Paul Newman und Julie Andrews spielen die Hauptrollen in dieser klassischen Story über internationale Spionage hinter dem eisernen Vorhang. Newman spielt den weltberühmten Wissenschaftler Michael Armstrong, der gemeinsam mit seiner Verlobten und Assistentin Sarah Sherman einen internationalen Kongress über Physik in Kopenhagen besucht. 

Während ihres Aufenthaltes erhält Sarah eine für Armstrong bestimmte Nachricht, die in ihr die Vermutung weckt, dass er sich nach Ostdeutschland absetzen will. Als Armstrong schließlich „überläuft“, um streng geheime Informationen herauszufinden, wird das Paar in eine rasende Verfolgungsjagd mit feindlichen Agenten verwickelt. (Verleihinfo)

Filminfos

  • O-Titel: Torn Curtain (USA 1966)
  • Dt. Vertrieb: Universal
  • VÖ: 5. September 2013
  • ASIN: B00DPQP02E
  • FSK: ab 12Länge: ca. 128 Min.
  • Regisseur: Alfred Hitchcock
  • Drehbuch: Brian Moore
  • Musik: John Addison (ursprünglich Bernd Herrmann)
  • Darsteller: Paul Newman (Michael Armstrong), Julie Andrews (Sarah Sherman), Wolfgang Kieling (Gromek), Hansjörg Felmy (Stasimann Gerhard), Günther Strack (Prof. Karl Manfred), Lila Kedrova (Gräfin Kuchinska), Tamara Toumanova (Ballerina), Ludwig Donath (Prof. Lindt) u.a.

Handlung

An Bord eines Kreuzfahrtdampfers, der von Norwegen nach Kopenhagen unterwegs ist, hat sich ein ganzer Physikerkongress versammeln. Alle frieren, denn die Heizung ist ausgefallen. Alle? Nein, ein trautes Pärchen hat sich unter Bettdecken vergraben und wärmt sich aneinander. Anhand der Namensschilder, die alle Kongressteilnehmer tragen, sind sie leicht identifizieren: Prof. Mike Armstrong und seine Sekretärin und Verlobte Sarah Sherman. Als ein Matrose ein Telegramm für Armstrong abgeben will, lehnt dieser ab. Es müsse sich um einen Irrtum handeln. Später, als Sarah außer Hörweite ist, fragt er in der Funkbude danach und schreibt sogar eine Antwort. Er verbirgt etwas. Was kann es sein?

Auch im Hotel L’Angleterre in Kopenhagen verhält sich Armstrong sonderbar. Sarah bemerkt, wie er ein Flugticket einsteckt und dann das Buch, das sie für ihn aus einer Buchhandlung geholt hat, nicht zur Garderobe bringt, wie er sagt, sondern auf die Herrentoilette. Als er mit ihr im Tivoli Kaffee trinkt, sagt er, er müsse nach Stockholmreisen. Sie aber solle zurück in die USA. Beim Concierge erfährt sie, dass der Bestimmungsort seines Fliegers nicht Stockholm ist, wie er sagte, sondern Ost-Berlin ist – hinter dem Eisernen Vorhang! Ohne ihn um Erlaubnis zu bitten, setzt sie sich in das gleiche Flugzeug. Als er sie entdeckt, will er, dass sie gleich nach der Landung verschwindet. 

Die Sache wird für Sarah noch mysteriöser, als ein Empfangskomitee nicht die mitgereiste Ballerina knipsen will, sondern Professor Armstrong. Auf dem Flughafen findet sogar eine internationale Pressekonferenz statt, und die Staatssicherheitspolizei der DDR nimmt Armstrong in Empfang: erst ein freundlicher Herr Gerhard (Felmy), dann ein Mann im Ledermantel namens Gromek (Kieling). Von Sarahs Anwesenheit ist man hingegen allseits leicht verwirrt. Sie war nicht eingeplant. 

Alles deutet für Sarah darauf hin, dass ihr Zukünftiger ein Verräter ist. Er will den Ostdeutschen – und damit den kommunistischen Russen – Informationen über das Antiraketenprogramm übergeben, an dem er beteiligt war. Diese Infos will er nur Professor Lindt an der Uni Leipzig mitteilen. Sarah ist schockiert, ratlos und sehr enttäuscht. 

