Die Spur eines grausamen Verbrechens führt Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar, seinen Diener und Freund, von der Wüste Tunesiens über Mekka und Istanbul bis nach Albanien. Dort bekommen sie es mit dem Oberschurken hinter dem Verbrechen zu tun: mit dem Schut.

Basierend auf den Reiseerzählungen Karl Mays schrieb Regisseur Günter Gräwert diese 13-teilige erste Staffel von Kara Ben Nemsi Effendi“ für das ZDF. Es ist eine jener wunderbar aufwändig produzierten TV-Serien, die man „Straßenfeger“ nannte und die üblicherweise in der Weihnachtszeit ausliefen. Jede Folge war nur etwa 25 Minuten lang und lief im Vorabendprogramm. Seit 30 Jahren war die Serie nicht mehr zu sehen.

Ich habe seinerzeit „Kara Ben Nemsi Effendi“ als großer Karl-May-Fan mit an den Bildschirm gefesselt Augen verfolgt und fand die Umsetzung nicht nur großartig, sondern sogar ziemlich werkgetreu – etwas, was man von den damaligen Winnetou-Filmen wie „Old Shatterhand und Winnetou im Tal der Toten“ nicht mehr behaupten konnten, auch nicht von den zwei lahmen Kara-Ben-Nemsi-Verfilmungen mit Ralf Wolter als Hadschi Halef.

Filminfos

O-Titel: Kara Ben Nemsi Effendi – Staffel 1 (D 1973)
Dt. Vertrieb: www.kochmedia-dvd.de
FSK: ab 12
Länge: ca. 366 Min.
Regisseur und Drehbuch: Günter Gräwert
Produzent: Elan-Film Max Gierke & Co., ZDF
Musik: Martin Böttcher (Komponist der Winnetou-Filme)
Darsteller: Karl-Michael Vogler (Kara), Heinz Schubert (Halef), Dieter Hallervorden (Der Wekil), Richard Lauffen (Scheich der Hadedin), Ferdy Mayne (Sir David Lindsey) u.a.

Handlung

Episode 1: „Der Tote im Wadi Tarfaui“

Hadschi Halef Omar ist gerade eifrig dabei, seinen Herrn und Freund Kara Ben Nemsi vom Christentum zum seligmachenden Islam zu bekehren, als sie auf eine grausige Fundstätte stoßen, über der schon die Geier kreisen. Ein Franzose namens Paul Galingré und seine zwei einheimischen Begleiter sind im Trockental von Unbekannten getötet und beraubt worden. Kara findet schnell heraus, wie der Franzose hieß und nimmt seinen gravierten Ehering an sich. In Zeitungsausschnitten finden sich Berichte über Galingré und einen Mann namens Hamd al Amasat – dieser kommt als Mörder in Betracht.

Sie folgen der Spur von zwei Pferden und stoßen auf zwei Männer, von denen sich einer Hamd en Nassr nennt, aber durch Gegenstände des Toten, die in seinem Besitz sind, hält Kara ihn und seinen Gefährten für die Mörder. Da er keine Autorität hat, sie zu bestrafen, jagt er sie davon. Nach einer kurzen Rast folgt er ihnen mit Halef, um sie im Auge zu behalten. Aber ihre Spur führt direkt zum gefährlichen Salzsee Schott el-Dscherid und der Grenze. Im Schott sind schon ganze Karawanen verloren gegangen…

Episode 2: “Der Schwur im Schott”

Mit dem Einheimischen Sadek als Führer versuchen Kara und Halef, die Mörder auf dem Schott einzuholen. Sie geraten jedoch in einen Hinterhalt, und Sadek wird von Hamd el Amasat im Schott erschossen und versinkt. Kara und Halef müssen einen ganzen Tag warten, bis Sadeks Sohn Omar an ihrer Stelle vorbeikommt, die sie nicht verlassen können, da sie den schmalen Weg nicht kennen. Als Halef ihm erzählt, was passiert ist, schwört Omar Ben Sadek blutige Rache an dem Mörder seines Vaters.

