügen“

Lass ein paar Worte da:

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.