(2. Teil )

Doch alles ist nur Tarnung. In welche Gefahr sich der Amateurspion Armstrong begibt, um auch Sarah zu schützen, erfahren wir nun. Sobald er das Hotel Berlin verlässt, beschattet ihn Gromek, der Stasi-Mann fürs Grobe. Doch Armstrong hängt ihn in der Berliner Nationalgalerie ab und besteigt ein Taxi, das ihn aufs Land fährt. Auf einem Bauernhof ritzt er mit seiner Schuhsohle den griechischen Buchstaben Pi in den Sand vor der Haustür – ein verabredetes Erkennungszeichen. Daraufhin verrät ihm die junge Bäuerin, wo er seinen Ansprechpartner finden kann: draußen auf dem Acker. Der Treckerfahrer ist ein amerikanischer Profi-Spion (Mort Mills), der Armstrong einen Kontakt in Leipzig gibt.

Armstrong hat vor, in leipzig eine wichtige Formel von Professor Lindt zu stehlen und zurück in den Westen zu bringen. Damit das alles gelingt, darf seine Tarnung keinesfalls auffliegen und er muss die Dienste der Fluchthelferorganisation Pi, mit der er nun spricht, in Anspruch nehmen. Er ist wieder zurück im Bauernhaus, als Gromek auftaucht. Der Stasi-Killer hat ihn durchschaut und will ihn der Volkspolizei melden. Es kommt zu einer brutalen Auseinandersetzung…

Mein Eindruck

In der Tat ist es diese brutale Gewaltszene, die den emotionalen Spannungshöhepunkt des zweiten Aktes bildet. Hin und her wogt der Kampf bis aufs Messer, denn Gromek hat sein Handwerk offenbar wirklich in New York City gelernt, wie er immer behauptet. Sein Ende in einem Gasofen ist nicht nur äußerst langgedehnt, sondern erinnerte die deutschen Zuschauern auch an die – bis zum Auschwitz-Prozess Verdrängte – Vergasung von Millionen Juden und anderen Opfern. Die wichtigste Geste, die Gromek immer macht, ist das Anzünden seines Feuerzeugs – es versagt bei ihm immer den Dienst, nicht jedoch bei Armstrong. 

Feuer

Rauch und Feuer sind die zentralen Metaphern des Films, und Rot ist die Farbe, die dafür reserviert ist. Nahezu alle nebensächlichen Gegenstände, die in der DDR zu sehen sind, tragen die Farbe Rot: von Kiosken über Blumen, Theaterteppiche und Gromeks Blut bis zur Perücke des Bühnenarbeiters Hugo. Der Höhepunkt ist die Ballettaufführung von „Francesca da Rimini“, bei der die Flammen der (künstlichen) Hölle hochschlagen und schließlich so Armstrong auf die Idee bringen, „Feuer!“ zu rufen. In der nachfolgenden Panik gelingt es ihm und Sarah, ihren Häschern zu entkommen. 

Hitchcock hat angegeben, er habe den ganzen Film mit einer Kamera aufgenommen, vor deren Objektiv eine Gazeschicht gespannt war. Daher erscheint das Rot nicht ganz so grell – aber der Rest des Bildes wirkt manchmal stumpf. Fast alle Großaufnahmen von Julie Andrews wirken wie mit einem Weichzeichner aufgenommen – auch in der HD-Qualität der Blu-ray. Außerdem fiel mir auf, dass der Hintergrund verschwimmt, während der Vordergrund meist gestochen scharf erscheint. So erhält die Action eine theatralische Qualität.

Inferno

Es kann beim Zuschauer nach dieser Szene kaum einen Zweifel geben, dass sich der kommunistische Ostblock mit Dantes „Inferno“ gleichsetzen lässt: Es ist im übertragenen Sinn die „Hölle auf Erden“. (Die Darsteller sagen im Original mehrere Male „hell“.) Die Häscher sind dem Paar ständig auf den Fersen, bis diese nach immer miserabler werdenden Fortbewegungsmitteln schließlich in sargähnliche Kostümkoffer und von dort in die kalten Wasser der Ostsee stürzen müssen. Kein Zweifel: Dies ist der Fluss Styx, der das Land der Lebenden von den Ebenen des Infernos trennt. Dass bei Dante die Hölle eiskalt ist, störte Hitchcock nicht: Das – geistig-seelische – Klima mag im Ostblock ja kalt sein, aber seine Darstellung darf es nicht sein. 