Zu dritt erreichen sie die Oase Kbili. Beim Wekil des Ortes (Dieter Hallervorden) taucht dieser Mörder auf und beschuldigt Kara, selbst der Mörder zu sein. Die Situation ist ernst, denn der Wekil glaubt nicht Kara, dem ungläubigen Ausländer, sondern Amasat. Da begeht dieser einen kleinen Fehler und Kara sieht seine Chance gekommen.

Episode 3: “Mekka”

Der Wekil hat die beiden Mörder entkommen lassen, und Omar verfolgt sie alleine, da Kara ihre Spur verloren hat. Statt dessen treffen Kara und Halef auf die stolze Amscha, die etwa 30-jährige Tochter des Mohammed Emin, Scheich der Haddedihn (Richard Lauffen). Sie führt die beiden Fremden zu ihrem Stamm, der zu den Ausgestoßenen gehört. Dort macht ihr Vater Halef einen reizvollen Vorschlag: Damit seine zweite Tochter Hanneh Gelegenheit bekommt, die Heilige Stadt zu besuchen, soll Halef sie zum Schein heiraten und nach erfolgreicher Rückkehr wieder zurückgeben. Als Delil, also Führer in Mekka, hat er dieses Privileg. Man braucht ihn nur dazu ernennen…

Sobald Halef die hübsche Braut gesehen hat, willigt er in diesen listigen Handel ein. Kara ergreift die Gelegenheit, die den Christen verbotene Heilige Stadt zu besuchen. Doch in Mekka wird er vom Mübarek, dem Begleiter Hamd el Amasats, in einer Moschee entdeckt. Dieser hetzt die Muslime auf den Giaur, und eine wilde Jagd durch Mekkas Gassen beginnt. Zum Glück gibt es ja noch Halef…

Episode 4: “Die Festung”

Halef hat sich in Hanneh verliebt und will sie am liebsten auf der Stelle zur Frau nehmen. Aber ihr Vater Mohammed Emin stellt eine Bedingung. Er bittet Halef und Kara seinen Sohn Amad el Ghandur zu befreien, der im Gefängnis der Festung Amadiye schmachtet. Gebongt! In der Festung angekommen, trifft Kara auf den Gefängnisaufseher Selim Agha, der ihm drei Zimmer in seinem Haus vermietet. Von dessen Garten aus kann man auch das Gefängnis gut überblicken, wie ihm die Köchin Mersina (Lina Carstens) stolz zeigt.

Während Selim Agha ein Treffen zwischen Kara und dem Festungskommandanten, dem Mütesselim, arrangiert, kümmert sich Halef um Mersina, denn diese kocht auch für die Gefangenen und könnte einen Zugang verschaffen. Dafür muss er allerdings sämtliche Küchenutensilien blankputzen, eine schweißtreibende Arbeit. Unterdessen versteckt sich Mohammed Emin in Zimmer Nr. 3, gut getarnt als stummer Flötespieler.

Kara erkennt, dass es einer sehr guten List bedarf, um Amad befreien zu können. Er hat auch schon eine Idee. Dafür muss er die Schwäche des Mütesselim (Herbert Fleischmann) und Selim Agha (Peter Matic) für verbotenen Wein ausnützen. Diesen kredenzt er ihnen als „Heilmittel“ gegen Depressionen…

Episode 5: „Amad el Ghandur“

Doch im Knast sitzt nun auch ein Staatsgefangener und die Sicherheitsvorkehrungen wurden verschärft. Sollte dieser entkommen, so fürchtet der Mütesselim, werde man ihm „die silberne Schnur“ schicken: die Aufforderung zum Selbstmord. Deshalb befiehlt er, die beiden Gefangenen, den Machredsch von Mossul und den Sohn des Scheichs, in einen andere, sicherere Festung zu verlegen. Kara muss dem zuvorkommen!

