Als Folge eines militärischen Experiments gerät die Erde aus ihrem Raum-Zeit-Kontinuum. Das Unvorstellbare ist Wirklichkeit geworden – alles organische Leben ist schlagartig vernichtet. Nur ein einziger Mensch scheint überlebt zu haben…

Filminfos

O-Titel: The Quiet Earth (Neuseeland 1985)
Dt. Vertrieb: Sunfilm
FSK: ab 16
Länge: ca. 91 Min.
Regisseur: Geoff Murphy („Freejack“, „Under Siege 2“, „Utu“, „Young Guns“ u.a.)
Drehbuch: Bill Baer/Bruno Lawrence u.a. nach dem gleichnamigen Roman von Craig Harrison
Musik: John Charles
Darsteller: Bruno Lawrence (Dr. Zac Johnson), Alison Routledge (Joanne), Peter Smith (Api), Norman Fletcher, Tom Hyde.

Handlung

Der Wissenschaftler Zac Hobson (Lawrence) wird eines Morgens von lautem Donner geweckt. Es ist genau 6:12 Uhr. Als er aus dem Haus geht, ist kein Mensch zu sehen: Alle sind wie vom Erdboden verschluckt. Die Radios und TV-Geräte schweigen. Die plötzliche Stille ist unheimlich. Allmählich begreift Zac: Das Experiment, ein Energiefeld um die Erde zu legen, ist fehlgeschlagen. Die Auswirkungen sind verheerend: leere Städte, abgestürzte Flugzeuge, verunglückte Autos, in denen die Passagiere und Fahrgäste fehlen. Ist er wirklich der letzte Mensch auf Erden?

Im Forschungszentrum, wo er gearbeitet hat, ist niemand mehr da, außer einer Leiche. Sie gehört Perrin, dem Leiter des Projektes Flash-Light, an dem Zac teilgenommen hat. Doch das Netz besteht weiterhin, und da das Universum instabil geworden ist, kommt es zu einer Art „Nachbeben“, bei der sich Dimensionen verzerren. Oder sind es Vorbeben?

Zac schreibt Botschaften an Plakatwände, sendet Radiosuchmeldungen, um herauszufinden, ob er als einziger überlebt hat. Er zieht in feine Häuser, ab und zu feiert er seine Existenz in Konsumorgien. Das Alleinsein führt ihn an den Rand des Verrücktwerdens. Er hält beispielsweise eine Rede vor Pappkameraden aus berühmten Persönlichkeiten der Welt: Als „Präsident dieser stillen Erde“ bekennt sich schuldig und steckt sich einen Gewehrlauf in den Mund. Statt dessen feuert er auf das TV-Gerät, das vom Videoband einen Wissenschaftler zeigt, der die „Forschung ohne Grenzen“ verteidigt. Zac hat das Gefühl, etwas wiedergutmachen zu müssen, aber wie?

Er macht sich auf den Weg, um Menschen zu suchen. Auf seiner Odyssee stößt er auf Leichen von Leuten, die offenbar erst im Augenblick der Katastrophe oder kurz danach starben. Die junge rothaarige Krankenschwester Joanne (Routledge) besucht sein Haus, das er in seiner Suchmeldung angegeben hat. Sie tun sich zusammen und suchen weiter. Der Maori Api, ein gewalttätiger Mann, fängt Zac in einer mit Autos gestellten Falle. Erst als er Joanne sieht, offenbart er seine friedlichen Absichten. Joanne weigert sich, zwischen ihm und Zac zu wählen, was Zac nicht gerade glücklich macht.

Schließlich finden sie gemeinsam die Wahrheit heraus: Wer zum Zeitpunkt des Experiments an der Schwelle zum Tod stand, hat die Katastrophe überlebt. (Was die Frage aufwirft, was Zac getan hat, um auf diese Weise zu überleben.) Als er feststellt, dass sich der Effekt am nächsten Tag um die gleiche Zeit, also 6:12 Uhr, wiederholen wird, belädt Zac einen Laster mit Dynamit. Während sich Api und Joanne lieben, jagt er die Versuchsanlage sowie sich selbst in die Luft.