MacGuffin

Armstrong steigt wie Orpheus in der Sage in die Unterwelt hinab, doch was er findet, ist erstens der MacGuffin, die Geheimformel von Prof. Lindt, und zweitens, viel wichtiger, Sarahs Herz. Während der MacGuffin keine weitere Rolle mehr spielt außer als das immaterielle Objekt, dem alle nachjagen, so ist Sarah doch wesentlich realer. In der ersten Hälfte des Film weiß sie nicht, woran sie mit Armstrong ist, aber in der zweiten dann umso besser. 

Dieser Wechsel des Wissens entspricht dem titelgebenden Vorhang, der zerrissen wird. Der Wendepunkt dafür ist die (stumme) Dialogszene auf dem Hügel: Wir sehen nur durch die Augen von Karl Manfred (Strack), wie Sarah quasi durch Michaels Worte von ihren Qualen der Ungewissheit erlöst wird. Fortan folgt sie ihm bereitwillig durch Dick und Dünn. 

Zyklisch

Schade, dass diese zweite Hälfte in emotionaler Hinsicht suboptimal gestaltet ist. Dafür ist der Drehbuchautor Brian Moore, ein damals angesagter britischer Romancier, verantwortlich. Er bedient sich der erprobten Handlungsform, wonach der meist verkannte Protagonist auf die Suche nach Wahrheit und Wissen geht und schließlich zu sich – und dem Mädchen – zurückfindet. Während dieses zyklischen Verlaufs entlastet er sich selbst, bringt die Gegner zur Strecke/zur Gerechtigkeit – hier leider nicht – und triumphiert am Schluss. (Vgl. dazu „Die 39 Stufen“, „North by Northwest“, „Foreign Correspondent“ und viele mehr.) Dass der Film nicht mal die Hälfte dieses Pakets liefert, enttäuschte das Publikum, die Kritiker und nicht zuletzt Hitchcock selbst. 

Die Hauptdarsteller

Nicht zuletzt scheinen daran die beiden Hauptdarsteller schuld zu sein. Sie sind beide Stars ihrer Zeit und offenbar drückte das Universal-Studio diese beiden „hot tickets“ Hitchcock aufs Auge. Dem war ihre hohe Gage zuwider. Paul Newman erscheint mir zu jung, um einen Atom- und Raumfahrtphysiker verkörpern zu können. Der Zuschauer hingegen fragt sich, warum eine SÄNGERIN, die als das zaubernde Kindermädchen „Mary Poppins“ aufgetreten war, die Frau eines Actionhelden mimen sollte. Ständig darf sie nur verwundert oder verletzt dreinschauen. 

So ist die Figur der Sarah von vornherein in einer unterlegenen Position. Sie fragt ihn, wie ihre Zukunft wohl aussehen werde und verkriecht sich mit ihm unter den wärmenden Decken an Bord der MS „Meteor“ (ein weiteres Feuersymbol), wo die Heizung ausgefallen ist. Dass ihre zyklische Reise in die Unterwelt der DDR wieder unter Decken enden würde, hätte Sarah sicher nicht erwartet. Aber das macht nichts, denn nun hat sie „ihren“ Michael für sich. 

Orpheus und Eurydike

Die Kritik an Andrews wie auch an Newman ist indes ungerechtfertigt. Sie machten nur ihren Job, so wie Hitchcock ihn ihnen vorgab. Dass Newman in 90 Prozent des Films nichts zu tun hat außer misstrauisch und abweisend dreinzuschauen, ist nicht seine Schuld, sondern die des Drehbuchs und des Regisseurs. Auf den Fotos, die ihn zusammen mit Hitchcock zeigen, lacht Newman und wirkt sehr sympathisch. 

Newmans Rolle ist die eines Orpheus, der allerdings die umgekehrte Rolle als in der Sage spielt. Der klassische Orpheus beteuert den Totenwächtern, er wolle nicht die Geheimnisse der Unterwelt stehlen, sondern bloß seine Frau Eurydike zurückhaben. Der moderne Orpheus, Armstrong, will jedoch genau diese Geheimnisse stehlen; Eurydike/Sarah ist sozusagen der Bonus, aber nur weil sie sich weigert, ihn zu verlassen. Sarah erscheint nun als Orpheus, der die Hölle hinterm Eisernen Vorhang betreten muss, um ihn zu retten. 