Am Abend vor dem Abtransport gibt Kara dem Mütesselim und Selim Agha eine Unmenge Wein aus. Danach kann er auch beiden zu einem Kontrollgang ins Gefängnis begleiten. Unterdessen hat der Scheich selbst die Festung unerkannt verlassen, um seine Gefährten an einem Treffpunkt zu erwarten. Hoffentlich haben sie dann seinen Sohn dabei…

Episode 6: “Die Flucht”

Doch obwohl es Kara gelungen ist, Amad aus dem Gefängnis zu holen und bei sich einzuquartieren, ist eine Flucht unmöglich. Der Mütesselim hat die ganze Festung abriegeln lassen und will jeden erschießen lassen, der sich dem Tor auch nur nähert. Ja, seine Paranoia verdächtigt nicht nur seine Wachen, sondern auch seinen Gast und „Freund“ Kara Ben Nemsi! Doch Kara kann den Verdacht entkräften und er hat, auch Enttäuschung über diese Beschuldigung, jetzt sogar einen plausiblen Grund, die Festung wieder zu verlassen.

Nach der gelungenen Flucht ist Scheich Mohammed Emin so glücklich, dass er Halef verspricht, ihm Hanneh zur Frau zu geben. Doch auf dem Heimweg nehmen feindlich gesinnte Bebbeh-Kurden die beiden Haddedihn gefangen. Auch Karas alter Bekannter Sir David Lindsey (Ferdy Mayne) ist ein Gefangener der Bebbeh. Jetzt ist es an Kara und Halef, ihre Freunde wieder zu befreien.

Episode 7: “Abu en Nassr”

Aus diesem wilden Kurdistan reisen Sir David Lindsey, Kara und sogar Halef, der seine Hanneh daheimlässt, nach Stanbul (= Istanbul, Stambul) weiter. Sie treffen dort einen Freund namens Maflei (Hans Wyprächtiger), der einen gewissen Galingré kennt. Er kannte den ermordeten Vater des im Wadi Tarfaui gemeuchelten Sohnes Paul Galingré, von dem ihm Kara erzählt. Offenbar hat jemand etwas gegen diese Familie, und wieder fällt der Name des Schut. Sir Lindseys Nichte, die Französin Senitza (Edwige Pierre) ist scharf auf den feschen Kara, der besonders gut auf seinem Rappen Rih aussieht, den Mohammed Emin ihm geschenkt hat.

Im Kloster der „tanzenden Derwische“ trifft Halef Omar Ben Sadek (Will Danin) wieder, der die Spur des Mörders seines Vaters bis hierher verfolgen konnte und der unter den Derwischen einen Verwandten Amasats vermutet. Maflei erzählt den Freunden von einem geheimnisvollen Haus, in dem kriminelle Geschäfte abgewickelt werden. Kara Und Co. mieten sich im Nebengebäude ein. Duch eine verborgene Verbindungstür gelangen sie hinein und können einen hohen Offizier befreien. Dieser holt einen Wachzug, der das Gebäude stürmt. Beim folgenden Tumult versucht der gesuchte Hamd el Amasat zu fliehen, doch Halef und Kara bleiben ihm auf den Fersen…

Episode 8: “Barud el Amasat”

Ist Hamd el Amasat wirklich tot? Halef hat auf ihn geschossen, und ein Schrei war zu hören. Doch es findet sich keine Leiche. Im Kloster der „tanzenden Derwische“ sucht er den Mönch Ali Manach auf und nennt ihm die Losung des Hauses am Hafen: „en Nassr“. Daraufhin erfährt er, dass nicht Hamd el Amasat in Stambul war, dessen Bruder Barud el Amasat, sein Zwilling. Barud sei inzwischen nach Edirne (Adrianopel) aufgebrochen, um den Kaufmann Hulam um sein Vermögen zu bringen.

