Das 3rd Free Independent Film Weekend ist vorbei. Zeit über die dort gezeigten Filme zu sprechen. Da mehr als 100 Filme gezeigt wurden und ich keinen Beitrag mit mehr als 100 Rezensionen veröffentlichen will, habe ich die Reviews in kleinere Blöcke und die Reihenfolge meiner Sichtung gesplittet. Über die nächsten Tage werden also mehrere Beiträge mit Review zu Filmen des Festivals erscheinen.

#1: Unhappy (Originaltitel: Unhappy / Jahr: 2021 / Regie: Thomas Goersch / Laufzeit: 17 Minuten)

Unhappy ist kein leichter Film und Unhappy ist ein kontroverser Film. Kontrovers nicht etwa weil der Film schockierende Szenen zeigt, sondern kontrovers weil mein Gefühl mir sagt, dass Thomas Goersch in seine Filmfigur Marc Berger gesteckt hat. Ob dem wirklich so ist vermag nur Autor und Hauptdarsteller Goersch beantworten, doch egal wie die Antwort auf die Frage aussehen mag, Goersch schafft es Berger viel Emotion zu verleihen. Obwohl wir hier quasi nur einen Monolog zu sehen bekommen berührt dieser den Zuschauer und man fühlt mit Figur Berger, wenn er erzählt, dass er nie geliebt wurde, dass sein Leben alles andere als schön war. Über die Heimkinooptik und das nicht immer perfekte Englisch von Goersch muss man dabei hinwegsehen und sich wirklich auf den Monolog einlassen. Dann bekommt man einen berührenden kleinen Film!

Gnislew: 3 out of 5 stars (3 / 5)

#2: Steppe Man (Originaltitel: Çölçü / Jahr: 2012 / Regie: Shamil Aliyev / Laufzeit: 80 Minuten)

Filme aus Aserbaidschan schaut man auch nicht alle Tage. Mit Steppe Man ist mir dieses Kunsstück nun gelungen und einen Film gesehen, der durchaus seine Stärken hat, trotz nur 80 Minuten Laufzeit allerdings auch seine Längen hat. Im Grunde erleben wir eine etwas andere Coming-Of Age Geschichte, in der mal nicht ein Teenager im Mittelpunkt steht, sondern ein Erwachsener Mann. Vielleicht werden dabei die Kamele des Mannes einmal zu oft gezeigt und ohne die Kamelaufnahmen wäre der Film gefühlt 10 Minuten kürzer gewesen, am Ende steht aber unter dem Strich ein Filmausflug in ein unbekannteres Land an, der solide, aber nicht herausragend ist.

Gnislew: 2.5 out of 5 stars (2,5 / 5)

#3: Portae Infernales (Originaltitel: Portae Infernales / Jahr: 2019 / Regie: Philip Lilienschwarz, Markus Wimberger, Herbert Gantner / Laufzeit: 156 Minuten)

Eine Horror-Anthologie aus Österreich? Kann das klappen? Portae Infernales zeigt, dass es klappen kann, wenn auch die drei Filme in ihrer Qualität absteigend sind. Inhumanity, das erste Segement des Films, ist dabei das stärkste Segment. Fast philosophisch wird über die Lust am töten geredet, während man selbst gerade die Liebe entdeckt und was Alexander Donesch hier in seiner Rolle abliefert ist schon stark. Auch das zweite Segment, Die Bruderschaft des östlichen Tores, ist noch solide und sehenswert. Ganz langsam steuert der Film auf seinen Höhepunkt zu, spielt geschickt die Psychologiekarte aus und liefert auch bei den Splattereffekten ab. Mit Agonia wird die Anthologie dann allerdings etwas unbefriedigend abgeschlossen. Die Rape and Revenge Geschichte verlässt sich zuviel auf rohe Gewalt und schockierende Szenen ohne die Charaktere einzuführen und zu entwickeln, weswegen das Segment wie billiger Tortureporn wirkt. Gewalt in Horrorfilmen ist für mich ja kein Tabu, aber bitte nicht nur um Gewalt zu zeigen. Trotz des kleines Wehrmutstropfen mit dem finalen Segment bleibt Portae Infernales ein sehenswerter Genrevertreter. Fans können einschalten.

