David Kepesh ist Professor, Schöngeist und selbstverliebter Frauenheld. Gerne lässt er sich auf Techtelmechtel mit Studentinnen ein; immerhin hatte er die Integrität, sich scheiden zu lassen. Nun, als er sein Alter mit schnellen Schritten nahen sieht, verliebt er sich tatsächlich unsterblich in die junge Consuela (P. Cruz) – doch seine Angst vor einem schmerzhaften Ende der Liebesbeziehung lässt ihn nicht ruhen. Er trennt sich von ihr, obwohl ihn dies so sehr schmerzt – und erst Jahre später sehen sich die beiden wieder, unter völlig veränderten Umständen…

Filminfos

  • O-Titel: Elegy (USA 2008)
  • Dt. Vertrieb: Universumfilm
  • VÖ: 2009
  • FSK: ab 12
  • Länge: ca. 108 Min.
  • Regisseur: Isabelle Coixet („Mein Leben ohne mich“, Das geheime Leben der Worte“)
  • Drehbuch: Nicholas Meyer nach dem Buch „Das sterbende Tier“ von Philip Roth
  • Musik: diverse
  • Darsteller: Ben Kingsley, Dennis Hopper, Penelope Cruz u.a.

Mehr Info: www.elegy-derfilm.de

Handlung

Literaturprofessor David Kepesh (Kingsley) ist ganz zufrieden mit seinem Liebesleben. Regelmäßig steigt er mit Studentinnen ins Bett, hat aber auch seine Dauergeliebte Carolyn (Patricia Clarkson), die als Unternehmerin allerdings zeitlich ziemlich eingespannt ist. Sie kennen sich seit 20 Jahren, also schon vor seiner Scheidung. Sein Herz schüttet er allerdings nur seinem besten Freund, dem New Yorker Dichter George O’Hearn, aus: Sex sollte Sex bleiben, nicht mehr. Vor der Fernsehkamera und dem Mikro vertritt er die Philosophie der sexuellen Freuden, die vom neuenglischen Puritanismus bekämpft werden. 

In seinem Literaturkurs bemerkt er die schöne Consuela Castillo (P. Cruz) und lernt sie bei der Examensparty näher kennen. Sie stammt aus Kuba und ist die Tochter eines Anwalts, also aus gutem Hause. Er vergleicht sie mit Goyas Maya, ein Kunstwerk. Er umwirbt sie, sie gehen ins Theater, dann zu ihm, gute Musik, Wein und schließlich die Dunkelkammer – alles perfekt. Doch er ist nicht ihr erster Mann, sie hatte schon fünf andere. Da weiß er, dass er sie nie vollständig besitzen kann. Einer wird kommen, der sie ihm wegnimmt. Schlussmachen wäre besser – und ehrlich. Doch er ist unrettbar verliebt. Dass ihm so etwas passieren muss!

Doch bei einem wunderbaren Ausflug nach Long Island bringt er das nicht übers Herz. Vielleicht beginnt er, sie zu überwachen. Das rafft Consuela schnell und verbittet es sich. Vielmehr fragt sie ihn fast schon ultimativ, was er wirklich von ihr wolle. Die banale Wahrheit kann er ihr nicht ins Gesicht sagen. Aber sie schlafen wieder miteinander. Zu trauriger Musik von Erik Satie. 

Sowohl Carolyn als auch Consuela entdecken, dass David noch eine andere Geliebte haben muss – ein verräterischer Tampon, ein ebensolches Foto. Nur heftigstes Lügen hilft ihm aus der Patsche. So schleppt sich die Beziehung anderthalb Jahre dahin. Schließlich beendet Consuela ihr Studium. Auf die Abschlussparty lädt sie ihn ein, um ihn ihren Eltern vorzustellen. Nicht auszudenken! David findet Ausflüchte, und Consuela weint. 