Das ist aber nicht sein Ende. Er findet sich an einem Strand in einer anderen Dimension wieder. Eine Art Saturn geht auf. Ob es wohl auch hier Menschen gibt? Muss er auch hier für seine Schuld büßen?

Mein Eindruck

Im Jahr 1985 war dieser Film zum maßlosen Erstaunen seiner Macher der Streifen mit den siebthöchsten Einnahmen an der Kinokasse. Auch für Kenner der Szene ist das ein recht verblüffender Erfolg. Die Macher, so erzählt der Produzent Sam Pillsbury, waren jedenfalls der Überzeugung, sie hätten einen Flop produziert. Und auch in Neuseeland muss er ein ziemlicher Erfolg gewesen sein. Die eine Million Dollar Kosten amortisierten sich wohl. Pillsbury ist stolz darauf, dass er keinen einzigen digitalen Spezialkeffekt einsetzte. Dennoch bestechen die optischen Effekte, die er im seinem Kommentar haarklein erklärt, noch heute durch ihre Wirkung.

Für einen Zuschauer, der kein Neuseeländer ist, bedeutet der Film etwas ganz anderes als für einen Einheimischen. Uns scheint der Film nicht nur tatsächliches Geschehen zu erzählen, sondern die Katastrophe könnte genauso gut nur in Zacs Einbildung existieren, sozusagen eine Metapher für das Ende der Welt bilden. William Golding hat mit „Pincher Martin“ (Der Felsen des zweiten Todes) von einem Mann erzählt, der stirbt und dabei über hunderte von Seiten hinweg fantasiert und erinnert. Was nur zeigt, dass subjektiv erlebte Zeit sehr relativ ist. Zacs Fantasie besteht darin, eine Wiedergutmachung anzustreben, um die Schuld, die er auf sich durch seine Mitarbeit an der „Operation Flash-Light“ auf sich geladen hat, abzubüßen.

Für die meisten Neuseeländer ist der Streifen eine ganz konkrete Sache. Nicht deshalb, weil sie ihre eigene Städte Auckland und Hamilton als Kulisse wiederentdecken. Sondern vor allem deshalb, weil der kleine Film die Antiatomhaltung der kleinen Nation vertritt. Neuseeland ist eine atomwaffenfreie Zone. Das ist ein ziemlicher Affront gegen eine atomare Supermacht wie die USA. Vor diesem Hintergrund formuliert der Film einen Protest, der nicht nur daheim, sondern auch bei der Opposition in den USA gut ankam.

Das Ende der Welt ist gekommen, was dem atomaren Armageddon entspricht, das weltweit zwischen den beiden Supermächten erwartet wurde, nachdem die USA und die NATO heftig aufgerüstet hatten (der Nachrüstungsbeschluss der Bundesregierungvon 1982 rief eine Protestbewegung ins Leben, die zu Besetzungen von NATO-Raketenbasen in der BRD aufrief – Heinrich Böll nahm daran teil und die Gründungsmitglieder der Grünen Partei). Das kleine Neuseeland, irgendwo dort unten am Rand der Welt gelegen, wird bei Operation Flash-Light von den Amerikanern hintergangen. Das Energienetz, an dem die Kiwis teilnehmen, soll die Erde umspannen. Nimmt man nun den neuseeländischen Baustein aus dem Netz heraus, wie Zac es am Ende tut, muss das Netz zusammenbrechen (oder etwas völlig anderes passiert). Im Film zeigen die Kiwis den großmächtigen Amis metaphorisch den Finger.