Gnislew: 3.5 out of 5 stars (3,5 / 5)

#4: Blinder Himmel (Originaltitel: Blinder Himmel / Jahr: 2020 / Regie: Markus Baumeister / Laufzeit: 29 Minuten)

Ein Autounfall verändert das Leben einer jungen Frau für immer. Und Blinder Himmel nimmt den Zuschauer alleine mit dieser kleinen Prämisse auf eine Tour de Force. Die Stimmung ist von Beginn an bedrückend und dies obwohl der Film am hellen Tag spielt. Ungewöhnlich und gewagt für einen Horrorfilm, aber bei Blinder Himmel funktioniert es wunderbar. Man fiebert mit der jungen Frau jede Minute mit und will verstehen, welch eigenartiges Wesen sie am Himmel sieht. Blinder Himmel zeigt wie deutscher Independent-Horrorfilm funktioniert. Anschauen.

Gnislew: 4 out of 5 stars (4 / 5)

#5: Dirty Dirty (Originaltitel: Dirty Dirty / Jahr: unbekannt / Regie: Vesyee / Laufzeit: 12 Minuten)

Dirty Things sind Geister die Unglück bringen. Ein Mädchen sieht so einen Geist und freundet sich mit ihm an. Doch Unglück scheint der Geist nicht wirklich zu bringen. An und für sich eine schöne Storyidee, leider nicht packend genug inszeniert. Um einen Blick auf das Independent Kinos aus Malaysia so bekommen ist der Film aber durchaus einen Blick wert.

Gnislew: 2.5 out of 5 stars (2,5 / 5)

#6: Das Haus (Ein experimenteller Albtraum) (Originaltitel: Das Haus (Ein experimenteller Albtraum) / Jahr: unbekannt / Regie: Stefan Sierecki / Laufzeit: 7 Minuten)

Der Titel verrät schon ein wenig, was einen in diesem Film erwartet, nämlich ein Filmexperiment. Für mich allerdings ein gescheitertes Experiment. Die Geschichte um die Familie die in den Wald sieht um ein sorglosen Leben zu führen packt nicht, die Symbolik mit den Fischen wirkt irgendwie falsch und irgendwie wird man nicht in den Film hineingezogen, was so wichtig wäre für so ein Filmexperiment. Immerhin ist das Modellhaus schön gebaut worden.

Gnislew: 1 out of 5 stars (1 / 5)

#7: On Air (Originaltitel: On Air / Jahr: 2019 / Regie: Bastiaan Rook / Laufzeit: 17 Minuten)

Ein Radiomoderator bekommt „On Air“, also Live auf Sendung einen mysteriösen Anruf, der sein Leben komplett durcheinander wirbelt. Wer steckt dahinter? Und warum? Fragen, die der Moderator irgendwie versucht während der Sendung zu beantworten und dennoch nicht in Panik zu verfallen. Ein spannendes Thema, durchaus solide inszeniert, allerdings tut der eingestreute Humor durch eine verwirrte Anruferin und das Finale dem Film nicht gut. Das erstgenannten Element nimmt dem Film was die Spannung und das zweite Element lässt den Zuschauer etwas unbefriedigt zurück.

Gnislew: 2.5 out of 5 stars (2,5 / 5)

#8: Locomotion (Originaltitel: Locomotion / Jahr: unbekannt / Regie: Danny Tee / Laufzeit: 15 Minuten)

Ein Kinoangestellter ist völlig alleine in einem Multiplexkino und hört permanent die Geräusche eines fahrenden Zuges. Doch es gibt weder Gleise noch einen Zug weit und breit und so macht er sich auf der Suche nach dem Ursprung. Im Stil eines Stummfilms nimmt Regisseur Danny Tee, der hier auch die Hauptrolle übernommen, den Zuschauer auf eine bizarre Reise mit. Mich persönlich hat dabei der ständige Zugsound allerdings schnell genervt und es anstrengend gemacht der guten Idee zu folgen. Auch zieht Danny Tee seine Idee zu lang. 15 Minuten sind für diese Idee einfach mindestens fünf Minuten zu viel. Tolle Idee, unbefriedigend umgesetzt.