Kara & Co. reiten nach Edirne und können wirklich das Schlimmste vereiteln. Doch der verhaftete Barud wird von einer Person namens Manach el Barscha überwacht. Kara weist Halef an, diesen Mann zu beschatten. Dann überschlagen sich die Ereignisse…

Episode 9: „Die Falle“

Der Kadi (= Richter und Polizeichef) von Edirne gibt sich über Baruds Flucht erstaunt. Er stellt aber Kara spontan Soldaten zur Verfügung. Doch zu einer Verfolgung kommt es gar nicht, denn am Abend läuft Kara in eine raffinierte Falle. Es ist Ali Manach, der Sohn von Barud, der Kara inzwischen durchschaut hat. Statt ihn zu töten, will er von Kara ein Lösegeld erpressen, doch die Zahlungsanweisung, die Kara schreibt, ist eine List.

Am nächsten Tag wird Kara in einem Karren unbemerkt aus der Stadt geschafft. Doch er kann sich befreien und seine beiden Entführer überwältigen. Sogar einem Messerwurf Ali Manachs kann er entgehen. Mit diesem als Gefangenem kehrt er nach Edirne zurück, wo dieser natürlich alles abstreitet. Zusammen mit dem Kadi sucht man in dem Haus, wo Kara gefangen gehalten wurde, nach Beweisen. Da fallen zwei tödliche Schüsse…

Episode 10: „Die Koptscha“

In Begleitung von drei Soldaten brechen Kara, Halef und Omar auf, um der Spur Barud el Amasats zu folgen. In dem Dorf Ortaköy hören sie von den drei Verfolgten und dass noch jemand hinter ihnen her sei. Kara erfährt, dass ein Waffenschmied namens Deselim ein Schwager des Schut sein soll. Schon wieder dieser Name! Ist der Schut der Chef einer internationalen Schmugglerbande – oder mehr?

Kara nimmt auf Rih eine Abkürzung durch die Berge und stößt auf den Schäfer Jafim. Dieser hat einen Bruder namens Schimin, der ein Eingeweihter der Bande sein soll. Im Haus von Schimin staunt er nicht schlecht: Schimin liegt gefesselt und geknebelt in seiner Werkstatt. Nach seiner Befreiung erzählt der Schmied nicht nur von der Bande des Schut, sondern auch von deren Erkennungszeichen. Die Bandenmitglieder erkennen einander an der Koptscha, einer Anstecknadel in Form einer silbernen Rose, die am Fes angebracht wird.

Kara überwältigt den Mann, der ihnen auf den Fersen war: Das Bandenmitglied nennt sich Pimosa und trägt die Koptscha am Fes. Mit dieser tarnt sich Kara auf seinem weiteren Weg.

Episode 11: “Unter Paschern”

Die Ruine, in der nach Schimins Angaben „böse Geister“ hausen sollen, entdeckt Kara wertvolle Teppiche: Schmuggelware! Seine nächste Station ist Boschak (Willy Semmelrogge), den er als Mitglied der Schut-Bande und Schmuggler überführt. Boschak gibt ihm eine Information preis: In Der Hütte des Bettlers Saban soll eine Nachricht für Barud el Amasat liegen. Vielleicht wird Barud dort auftauchen.

Als Kara dort eintrifft, ist er leider etwas unvorsichtig, denn die ganze Bande, die er sucht, lauert ihm dort auf und nimmt ihn gefangen. Halef hat eine Koptscha an sich gebracht und erfährt von dem Hinterhalt. Mit Omar und mit dem letzten Soldaten, der noch nicht desertiert ist, macht er sich daran, Kara herauszuhauen. Dabei stellt er sich sehr geschickt an. Unter den Verbrechern ist auch Desilim, der Schwager des Schut. Im folgenden Tumult kann dieser auf Rih fliehen. Vorerst…

Episode 12: “Wieder auf der Spur”