Das ist nicht das Ende vom Lied. Davids 35-jähriger Sohn Kenny, ein Arzt, kommt zu Besuch: Er habe eine Geliebte. Schrecklich! Er betrügt Lisa mit einer mehrfachen Mutter namens Dana. Wie mies von ihm! Und Lisa weiß es schon. Wie vorauszusehen, rät David ihm zur Scheidung. So hat er es seinerzeit ja auch gemacht. Doch David hat selbst den totalen Durchhänger. Er kann sich gerade mal aufraffen, für seinen besten Freund George eine Lobrede zu schreiben. George ist immerhin Pulitzerpreisträger. 

Doch das Fleisch ist schwach. George erleidet bei einer Lesung auf offener Bühne einen Schlaganfall – die Aufregung wohl. Dann ruft Consuela an: Sie wolle ihn sehen. David befürchtet das Schlimmste: Wird sie ihn fertigmachen, wie er es schon lange verdient hat? Doch nein, es ist viel schlimmer: Sie hat Brustkrebs. 

Das Fleisch ist schwach, doch der Geist muss es nicht unbedingt ebenfalls sein. Wird David ihr helfen? Sie hat eine letzte Bitte an ihn…

Mein Eindruck

Die Formel „boy meets girl“ gilt in diesem Streifen nur bedingt. David Kepesh hat schon einiges hinter sich und dachte, er hätte sich eine seelische Balance geschaffen, die ihm einerseits sexuelles Vergnügen schafft, ihn aber andererseits vor den Fährnissen einer engeren Bindung bewahrt. Doch nun verliebt er sich völlig unplanmäßig in eine junge Studentin, die ihm verdeutlicht, dass er alt geworden ist. Folglich hat er Angst, sich an Consuela zu binden. Doch etwas muss ihn retten – und wie sich schließlich zeigt, ist seine Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, zu helfen und so doch noch erwachsen zu werden. 

Consuela ist, wie P. Cruz insistiert, keineswegs sein Opfer. Sie ist eine Frau, die vom Mädchen zur Frau heranreift. Sie sieht die Chancen und die Risiken, die David ihr bietet. Sie nutzt die Chancen, erträgt seine Zurückhaltung und zieht die Konsequenzen, als er an sich scheitert. Dennoch ist er der einzige, den sie anrufen kann, bevor sie sich der Krebs-Operation unterzieht. Sie wird nicht enttäuscht. 

„Schöne Frauen sind unsichtbar“, lautet eine Sentenz von George O’Hearn, dem Dichter. Mit diesem zentralen Satz meint er, dass die Schönheit einer Frau einer Mann so (ver-) blendet, dass er nicht unter die Haut schaut, um ihre inneren Werte zu entdecken. David sagt Consuela, sie sehe aus wie die Maya von Goya, ebenso schön und „ein Kunstwerk“ – womit er vor allem ihren Körper meint (was im Buch offenbar vor allem ihre Brüste meint, die sie am Schluss zu verlieren droht). 

Es ist das alte Pygmalion-Syndrom: Der überlegene Mann stellt die unterlegene Frau auf den Sockel, um eine Distanziertheit zu schaffen. (David fotografiert Consuela sogar, wenn sie schläft, und objektifiziert sie so weiter.) Als sie darauf wartet, dass er zu ihr eine permanente Beziehung herstellt, etwa eine Heirat, weigert er sich, weil das die Distanz aufheben und ihn zu etwas verpflichten würde. 

So handhabt David bereits seine Sohn und seine Dauergeliebte. Warum sollte es also bei Consuela nicht auch klappen? Ganz einfach: Sie würde von einem Objekt zu einem Subjekt werden – und das würde in David ganz andere Fähigkeit verlangen. Zum Glück findet er sie am Schluss doch noch. Aber erst nachdem er Consuela völlig zu verlieren droht. 