Die Entwicklung der Figuren

Der Film besteht aus drei Akten: 1) Zac allein, 2) Zac und Joanne, dann 3) Zac mit Joanne und Api. Die psychologische Entwicklung dieser Figuren ist recht interessant und spiegelt die soziale Struktur der Kiwi-Inseln wider. Zac ist zunächst der weiße Eroberer, als einziger Überlebender kann er Gott spielen, allerdings mit einem mächtigen Schuldkomplex. (Er schießt Jesus vom Kreuz herab und setzt sich an seine Stelle.) Im zweiten Akt kann er sein Elend mit Joanne teilen, die seine Geliebte wird. Sie spielen ein weißes bürgerliches Ehepaar (Joanne spricht französisch), doch er verschweigt ihr, dass er selbst mitschuldig ist an der Katastrophe.

Im dritten Akt spitzt sich die Lage für Zac erheblich zu. Kaum taucht ein Mann auf, geht schon das übliche Rivalitätsgehabe los. Natürlich wollen beide Joanne für sich haben. Api ist zudem ein Ureinwohner und muss gegen den weißen Eindringling einen Hass haben. Dadurch kommen die Rassenvorurteile zum Tragen, die sowohl Maoris gegen die weißen Eroberer, die pakias, als auch die weißen Männer gegen Maori-Männer hegen. Zweimal nennt Api Zac einen Lügner, und damit hat er völlig Recht.

Zac spielt sich in einer Szene als Boss auf, doch Api macht ihm klar, dass sich die Spielregeln geändert haben. Zudem stehen Maori-Männer im gleichen Ruf, der schwarzen Männern im amerikanischen Süden anhaftet: dass sie potente Machos seien. Als also Joanne nicht zu Zac, sondern zu Api in den Wagen steigt, so gewinnt der Macho. Zac gibt Joanne verloren und plant seine Selbstvernichtung, die zugleich seine Buße sein soll.

Kurz bevor dies passiert, sehen wir eine interrassische Liebesszene, die unter den Kiwis für einiges Aufsehen gesorgt haben dürfte. Bekanntlich sind überall der Welt sexuelle Begegnungen zwischen verschiedenen Rassen höchst tabu. Noch Mitte des 20. Jahrhunderts sollen Schwarze für das Betrachten einer weißen Frau gelyncht worden sein. (Man höre sich einmal Billie Holidays Lied „Strange Fruit“ an.) Hier wagt sich der Regisseur Geoff Murphy recht weit vor.

Die Inszenierung

Für eine Million Dollar konnte der Produzent nicht sowohl gute Effekte und Mitarbeiter als auch erstklassige Schauspieler bekommen. Die einheimischen Schauspieler sind also nicht gerade erste Sahne, obwohl sie sich redlich bemühen, glaubwürdig zu agieren. Der Hauptdarsteller Bruno Lawrence, der inzwischen an Lungenkrebs gestorben ist, spielte mit dem Regisseur in einer Rockband, ebenso wie der zweite Produzent. Obwohl sie nicht die Hauptrolle spielt, ist Alison Routledge doch stets eine Augenweide: Allein schon ihre flammendrotes Haar lässt sie in jedem Bild in den Mittelpunkt rücken. Pete Smith spielt den Macho mit einer bemerkenswerten Ernsthaftigkeit und betont die Maoriseite

Dass die Effekte billig waren habe ich schon erwähnt. Gedreht wurde hauptsächlich in einer ehemaligen Düngerfabrik, die sowieso abgerissen werden sollte. Bei der Inszenierung des abgestürzten Flugzeugs wurde die Fabrik ziemlich in Mitleidenschaft gezogen. Trotz all dieser Einschränkungen, die es bei James Cameron bestimmt nicht gegeben hätte, ist das Ergebnis eine spannender Zukunftsthriller, der nicht nach billigen Effekten hascht oder eine hanebüchene Story erzählt. Vielmehr legten die Verantwortlichen sehr viel Wert auf Integrität und eine realistische Darstellung – schließlich geht es ja beim Ende der Welt um eine relativ ernste Sache.