Gnislew 1.5 out of 5 stars (1,5 / 5)

#9: Memories at the end (Originaltitel: Memories at the end / Jahr: 2020 / Regie: Philip Brocklehurst, Jonathan Skye-O’Brien / Laufzeit: 7 Minuten)

Ein Telefongespräch zwischen einem Mann und einer Frau sind der Mittelpunkt dieses Kurzfilms. Die Frau sitzt in einem Park um sie herum tobt scheinbar ein Aufstand. Die Beiden reden über sich und ihre Zukunft. Auf den ersten Blick belanglos, auf den zweiten Blick, angesichts der vorherrschenden Umstände faszinierend. Irgendwie kann man mit den beiden Protagonisten fühlen, sich vorstellen, dass so ein Gespräch in irgendeinem Krisengebiet der Welt gerade genau so stattfindet. Kein perfekter Film. aber bewegende sieben Minuten.

Gnislew: 4 out of 5 stars (4 / 5)

#10: Feminization (Originaltitel: Feminization / Jahr: 2021 / Regie: Angela Mrad / Laufzeit: 7 Minuten)

Zwei Frauen treffen am Meer aufeinander. Sie reden über das Mutter sein. Dabei treffen sehr kontroverse Meinungen und Geschichten aufeinander. Angelea Mrad möchte aus meiner Sicht mit ihrem Film wachrütteln. Aufmerksamkeit für ein Tabuthema wie Abtreibung erzeugen. Doch dies gelingt nur bedingt. Zumindest mir als Mann viel es schwer mit in das Leiden und die Sorgen der Hauptfigur hineinzuversetzen. Vielleicht auch wegen der Sprachbarriere. Ich spreche kein Arabisch und habe zu wenig Leute diese Sprache sprechen gesehen und gehört um die Intonation und die Mimik zu deuten. Und tatsächlich können die Untertitel eben diese beiden Elemente nur zu Teilen auffangen. Ich bin mit sicher, dass die Originaltonspur genau die Aussage trifft, die die Regisseur tätigen wollte, nur leider konnte sie mich durch die Sprachproblematik nicht erreichen. Ja, man mag es unfair finden, dass ich darum eine schlechtere Wertung gebe, liegt das Problem doch in erster Linie bei mir, allerdings spiegelt eine Filmkritik auch subjektive Meinung wieder.

Gnislew: 3 out of 5 stars (3 / 5)

Dies waren die ersten zehn Filme des Festivals. In einer Stunde geht es mit den zweiten Zehn weiter.

4 Gedanken zu „3rd Free Independent Film Weekend: Reviews #1 – #10“
  1. Hast du wirklich an einem Wochenende EINHUNDERT Filme gesehen? Das ist doch Wahnsinn, selbst wenn es „nur“ oder fast nur Kurzfilme sind. Kann man das dann überhaupt noch genießen? Ich ziehe dennoch meinen Hut. Aber für mich wäre das nichts.

    1. Nein! Ich habe die nicht an einem Wochenende gesehen. Ich war Teil der Jury und habe die seit März immer in kleinen Portionen geschaut, durfte allerdings bisher nicht drüber schreiben.

      1. Das ist beruhigend zu wissen. Ich dachte schon du hast bei „Deutschland sucht den Mega-Hammer-Super-Filmbinger“ mitgemacht. 😉

        Wie kam es dazu, dass du Teil der Jury wurdest?

        1. Ich bin mit dem Organisator schon länger im Kontakt. Habe im letzen Jahr ja schon Promo für das Festival gemacht und er hatte dann gefragt ob ich Lust auf Jury habe.

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