Regisseurin Isabel Coixet erweist sich als feinfühlige Inszenatorin und Kamerafrau, die ihren Akteuren auch mal Raum für Improvisation gibt. Deshalb wirken ihre Figuren wesentlich menschlicher und sympathischer als die Figuren des Buches. Darauf geht Produzent André Lamal am Schluss der Interviews ein. Roth soll ein Misogynist sein, aber Coixet ist alles andere als das. Ihre Version von David Kepesh ist die eines typischen Kerls, der denkt, er hätte es gut getroffen und sich dabei selbst in die Tasche lügt. Man muss einfach Symapthie für ihn hegen, auch wenn er sich wie ein „Wichser“ (jerk) verhält, wie Coixet sagt. 

Die Schauspieler

Sir Ben Kingsley tritt hier als kluger, charmanter, verführerischer, eloquenter, gelehrter, selbstironischer, witziger, gewitzter, eitler und geiler Professor Kepesh auf, dem die Welt eigentlich zu Füßen liegen müsste. Penelope Cruz ist seine Geliebte, doch nicht sein Opfer. Sie spielt keineswegs durchgeknallt auf, wie sie das so häufig bei Pedro Almodovar („Volver“ usw.) und Woody Allen („Vicky Cristina Barcelona“) tun durfte. Hier hält sie sich stark zurück, um glaubwürdig zu wirken. Coixet hätte auch nichts anderes zugelassen, sagt die Regisseurin im Interview, denn sie setzt immer auf Zurückhaltung (restraint). 

Die Musik

Eine Stimmung wird nicht nur von den Schauspielern und Kulissen geschaffen, sondern vor allem vom Licht und der Musik. Hartes, grelles Licht gehört in Actionfilme wie etwa Western, doch „Elegy“ ertrinkt fast in sanften Kontrasten, die am Rande des Weichzeichner zu schweben scheinen. Dennoch gibt es Straßenszenen, wo hartes Licht die Figuren heraushebt – es ist ein Licht der Äußerlichtkeit, weiches Licht betont Innerlichkeiten. Der Beleuchter und Coixets Kamera nutzen es optimal.

Wer einen guten Rotwein süffelt, findet bestimmt auch die oftmals wehmütige Musik ganz passend. Ich fand sie aufdringlich in ihrer Melancholie. Am besten gefielen mir noch die modernistischen Kadenzen von Erik Saties „Gnosiennes“-Stücken, doch jeden Moment erwartete ich, bei Beethovens „Mondscheinsonate“ (die nicht gespielt wird) einschlafen zu dürfen. Und ich hatte nicht mal Rotwein. Was wohl mein Fehler war. 

Die DVD

Technische Infos

  • Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
  • Tonformate: Dolby Digital 5.1
  • Sprachen: D, Englisch
  • Untertitel: D, English für Hörgeschädigte
  • Extras:
    • 2 Trailer
    • Interviews
    • Featurette
    • B-Roll
    • Diaschau
    • Audiokommentar des Drehbuchautors Nicholas Meyer

Mein Eindruck: die DVD

Das Bild entspricht modernem DVD-Standard, dürfte aber auf der Blu-Ray noch besser aussehen. Bemerkenswert ist die stets sensible Ausleuchtung der oftmals sinnlichen Szenen. Häufig hat die Regisseurin selbst die Handkamera bedient, so dass der Zuschauer mitunter mit schwankenden Bildausschnitten überrascht oder verunsichert wird. 

Der Ton liegt in Dolby Digital 5.1 vor, was zwar Standard ist, aber nicht das Tollste seit geschnittenem Brot. DTS wäre wesentlich besser, spielt aber seine Stärken der höheren Dynamik vor allem in Actionszenen aus – und wo gäbe es die in diesem Film? 