Ironischerweise spielen in der Ballettszene Dantes Paolo und Francesca genau dieses Paar, so dass Armstrong nicht umhin kann, sich und Sarah im Inferno zu erblicken. Und es gibt auch einen Charon: Es ist der rothaarige Techniker Hugo, der für die Dinge unter der Bühne zuständig ist, das Paar in Körbe steckt und mit dem Schiff über den Styx der Ostsee schippert. Dass er keine negative Rolle, erweist sich in letzter Sekunde, bevor das Paar den rettenden Boden von Schweden erreichen kann… 

Den einzigen beeindruckenden Auftritt liefert Lila Kedrova als polnische Gräfin Kuchinska, die unbedingt „Sponsoren“ für die Ausreise nach Amerika haben möchte. Das ist nun richtige Schauspielkunst! Der Film setzt dieser vergessenen französischen Schauspielerin, die in „Alexis Sorbas“ reüssierte, ein Denkmal. 

Die Blu-ray

Technische Infos

  • Bildformat: 16:9 – 1.77:1
  • Sprache: Russisch (DTS 2.0 Surround), Japanisch (DTS 2.0 Surround), Italienisch (DTS 2.0 Surround), Deutsch (DTS 2.0 Surround), Englisch (DTS HD (!) 2.0 Mono), Portugiesisch (DTS 2.0 Surround), Französisch (DTS 2.0 Surround), Spanisch (DTS 2.0 Surround) 
  • Untertitel: Deutsch, Englisch, Portuguese Brazilian, Dänisch, Finnisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Niederländisch, Norwegisch, Russisch, Schwedisch, Spanisch 
  • Extras:
    • Filmkommentar „Der zerrissene Vorhang hebt sich“ (32:25 min)
    • Szenen mit der Musik von Bernard Herrmann (14:33 min)
    • Produktionsfotos (22:00 min)
    • Originaltrailer (2:55 min)

Mein Eindruck: die Blu-ray

Die Qualität des restaurierten Bildes ist ausgezeichnet. Nur in Großaufnahmen von Julie Andrews wirken die Bilder wie mit einem Weichzeichner aufgenommen – auch in der HD-Qualität der Blu-ray. Außerdem fiel mir auf, dass in Szenen mit breitem Bühnenbild der Hintergrund verschwimmt, während der Vordergrund meist gestochen scharf erscheint. So erhält die Action eine theatralische Qualität.

Der Ton liegt nur in der englischen Originalfassung in wirklich guter HD-Qualität vor, wenn auch in Mono. Alle anderen Fassungen haben zwar den DTS-Standard, aber nicht HD, liegen aber dafür in Surround-Qualität statt in Mono vor. Das sind schon kuriose Unterschiede.

EXTRAS

  1. Filmkommentar „Der zerrissene Vorhang hebt sich“ (32:25 min): Dieser Filmkommentar von Laurent Bouzereau wird von Trev Broudy erzählt. An keiner Stelle wird die halbe Stunde langweilig…

    Sein 50. Film bedeutet für Hitch einen Neuanfang: Sein Ausstatter Burks und sein Cutter Tomasini waren gestorben, er ersetzte seinen Komponisten Bernard Herrmann durch John Addison, der für „Tom Jones“ einen OSCAR erhalten hatte. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Anders als der Flop „Marnie“, der heute als Klassiker gilt, wurde „Torn Curtain“ an der Kinokasse ein Erfolg. 

    Das größte Problem, mit dem Hitch, Newman und viele andere zu kämpfen hatten, war das humorlose Drehbuch. Denn Humor war für AH unabdingbar, um die Anspannung durch „suspense“ auszugleichen. Nur beides zusammen funktioniert. Durch den Part der Ballerina konnte er aber Situationskomik einbauen. 

    Eigentlich wollte AH in Polen drehen, aber ein Pole riet ihm davon, und so wurde die Handlung nach Ost-berlin und Leipzig verlegt. Die Hintergründe, die mitunter etwas unscharf wirken, sind Matte-Paintings – oder „process shots“, also Studioszenen mit eingeblendetem, bewegtem Hintergrund. 