Aus den gefangenen Banditen ist kaum etwas herauszubekommen. Aber durch eine fingierte Befreiung erfährt Kara, dass Barud auf dem Weg zum Fruchthändler Glava in der Provinzstadt Melnik sei. Als Kara & Co. dort eintreffen, hält man sie wegen ihrer Koptschas für Komplizen und der Fuhrhalter Hamdi quartiert sie bei sich ein. Kara misstraut dem Mann zutiefst, denn Hamdi kümmert sich mehr um sie, als ihnen lieb ist: Er beschattet sie und führt sie sogar in ein chinesisches Schattentheater.

Unterdessen sucht Halef nach dem Fruchthändler und findet dessen Haus. Nachdem Hamdis Pferdeknecht sich am edlen Rih zu schaffen gemacht hat, ahnen die Freunde, dass die Bande über sie Bescheid weiß. Kara belauscht die Schut-Bande von Glavas Dachboden aus. Doch als Halef ebenfalls dorthin schleicht, entwickelt sich die Lage ungünstig: Er muss wegen dem Stroh niesen…

Episode 13: “Mübarek”

Nach einem harten Ritt rasten die Freunde in einem Gasthaus. Der Wirt bzw. Handschi erzählt ihnen bei einem Krug echtem Bier, das er in der letzten Nacht von drei Männern bestohlen worden sei. Das Rätsel des Raubs ist schnell gelöst, doch wo sind die Verbrecher hin? Der Wirt schließt sich Kara auf dem Weg nach Ostromdscha an. Dort treffen sie auf den Bettler Busra, der Kara wieder zu erkennen scheint. Aber Kara kann sich nicht an den Ort der Begegnung erinnern. Erst später fällt es ihm ein.

Der Wirt erzählt ihnen Wunderdinge vom heiligen Mübarek, der allmächtig sein soll und sogar Witwen wie Mascha verflucht, wenn sie ungehörige Dinge tun. Des Weiteren stoßen sie auf den Polizisten Selim, der Diebe nur in Gedanken verfolgt. Da Halef ihn erbost seine Peitsche schmecken lässt, soll Halef sich vor Gericht verantworten.

Wegen Karas Einspruch wird die Verhandlung vertagt. Und so lernen sie in Ostromdscha auch noch Mascha kennen. Maschas verstorbener Mann erzählte ihr: „Das Geheimnis des Mübarek liegt unter dem Schädel.“ Die Freunde begeben sich daher hinauf zur Hütte des Mübarek. Dort warten mehrere Überraschungen auf sie…

Mein Eindruck

Die Kritikermafia der Jahres 1973 nahm die ersten Folgen der neuen ambitionierten ZDF-Serie komplett auseinander. „Die erste Folge bestand vornehmlich aus Geschwätz“, mäkelte die SZ vom 6.10.73. „…da fest damit zu rechnen ist, dass [der Zuschauer] nach den ersten fünf Minuten schon in Schlaf gefallen war.“ Andere Kritiker fielen in den Chor ein, und auch die Karl-May-Freunde, so ist dem Booklet (s.u.) zu entnehmen, waren geteilter Meinung. Doch „letztlich“ soll die Einschaltquote wieder bei beachtlichen 21 Prozent gelegen haben – ob bei der 1. oder der 2. Staffel von 1975, bleibt unklar.

Der kleine Unterschied

Diese Stimmen vermitteln mehr als alles andere, dass sich die Handlungsdarstellung der TV-Serie, die Günter Gräwert maßgeblich gestaltete, von allen Kinofilmen radikal unterscheidet. Nicht hektische Action ist angesagt, sondern auch Psychologie, Charakterisierung, Kultur und Stimmung. Es sind diese Aspekte, die die Serie auch heute noch für Erwachsene ansehbar machen. Wer sich seine Erinnerungen an Karl-May-Romane erhalten möchte, ist hier immer noch gut bedient, was man von den Kinofilmen keineswegs behaupten kann.