Das Drehbuch weicht zwar stark von der Romanvorlage ab, indem es die Frau schon im zweiten Drittel einführt, statt am Schluss, doch es kann nicht recht von den Klischees dieser Vorlage lösen und richtig originell werden. Pillsbury ist der erste, der zugibt, dass sie ihre Sache hätten noch etwas besser machen können. Aber der Film ist immer noch einer besten SF-Filme, die in den achtziger Jahren entstanden und die man sich trotzdem noch ansehen kann. Und wenn man über seine damalige Bedeutung Bescheid weiß (s.o.), sieht er sogar noch besser aus.

Die DVD

Technische Infos

Bildformate: 1,85:1 (anamorph)
Tonformate: D in DD 2.0 und DD 5.1, Englisch in DD 2.0 und 5.1
Sprachen: D, Englisch
Untertitel: D
Extras: Trailer, Audiokommentar des Produzenten Sam Pillsbury, Trailershow zu sechs aktuellen DVDs von EMS

Mein Eindruck: die DVD

Das Bild ist recht gut gelungen, doch der Ton hat das Remastering nicht so gut mitgemacht. Eine Stelle fiel mir auf, an der die Geigen des Score äußerst zittirg klingen. Zum Glück blieb es bei dieser einen Stelle.

Der Audiokommentar des Produzenten ist das einzige nennenswerte Extra, und diese Informationen habe ich einfließen lassen. Pillsbury kommentiert übrigens nicht die deutsche, sondern die englische Fassung, und das natürlich ebenfalls in Englisch. Deutsche Untertitel begleiten diese Fassung. Will man Pillsbury verstehen , ist der Zuschauer also gut beraten, seine besten Englischkenntnisse hervorzukramen. (Er spielt übrigens die Leiche auf dem grünen Auto.) Dass auch der Originaltrailer in englischer Sprache gezeigt wird, verwundert dann schon nicht mehr.

Unterm Strich

Mittlerweile gibt es eine Reihe von guten, bei Fans beliebten Science-Fiction-Filmen wie „Lautlos im Weltraum“, die sich durch ihre Neuausgabe auf DVD steigender Beliebtheit erfreuen. Auch die erste „Solaris“-Verfilmung gehört dazu, sowie hoffentlich bald auch Tarkowskijs „Stalker“ nach dem SF-Roman von den Strugatzkis. Zusammen mit „The Quiet Earth“ ist ihnen gemeinsam, dass sie eine überzeitlich gültige Aussage haben, die uns noch heute anspricht.

In „Quiet Earth“ zerstört die Wissenschaft die Erde und nur diejenigen Menschen überleben, die gerade in dieser Sekunde tot sind. (Daher kann der ganze Film auch Zacs Todesphantasie entspringen.) Das ist nicht nur ironisch, das ist makaber. Dennoch versucht der von den Amerikanern hintergangene Wissenschaftler, den Schaden wiedergutzumachen und das erneute Auslösen des tödlichen Effekts zu verhindern. Er spielt sozusagen innerhalb des Energienetzes von „Flash-Light“ den Sand im Getriebe.

Diese Rolle gefiel den Kiwis anno 1985, und uns gefällt sie noch heute. Die Urangst, der letzte Mensch auf Erden zu sein, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle (siehe auch „28 Days“). Und natürlich die Männerphantasie, wie es wäre, als letzter Mann mit der letzten Frau Adam und Eva zu spielen. Diese Fantasie wird natürlich ironisch behandelt. Um den Humor zu entdecken, braucht man aber ein gutes Auge.

„The Quiet Earth“ kann man sich zwei-, dreimal ansehen, aber dann wird etwas langweilig, nämlich vorhersehbar. Dennoch gibt es immer wieder starke Bilder, die leider nur ansatzweise verwirklicht wurden. Mit mehr Geld und zeit hätte der Film ein wirklicher Megahit werden können. Stat dessen ist es ein Kultfilm für Kenner geworden.

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