EXTRAS

  1. 2 Trailer: Der deutsche Trailer ist etwas länger als der englischsprachige und unterscheidet sich nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Stimmung. Ist der englischsprachige eher traurig und wehmütig gestimmt, so gibt sich der deutsche Trailer heiter, witzig und dynamisch. Tatsächlich haben beide Lesarten recht. 
  2. Featurette (5:07 min): Ein Zusammenschnitt aus den wichtigsten und schönsten Szenen mit den bedeutsamsten Aussagen der Hauptdarsteller und der Regisseurin, insbesondere über die Aussage des Films. 
  3. Interviews (29:20 min): Alle fünf Hauptdarsteller, die Regisseurin und nicht weniger als drei Produzenten liefern fast eine halbe Stunde lang ihre Aussagen darüber, worum es im Film geht, wie sie ihre jeweilige Rolle oder ihre Kollegen sehen und was das alles mit Philip Roth und dessen Welt- und Menschensicht zu tun hat. Kein Wort über die traurige Musik, die Finanzierung oder den möglichen Erfolg oder Misserfolg des Films. 
  4. B-Roll (7:55 min): Die Akteure und die Regisseurin sind bei den Dreharbeiten zu sehen. Drollig: Dennis Hopper füttert Sir Benjamin Kingsley. 
  5. Diaschau (2:10 min): Eine selbstablaufende und mit relativ elegischer Musik unterlegter Diaschau zeigt die besten Szenen sowie Nahaufnahmen von den fünf Hauptdarstellern und der Regisseurin. 
  6. Audiokommentar des Drehbuchautors Nicholas Meyer: Hab ich mir nicht angehört, weil ich keine Zeit hatte. 
  7. Trailershow:
    1. Burn after reading – Wer hat sich hier die Finger verbrannt?
    2. Die Liebe in Zeiten der Cholera
    3. Das Meer in mir
    4. Miss Pettigrews großer Tag
    5. Happy Go Lucky
    6. Pedro Almodóvar Edition

Unterm Strich

So sieht also Arthaus-Erotik aus, dachte ich mir. Andererseits gibt es hier reichlich wenige sekundäre Geschlechtsmerkmale zu besichtigen. Es handelt sich also um sensible, erwachsene Erotik – von Erwachsenen für Erwachsene. Die Obsession des Professors mit Consuelas Brüsten, wie sie noch für das Buch konstitutiv ist, fehlt hier völlig. Das war der Regisseurin wohl zu plakativ und banal. Es hätte auch die Figur des David degradiert.

Das Ganze ist eingebettet in die ewige Geschichte von Liebe, Eifersucht, Altern und Verlust, wie es Kingsley so schön auf den Punkt bringt. Erst ist es das drohende Alter, das David vor Bindung zurückschrecken lässt. Er lebt lieber in zeitloser Gegenwart. Und es ist erst der drohende Verlust Consuelas, für die er doch noch was empfindet, die ihn erwachsen werden lässt – und das bedeutet auch, der Zeit das ihr zustehende Opfer zu bringen: das Eingeständnis der eigenen Sterblichkeit. 

„Das sterbende Tier“ ist schon der richtige Titel für das Buch gewesen – aber nicht für die Verfilmung. Man kann „Elegy“ einerseits als witzige Feier des Lebens und der Liebe betrachten, aber auch als Abgesang auf die Beständigkeit von Liebe und Unschuld. Leider wird von der Musik letzterer Aspekt betont, und manchmal so sehr, dass es mich genervt hat. 

Für wen sich der Film eignet

Wer Action sucht, sollte sich nicht in diesen Film verirren, ebensowenig junge Paare, die noch „die ganze Zukunft“ vor sich haben, wie man so schön sagt. Es ist eher ein Streifen für Ehe- und Liebespaare, die schon einiges HINTER sich haben, etwa im Alter von David und George sind (Mitte fünfzig) und wehmütig den Verlusten nachhängen, die sie erlitten oder vermieden haben. 

Die DVD

Die Silberscheibe wartet mit ordentlicher, wenn auch nicht umwerfender Qualität in Bild und Ton auf. Das Bonusmaterial ist recht hilfreich, vor allem die halbe Stunde mit Interviews. Auffallend ist, welche Themen ausgespart werden, nämlich kommerzieller Erfolg und der Autor des Buches. 

Wertung

Mima2016: 3 out of 5 stars (3 / 5)

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