Der Rote Faden

Die erste Staffel verfügft über einen durchgehenden roten Faden: Die Mörder von Paul Galingré und Sadek dingfest zu machen und der Gerechtigkeit zuzuführen. Dass dabei auch Halef eine Frau und Kara einen edlen Rappen „erwerben“, gehört zu den reizvollen Schnörkeln der zentralen Handlung. Und um diese Kostbarkeiten zu „erwerben“, müssen unsere Helden eben Prüfungen und Abenteuer bestehen. Und eben diese Motivierung der Abenteuer geht Hand in Hand mit der psychologischen Charakterisierung der Helden. Halef könnte man leicht als läppischen Maulhelden abtun, wenn er nicht so viele positive Seiten zeigen dürfte. Und Kara könnte man als Superhelden und Oberchristen abtun, wenn er nicht ständig in Gefahr geriete und gegenüber Halefs Andersgläubigkeit größte Tolerenz zeigen würde.

Verwirrung

Allerdings kam ich an einer Stelle heftig ins Schleudern. In Istanbul werden aus dem gejagten Hamd el Amsat plötzlich zwei Brüder oder Neffen oder Söhne etc: Barud el Amasat und Ali Manach el Amasat. Hier muss der Zuschauer aufpassen wie ein Schießhund, um nicht völlig durcheinanderzugeraten. Auch die Fülle der Figuren, die im Land der Skipetaren verfolgt werden, trägt nicht gerade zur Übersichtlichkeit bei. Hier leistet das Booklet mit seinen Rollenaufstellungen und Inhaltsangaben unentbehrliche Hilfe. (Darauf habe ich mich in den obigen Inhaltsabrissen ngestützt, aber auch auf eigene Notizen.)

Humor

Ein von der ersten Minute an herausragendes Merkmal der Serie ist zudem der feine Humor. Das ist nicht der Klamauk eines Eddi Arent aus den Kinistreifen, sondern eine feinere Ironie. Allein schon die Tatsache, dass der kleine Hadschi Halef, der ebenso wie seine Vorväter nie Mekka gesehen hat, seinen Sidhi zum Islam bekehren will, trieb mir ein Schmunzeln ins Gesicht. Und so ging es viele Male weiter, z.B. bei den Verhandlungen über den Brautpreis für Hanneh, Halefs Scheinehenfrau. Der besondere Witz gewährt einen Einblick in die vertrackte Denkweise von „Muselmanen“, wie sie eben May darstellte. Auch Sir Dacvid Lindsey hat eine Art Humor, allerdings eine ganz andere.

Pathos

Der Humor bildet das nötige Gegengewicht zum mitunter sehr ernsten Pathos des männlichen Ehrenkodex, wie er zum Beispiel in der Begegnung mit Scheich Mohammed Emin und seiner Frau Amschau deutlich hervortritt. Auch die Gesetze der Wüste, wie etwa die Gastfreundschaft und der Racheschwur Omar Ben Sadeks, werden nie ins Lächerliche gezogen, sondern stets ernstgenommen. Das fand ich schon beim ersten Sehen einen ganz wesentlichen Pluspunkt der TV-Serie, einen Vorteil gegenüber den Kinostreifen, die ich nie ernstnehmen konnte (außer vielleicht bei Winnetous Tod, R.I.P.).

Die DVD

Technische Infos

Bildformate: 1,33:1 (Vollbild)
Tonformate: D in DD 2.0
Sprachen: D
Untertitel: keine
Extras: 36-seitiges Booklet, Interview mit Karl-Michael Vogler (ca. 37 Min.), ZDF-Beitrag über die Dreharbeiten (ca. 11 Min.)