    Mordszene

    Der Mord an Gromek ist von entscheinder Bedeutung sowohl für die Story (fortan ist Armstrong als Scheinüberläufer enttarnbar und als Mörder verfolgbar) wie auch für die Dramaturgie: Sie ist der Auftakt zum 2. Akt und beantwortet dem bis dahin rätselnden Zuschauer die Frage, welches Spiel Armstrong eigentlich spielt. Andererseits muss ein Mord bei AH einfach sein. 

    Gromek macht es seinen beiden Amateurmördern weiß Gott nicht leicht (und das verwundert eigentlich bei einem ausgebildeten Killer): Sie müssen ihn mit Haushaltsgegenständen außer Gefecht setzen und schließlich im Gasherd ersticken. Mit dieser ausgefeilt choreografierten Szene wollte AH seinen kritikern entgegenhalten, dass all diese wohlfeilen Morde in den modischen Agetenthrillern völlig unglaubwürdig seien. Mord ist Schwerstarbeit und sehr emotional. Sowohl Herrmann als auch Addison schrieben Musik für die Szene, und im Kommentar wird sie jeweils eingespielt – AH ließ beide Musiken weg. 

    Deleted Scene

    In einer geschnittenen Szene, die in einem Landlokal spielen sollte, trat Gromeks älterer Bruder auf – zusammen mit einem jener langen Messer, mit dem Gromek (beinahe) getötet wurde. Wir erfahren, dass Gromek drei Kinder hatte, also durchaus ein „normaler Bürger“ war. Durch den Auftritt von Gromeks Bruder wirkt nun aber Gromek sehr sympathisch, Armstrong aber sehr unsympathisch. Deshalb wurde die Szene entfernt. 

    Geänderter Schluss

    Ursprünglich sollte Armstrong den Zettel mit der Geheimformel, die er Prof. Lindt abgeluchst hatte, vernichten. Aber das hätte den Zuschauer frustriert, der sich gefragt hätte, wozu denn dieser Zettel – der MacGuffin – und die ganze Verfolgungsjagd gut gewesen seien, wenn Armstrong ihn eh nicht brauchte. Der romantische Schluss wirkt auch viel passender, denn er schließt den Kreis: Die Turteltäubchen kuscheln wieder unter den Decken, genau wie am Anfang. 

    Das Ballett

    Die Ballettszene wurde von Hein heckroth ausgestattet und inszeniert, der schon für das Ballett von „Die roten Schuhe“ (OSCAR) verantwortlich gezeichnet hatte. Diese Szene entspricht dramaturgisch haargenau dem Konzert in der Royal Albert Hall, das für den „Mann, der zuviel wusste“, so dramatisch endet. Doris Day schrie dort, nun schreit Paul Newman. Für Hitch war Selbstplagiat keine Sünde, sondern Stil. 
  2. Szenen mit der Musik von Bernard Herrmann (14:33 min): „Psycho“ und „Vertigo“ wären ohne Bernard Herrmanns Musik undenkbar, aber bei „Torn Curtain“ beendete Hitchcock seine Zusammenarbeit mit dem erstklassigen Komponisten und ersetzte ihn durch John Addison. Dieser schrieb einen flotteren Score, der sogar den Vorspann mit einem Marschrhythmus unterlegte. 

    Bernard Herrmanns Musik lässt sich nun in acht Szenen inkl. Vorspann bewundern. Sie wirkt gegenüber Addison düster und melodramatisch, stark an „Psycho“ orientiert. Dadurch passt sie ausgezeichnet zur Mordszene, aber wenig zu den Szenen, die rätselhaft, romantisch oder alarmierend wirken sollen. 
  3. Produktionsfotos (22:00 min): Diese selbstablaufende Diaschau zeigt 134 Fotos in Schwarzweiß und Farbe. Zu sehen sind Newman, Andrews und Hitchcock sowie Kombinationen dieses Trios. Anscheinend war dies Hitchs 50. Film, denn mehrere Fotos zeigen seine Feier dieses Fakts. 