Mein Eindruck: die DVD

Ton und Bild:

Der Ton liegt in Fernsehqualität vor, allerdings im Standard Dolby Digital 2.0, so dass zwar kein Surround-Eindruck entsteht, aber doch alle Stimmen und Geräusche in einwandfrei verständlicher Weise übertragen werden. Darin unterscheidet sich der Ton von synchronisierten Filmen der fünfziger und sechziger Jahre, wo die Höhen überproportional wiedergegeben werden. Einen Stereo-Effekt konnte ich nicht feststellen.

Das Bild wurde restauriert und remastered. Daher sind in 99% aller Bilder keine Artefakte wie etwa Streifen, Grießel und Einsprengsel zu finden. Die restlichen 1 Prozent muss man mit der Lupe suchen, aber sie sind durchaus vorhanden, so etwa am Ende der Episode 5. Eine völlige Verfärbung, wie sie bei diesem alten Material zu erwarten ist, ließ sich nur im wenige Sekunden langen Vorspann zur Episode 6 feststellen. Die in Folge 1 eingeblendeten kreisenden Geier stammen aus anderem Filmmaterial, das dazwischen geschnitten wurde. Es handelt sich nur um jeweils 1-2 Sekunden. Die Bildqualität ist nicht optimal, und wer genau hinschaut, bemerkt, dass die Geier wiederum über die Felsen gelegt worden sind, also eingeblendet wurden – man arbeitete mit allen Tricks!

Die Extras:

  1. „ZDF-Werkstatt“: ZDF-Doku über die Dreharbeiten an der Serie: „Kara Ben Nemsi“ ist eine der ersten langen Serien, die das ZDF selbst koproduziert und in seinem Programm gezeigt hat. Anno 1973 gehörte dazu schon eine Menge Geld. Obendrein fanden die Dreharbeiten dafür an Originalschauplätzen statt: in Bulgarien, in der Wüste von Tunesien, bei der 2. Staffel 1975 aber auch in der Steinwüste des spanischen Almería (siehe das Interview). Unter anderem drehte man in der tunesischen Oase Nefta, die ein religiöses Zentrum des Islam ist. Besondere Rücksichtnahme war seitens der christlichen Besucher angebracht. Schwierigkeiten bei der Produktion werden hier nicht erwähnt, wohl im Vogler-Interview. Der Reporter verrät: Es gibt mehr als 100 Drehorte, mit 500 Szenen und folglich mehr als 1000 Kameraeinstellungen. Ein immenser logistischer Aufwand für zehn Monate Dreharbeiten und ein Jahr Sendezeit.
  2. Interview mit Karl-Michael Vogler: Vogler hat mittlerweile schlohweißes Haar, sieht aber immer noch recht fit und geistesgegenwärtig aus, wobei uns sein phänomenales Gedächtnis erstaunt. Er wohnt in einem schönen Haus in Oberbayern. Im Hintergrund hört man ab und zu eine Standuhr die Viertelstunden schlagen. Der Fragesteller ist ein Journalist, der offensichtlich eine Menge Ahnung von Vogler, seinen Filmen und vor allem von den Karl-May-Filmen hat – sehr sympathisch.

    Lustigerweise hat er als Junge zuerst die Orientromane Mays gelesen, nie „Winnetou“. Daher hat er eine sehr positive Erinnerung daran. Die TV-Serie hat er wg. Überlastung erst bei ihrer Ausstrahlung 1973 und 1975 gesehen. Wenn man ihn im Film sieht, wird man unweigerlich von seiner Reitkunst beeindruckt. Das führt er auf sein intensives Reittraining zurück. Anders Pierre Brice es mit der Winnetou-Figur tat, identifizierte Vogler sich nie mit Kara. Er sah aber auch keine filmischen Vorbilder für diese Figur, er prägte sie. Da er aber Psychologie (und Kunstgeschichte) studiert hatte, kam ihm dies zustatten, als er die Figur charakterisieren und motivieren sollte. Dies ist einer der Reize an der TV-Serie – dagegen verblassen die Kinofilme. Obwohl Vogler Sportler war, machte er Kara dennoch nicht zu einem Actionhelden, sondern legte stets Wert auf absolute Glaubhaftigkeit.

    Schock! Vogler wäre bei den Dreharbeiten zur 2. Staffel, die in der Wüste von Almería stattfanden, wo viele Spaghetti-Western entstanden, beinahe ums Leben gekommen! Bei Sonnenuntergang, der dort nur max. fünf Minuten dauert, sollte er auf Bitten des Regisseurs Gräwert noch eine Reitszene absolvieren. Vogler protestierte: Die Piste sei zu gefährlich, denn die amerikanischen Filmcrews schütteten bei ihrem Abzug die aufgegrabenen Löcher nicht zu. Wie leicht könnte sich ein Pferd in einem solchen Loch den Fuß oder mehr brechen? Sein Protest konnte Gräwert nicht umstimmen, und so kam es zu einem ums Haar verhängnisvollen Reitunfall…

    Mehr sei nicht verraten – diese Erzählungen sollte man sich nicht entgehen lassen: Es gibt noch viel mehr solche Anekdoten!

  3. Das Booklet: Meines Wissens zum ersten Mal ist einer gewöhnlichen DVD-Box über eine TV-Serie ein derart umfangreiches Booklet beigefügt: 32 Seiten voller Fakten, Meinungen (Pressestimmen), Vierfarbfotos!

    Darin erhält der Filmfan nicht nur detaillierte Schauspielererwähnungen zu jeder einzelnen Folge, sondern auch recht detaillierte und sogar zutreffende Inhaltsabrisse der jeweiligen Folgen – natürlich mit dem Sendetermin der Erstausstrahlung. Über vier Seiten Text sind den Produzenten und Schauspielern sowie dem Regisseur und Drehbuchautor gewidmet. Weitere Infos berichten über den Komponisten der Winnetou-Filme, Martin Böttcher, der auch hier die Filmmusik schrieb. Außerdem geht man auf die Karl-May-Verfilmungen selbst ein, die ja nicht erst in den 1960er Jahren einsetzten, sondern bereits 1920.

    Überflüssig zu sagen, dass auch der Look des Booklets an die grünen Leinenbände des Bamberger Karl-May-Verlags angepasst ist – ebenso wie die Box und der Schuber. Man kann sogar das „Gewebe“ des Umschlags (aufgedruckt) sehen. Die mitunter doppelseitigen Vierfarbfotos unterstreichen den professionellen Eindruck, die das Booklet vermittelt. Ich wüsste nicht, was man hier noch hinzufügen könnte – der Fan kann rundum zufrieden sein.

Unterm Strich

Die Serie kann man sich leicht in wenigen tagen reinziehen, denn sie erstens recht unterhaltsam (siehe oben) und zweitens in thematische Blöcke aufgeteilt. So etwa wird die Befreiung des Sohns von Scheich Mohammed Emin in nicht weniger als drei Folgen abgehandelt. Auch die abschließende Verfolgung Baruds benötigt einen zusammenhängenden Block von 7 Folgen. Der Zuschauer hat es also mit drei großen Blöcken zu tun, so dass er sich das Ansehen gut einteilen kann.

Ich fand sowohl die Serienhandlung als auch die heutige Präsentationsform mehr als zufriedenstellend. Diese DVD-Box bietet wahrlich Gelegenheit, alte liebgewonnenen Schätzchen aus der Jugend wieder zu genießen. Die kleinen Abstriche am Ton und an den 1 Prozent der Bilder nahm ich gerne hin. Zum Ausgleich genoß ich das umfangreiche und unentbehrliche Booklet sowie das lange Interview mit Hauptdarsteller Karl-Michael Vogler.

Dass so viel Qualität auch Aufwand bedeutet und dieser Aufwand bezahlt sein will, versteht sich von selbst. Deshalb ist der Preis der DVD-Box recht happig. Doch im Netz gibt es sie bestimmt schon günstiger.

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