    Zu meiner Überraschung ist auch eine Szene zu sehen, die in der Endfassung des Films nicht auftaucht. Es dreht sich dabei um die Übergabe eines Messers und einer Gurke, wie mir scheint. Dass die Szene unnötig ist, leuchtet angesichts der Maschinenpistolen der Vopos ein, gegen die ein Armstrong mit Messer keine Chance hätte. Ein weiterer Grund: Durch den Auftritt von Gromeks Bruder wirkt Gromek sympathisch, Armstrong aber unsympathisch.
  4. Originaltrailer (2:55 min): Das Motiv des Zerreißens und Zerschneidens wird im reißerischen Trailer mehrfach bemüht, doch die Geschichte des Films bleibt unverständlich. Der vierfarbige Trailer reiht nur Effekt an Effekt aneinander, ohne eine Geschichte zu erzählen. 

Unterm Strich

Obwohl dieser Film es nur stellenweise schafft, den Zuschauer zu rühren, so lässt er sich doch auch als intellektuelle Übung würdigen. Um die zentrale Mordszene herum sind die drei Akte des Films angeordnet, um die Handlung in einem Kreis zyklisch zu vollenden. Vor der Szene wundert sich der Zuschauer – und mit ihm die nichtsahnende Sarah -, warum Armstrong zu den Kommunisten überlaufen will. 

Danach wird klar, dass er es auf eine Geheimformel abgesehen hat, mit der er schnellstens wieder außer Landes gelangen muss. Dass Sarah stets an seiner Seite ist, hat weniger mit Armstrong mythischer Rolle als Orpheus in der Unterwelt zu tun, als vielmehr damit, dass der Film eine Augenzeugin braucht, die unseren Standpunkt vertritt – und ein „love interest“, an dessen Behandlung und Schutz sich Armstrongs Menschlichkeit und Aufrichtigkeit erweisen muss. 

Am Anfang und Am Ende findet sich das Paar unter schützenden Decken: Wärme und Feuer spielen eine zentrale Rolle in diesem durchkomponierten Film, und die Farbe Rot muss ständig dem absichtlich dem per Gaze-Schirm vorm Kameraobjektiv herbeigeführten Grau und Schwarz der Hölle hinterm Eisernen Vorhang trotzen. 

Das Herz des Zuschauers sehnt sich geradezu nach Primärfarben, ganz egal welche. Doch die sind nur im Kontext von Ballett und Theaterkostümen zu finden – die Welt jenseits des Eisernen Vorhangs ist grau, nur die Kunst ist hell und leuchtend. Man kann sich lebhaft vorstellen, dass die Bewohner der DDR, bedeckt vom Ruß der Fabriken, beäugt von grauen Uniformen, sich nach solchen Primärfarben sehnten. Was sie dann nach 1990 bekamen, waren vor allem schöne Worte (Kohl und Konsorten), schöne Scheine (die D-Mark), schöne Blätter („Super-Illu“) und schöne Autos, die sie sich nicht leisten konnten. 

Trotzdem oder gerade deswegen war Hitchcocks Film vor allem hinterm Eisernen Vorhang bis 1990 ein großer Erfolg. Seit 1990 wirkt der Film eher wie ein quasi-historisches Dokument. 

Die Blu-ray

Die Blu-ray wartet mit einem restaurierten guten Bild auf, wobei aber die sonderbar weichgezeichneten Großaufnahmen von Julie Andrews erstaunen. Der Ton ist besonders in der englischen Originalfassung von ausreichender Qualität, denn diese bietet als einzige Tonspur HD-Qualität, wenn auch in Mono. Alle anderen Tonspuren bieten DTS Surround. 

Wie alle Blu-rays in der aktuellen Hitchcock-Collection weist auch hier das Bonusmaterial einen erläuternden Filmkommentar auf, der ein Making-of ersetzen soll. Die nicht verwendete Musik Bernard Herrmanns zu hören, ist nicht wirklich erhellend. Alle 134 Produktionsfotos zu betrachten, erfordert Sitzfleisch. Der Trailer erscheint heute in seiner Effekthascherei übertrieben und unglaubwürdig. 

Kurzum: Nur eingefleischte Hitchcock-Fans sollten sich diesen Streifen ansehen. Für diese hält er aber einige Leckerbissen bereit. 

Mima2016: 3 out of 5 stars (3 / 5)

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